Wort zum Sonntag von Abt Johannes Maria Szypulski OCist
Dem Tod eine Grenze gesetzt

Jesus besitzt Macht über Leben und Tod, er kann das erlösende Wort sagen: „Lazarus, komm heraus!“ Bild: Fresko in der Domkirche Santa Maria Assunta in San Gimigniano.  | Foto: jorisvo - stock.adobe.com
  • Jesus besitzt Macht über Leben und Tod, er kann das erlösende Wort sagen: „Lazarus, komm heraus!“ Bild: Fresko in der Domkirche Santa Maria Assunta in San Gimigniano.
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Keiner zweifelte, dass Lazarus tot war, denn vier Tage zuvor wurde er begraben. Jesus aber meint, dass er nur schläft, um auf die Relativität des Todes hinzuweisen. Gerade in den Augen Gottes ist der menschliche Tod wie ein Schlaf, der ein Erwachen erwartet, so ähnlich wie im Tode Jesu.

Über die schwere Krankheit seines Freundes Lazarus wurde Jesus von den Schwestern informiert. Trotzdem verweilt er ganz bewusst noch zwei weitere Tage an dem Ort, wo er war. So lässt Jesus sozusagen den Tod über das Leben seines Freundes Lazarus „triumphieren“.

Ja, Jesus wartet bewusst den vierten Tag ab, damit absolut keiner an dem definitiven Tod des Lazarus zweifeln würde. An diesem Tag musste auch jegliche Hoffnung auf die Rückkehr des Bruders zum Leben absterben, erst dann kommt Jesus.

Im Grunde genommen kam Jesus nicht deswegen nach Betanien, um den normalen Zyklus des physischen Lebens zu ändern, das auf Vergänglichkeit und Tod ausgerichtet ist, sondern um eben unserer Vergänglichkeit und unserem Tod eine neue Bedeutung zu geben.

Deswegen sagt Jesus, als er von der Krankheit des Freundes erfährt: „Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes.“ Diese Worte weisen darauf hin, dass das Wunder der Aufer­weckung von Lazarus eine Voraussage der Auferstehung Jesu ist.

Jesus, der Lazarus auferweckt hatte, ist der gleiche, der am Paschatag aus dem Grab ­herauskommt. Die Erzählungsdynamik konzentriert sich nicht auf Lazarus, sondern auf das Tun Jesu, der bewirkte, dass Lazarus wieder lebt.

Marta, die Schwester von Lazarus, hört von Jesus das berühmte Schlüsselwort des Evan­geliums: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ – „Ich bin es“, so nennt sich Jesus, genau­so lautet der Name Gottes im Ersten Testament.

Jesus will Marta ein Wort des Trostes spenden und sagt: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht
sterben“.

Jesu Macht über Leben und Tod

Der Herr zeigt sich hier als der, der die Macht über Leben und Tod besitzt. Nur er kann zur Leiche des Lazarus im Grab sagen: „Lazarus, komm heraus!“ Ja, die Worte Jesu haben die Macht, die Toten aus dem Grab heraus­zuholen.

Der Zustand des Todes und der Verwesung bei Lazarus ist ein Sinnbild für die Sünde. Der Mensch, der in Sünde lebt, befindet sich im Zustand des Todes. Er hat in sich kein „wahres Leben“, es fehlt ihm die Fähigkeit zur „wahren Liebe“ und er kann nicht bis zuletzt der Wahrheit folgen. Nur Jesus, der Heiland und Erlöser der Welt, ist mächtig, den Menschen aus diesem Zustand herauszuziehen.

Vielsagend ist die tiefe Rührung und das Weinen Jesu am Grab seines Freundes. Auch wir haben immer wieder diese Erfahrung mitgemacht, am Grab der Mutter, des Vaters, des nahen Verwandten oder des Freundes. Wir brauchen uns wegen der feuchten Augen nicht schämen. Es ist durchaus menschlich und zugleich befreiend.
Jesus weint öffentlich nicht nur wegen des Freundes, es ist ein Weinen über die menschlichen Falschheiten und Gemeinheiten. Die Hohenpriester haben nämlich beschlossen, den auferweckten Lazarus zu töten, weil seinetwegen viele Juden den Glauben an Jesus gefunden haben (Joh 12,10-11).

Im Evangelium folgt auf die Auferweckung des Lazarus der Beschluss des Hohen Rates, Jesus umzubringen: „Von diesem Tag an waren sie entschlossen, ihn zu töten“ (Joh 11,53). An dem Tag also, an dem Lazarus auferweckt wurde, damit Leben triumphieren kann, wurde das Urteil gegen Jesus gefällt, der das wahre Leben der Welt ist und für immer bleibt.

Der Autor

Die Gedanken zum Evangelium des 5. Fastensonntags und des Palmsonntags kommen von Abt Johannes Maria Szypulski OCist. Er wurde am 25. Juni 1956 in Mława, Polen, geboren. Nach dem Studium am Pries­ter­seminar in Płock und seinem Eintritt in die Zis­terzienserabtei Zwettl 1982 empfing er im Juni 1985 die Priesterweihe. Zuerst im Kloster als Präfekt der Sängerknaben sowie als Verantwortlicher für die Novizen tätig, folgte ab 1992 die Arbeit als Seelsorger in den Pfarren Großinzersdorf und Loidesthal (Erzdiözese Wien). 2016 übernahm er als Pfarrer die Pfarre Stift Zwettl und war von 2016 bis 2017 Prior des Klosters. Am 29. Mai 2017 wurde er zum
69. Abt des Stiftes Zwettl gewählt.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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