Anna Rosenberger im Interview
„Die kfb ist meine kirchliche Heimat“

Anna Rosenberger ist Vorsitzender der Katholischen Frauenbewegung der Diözese St. Pölten und der Frauenkommission. | Foto: zVg
  • Anna Rosenberger ist Vorsitzender der Katholischen Frauenbewegung der Diözese St. Pölten und der Frauenkommission.
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Anna Rosenberger ist eine der prägendsten Frauen in der Diözese St. Pölten. Seit 2008 ist sie Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung (kfb) und seit 2020 Vorsitzende der neu konstituierten Frauenkommission in der Diözese. Anlässlich ihres bevorstehenden 60. Geburtstages baten wir sie zum Interview.

Sie sind seit 2008 Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung der Diözese St. Pölten. Wofür sind Sie dankbar, was Sie mit der kfb in diesen Jahren erreichen bzw. umsetzen konnten?
Anna Rosenberger: Ich bin seit meinem 23. Lebensjahr Teil der Katholischen Frauenbewegung. Die kfb ist für mich kirchliche Heimat, der Boden, der mich nährt und trägt. Ich bin stolz auf die kfb, die als größte Frauengemeinschaft in der Kirche Österreichs schon weit über 70 Jahre lang besteht und handelt. Über die Jahrzehnte hinweg gab es immer wieder verschiedenste Herausforderungen und wir haben erlebt und erleben noch immer, dass gerade Frauen sich immer wieder in der Kirche und durch die Kirche enttäuscht fühlen. Ich bin dankbar, dass wir als kfb in all diesen Jahren Frauen immer wieder ermutigen konnten, nicht aufzugeben, nicht auszutreten, sondern sich als Teil der Kirche zu verstehen, in der wir aus der Taufberufung heraus einen ganz festen und ganz selbstverständlichen Platz haben. Ich bin stolz darauf, dass diese Botschaft immer wieder ankommt und gespürt wird.

Hat sich die kfb über die Jahrzehnte verändert?

Anna Rosenberger: Wenn ich zurückschaue, war die Katholische Frauenbewegung vor Jahrzehnten zum Teil schon viel weiter als heute. Leider hat es in den letzten Jahrzehnten Rückwärtsbewegungen gegeben – das betrifft vor allem die Forderungen nach strukturellen Veränderungen und den Zugang der Frauen zu den Weiheämtern. Da waren unsere Vorgängerinnen in den 1980er- und 1990er-Jahren schon weiter. Es gab z. B. in den 1990er-Jahren einen offiziellen österreichweiten Tag mit Kirchenvertretern und der kfb zum Diakonat der Frauen. Frauen in der kfb sind in den Pfarren, auf diözesaner und auf Österreich-Ebene immer dafür eingetreten, dass wir als Gottes geliebte Töchter aus der Taufberufung heraus einen gleichwertigen und selbstverständlichen Platz in der Kirche haben. Oder bewirkt die Taufe etwa bei Söhnen etwas anderes?
Für uns in der kfb heißt es, dranzubleiben und die Frauen zu ermutigen, das Positive und Stärkende in der Kirche zu sehen und nicht wegzugehen.

Gehen die Frauen von der Kirche weg?

Anna Rosenberger: Ja – und das genau macht mir derzeit Sorge. Der Trend ist – auch coronabedingt –, dass die Frauen still und leise die Kirche verlassen. Männer haben – und da meine ich die Pfarrebene – die Kirche schon längst verlassen. Aufgrund der Zählungen wissen wir, dass die Zahl der Kirchenbesucherinnen und
-besucher abnimmt. Ja, es gibt Ausnahme-Pfarren, wo es nicht so ist, aber der Trend geht eigentlich dahin, dass Menschen sich von der Kirche verabschieden und nicht mehr sonntäglich in die Kirche gehen. Ich komme noch aus einer Generation, wo es selbstverständlich war und ist, sonntags zur Messe zu gehen. Heute muss man sich auf Pfarrebene schon was einfallen lassen, um die Leute herzuholen. Man muss was bieten – z. B. einen themenbezogenen Gottesdienst. Die Frauen waren bis jetzt immer noch die, die da waren. Und jetzt merke ich auch in meinem Umfeld, auch bei gleichaltrigen Frauen, dass sie im Gottesdienst fehlen. Und ihnen geht da offenbar nichts ab.

Was kann die kfb beitragen, dass insbesondere Frauen wieder zurückfinden?

Anna Rosenberger: Ich bin der Meinung, auch Glaube braucht Pflege und Training. Wenn ein Sportler nicht trainiert, dann kann er nicht mehr die gleichen Leistungen abrufen. Wenn ich es verlerne zu beten und wenn ich dadurch verlerne und vergesse, dass der Glaube eine Kraftquelle für mich ist, dann verliere ich vieles. Ich glaube aber auch, dass wir erkennen müssen, dass es heute anders sein kann und darf. Es gibt ganz viele Möglichkeiten, den Glauben lebendig zu halten. Es heißt für uns in der Kirche, dementsprechende Angebote zu setzen. Wir als kfb ermutigen die Frauen, ihren Glauben zu leben und zu feiern.

Wie geschieht das?

Anna Rosenberger: In den zahlreichen Frauenliturgien, die angeboten werden, sei es real oder mittels Unterlagen. Ein weiteres Beispiel: Zu Beginn der Coronakrise habe ich zu meinem kfb-Leitungsteam gesagt: Wir müssen etwas tun, und nicht nur den Kopf einziehen und uns nicht sehen lassen. Wir verschicken seither regelmäßig Impulse im Laufe des Kirchenjahres an alle unsere Frauen und weit darüber hinaus. Diese gehen an tausende Adressen, von den Pfarrfrauen bis zu Bischöfen, und wir erhalten ganz viele positive Rückmeldungen. Dies ist eine andere Art der Glaubensvermittlung – und jede/r kann entscheiden, ob er/sie es liest und nutzt.

Welche Zukunftsvisionen haben Sie für die kfb?

Anna Rosenberger: Eine Zukunft sehe ich da, wo es gelingt, den Menschen, trotz aller negativen Schlagzeilen in Sachen Kirche, die wir ja gerade sehr intensiv erleben, das Positive an der Kirche zu vermitteln. Und genau darum geht es uns in der kfb. Ich sehe unseren Auftrag darin, der Kirche ein weibliches Gesicht zu geben und Frauen dabei zu unterstützen, sich noch mit der Kirche verbunden zu füh­len und zu wissen, und unserem christlichen Auftrag nachzukommen, in der Gemeinschaft Gutes zu tun. Ich denke da u. a. an unsere Aktionen wie das Fastensuppenessen oder unsere zahlreichen Angebote, die selbstverständlich in eine christlich/weibliche Spiritualität eingebettet sind. Es muss der Kirche gelingen, dass die Menschen erkennen, dass es ihnen guttut, dabei zu sein. Es geht um die Frohe Botschaft, die es zu vermitteln gilt.

Sie sind auch Vorsitzende der 2020 in der Diözese St. Pölten neu konstituierten Frauenkommission. Was tut sich da?
Anna Rosenberger: Ein Hauptthema ist derzeit die Gleichstellung in der Diözese von Männern und Frauen und da haben wir noch ein Stück Arbeit vor uns. Wir sehen es als unseren Auftrag, an diesen Themen dranzubleiben und eventuelle Missstände aufzuzeigen.
Als Frauenkommission beschäftigen wir uns auch intensiv mit dem Synodalen Prozess, den Papst Franziskus für die ganze Weltkirche ausgerufen hat. Aufeinander hören setzt voraus, dass wir in achtsamer Kommunikation aufeinander hören und einander verstehen lernen.
Wir sind in der Frauenkommission der Frage nachgegangen: Was würde ich dem Papst sagen wollen? Wir haben diese Aussagen gesammelt, werden sie clustern und über die verschiedensten Kanäle eingeben. Es ist wichtig, dass wir als Frauen an diesem Synodalen Weg dranbleiben und die Sicht der Frauen einbringen.

Kürzlich hat die österreichische Bischofskonferenz sich dafür ausgesprochen, Frauen vermehrt in Leitungsfunktionen zu geben. Wie sehen Sie das?
Anna Rosenberger: Ohne die Frauen mit hinein zu nehmen in Leitungspositionen und in die Verantwortung wird die Kirche des 21. Jahrhunderts keine Zukunft haben. Es ist mit der Zusage der Bischöfe viel passiert, aber ich kenne ganz viele Frauen, auch Theologinnen oder Ordensfrauen, die sich in ihren Berufungen nicht als gleichwertig angenommen fühlen. Wir verfolgen auch aufmerksam den Synodalen Weg in Deutschland und die Stellungnahme der deutschen Bischöfe dazu. Ich denke, da kann man nicht mehr dahinter zurück. Das ist eine Ermutigung für uns Frauen in Österreich und in anderen Ländern der Welt. Wenn so manches in Deutschland möglich ist, dann muss es doch auch in anderen Ländern möglich sein. Uns geht es darum, sich als Frauen für Frauen einzusetzen – immer mit dem Ziel, in der Kirche zu bleiben und sie für alle lebbar zu machen, denn sie ist es wert.

Es beginnt bald die Fastenzeit – und es wird dann wieder die Aktion Familienfasttag und Fastensuppenessen geben.

Anna Rosenberger: Diese Aktion gehört zur kfb – seit über sechs Jahrzehnten. Die Aktion zeigt, dass wir weltweit miteinander verbunden sind und Verantwortung für Frauen in unseren Projektländern tragen. Ich erlebe, dass es in unserer Aktion und durch die Arbeit unserer Projektpartnerinnen nicht nur darum geht, Geld zu spenden, sondern vor allem darum, die Frauen in den Projektländern zu ermächtigen, dass sie dort, wo sie leben, stark sind sich zu organisieren und dass sie sich Gewalt nicht gefallen lassen müssen. So können wir den Frauen weltweit ganz viel geben, aber auch von ihnen lernen.

Welchen persönlichen Wunsch haben Sie zu Ihrem 60. Geburtstag?

Anna Rosenberger: Dass wir in dieser Welt, die so schön ist, in Liebe und Frieden, in all unseren Unterschiedlichkeiten, getragen, gestärkt und geborgen in und durch die Liebe Gottes miteinander leben können – mit all den Herausforderungen, die sich uns täglich stellen. Ich wünsche mir oft mehr Solidarität und den Glauben an das Gute und das Gemeinsame, denn so könnten wir Menschen schon ein Stück Himmel auf Erden haben.

Zur Person

Anna Rosenberger kam am 23. Februar 1962 als zweites von insgesamt vier Kindern auf einem Bauernhof in der Pfarre Oed (Gemeinde Zeillern) zur Welt. Sie ist verheiratet, Mutter von drei Töchtern und Großmutter von acht Enkelkindern. Sie war und ist in der Pfarre und in der Gemeinde in verschiedenen Funktionen ehrenamtlich engagiert. Seit 2010 ist sie Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung in der Diözese St. Pölten, von 2012 bis 2015 war sie auch stellvertretende Vorsitzende der kfb Österreich. Seit
13 Jahren ist sie Vizepräsidentin der Katholischen Aktion der Diözese und seit 2020 Vorsitzende der diözesanen Frauenkommission.

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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