NÖ-Armutsnetzwerk: Teuerung ist existenzgefährdend

Michael Lackenberger, Geschäftsführer der NÖ Schuldnerberatung, Barbara Bühler, Obfrau des NÖ Armutsnetzwerks und Caritas-Generalsekretär Christoph Riedl. Im Vordergrund: Waren des täglichen Lebens, die sich massiv verteuert haben. | Foto: Wolfgang Zarl
  • Michael Lackenberger, Geschäftsführer der NÖ Schuldnerberatung, Barbara Bühler, Obfrau des NÖ Armutsnetzwerks und Caritas-Generalsekretär Christoph Riedl. Im Vordergrund: Waren des täglichen Lebens, die sich massiv verteuert haben.
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Für armutsgefährdete und von Armut betroffene Menschen waren die letzten Jahre wegen der Corona-Pandemie bereits sehr herausfordernd. Nun bringe die Teuerung gerade diese Menschen an den Rand der Existenz, sagte Barbara Bühler, Obfrau und Koordinatorin des NÖ Armutsnetzwerks, bei einem Pressegespräch. Es gebe Lücken im sozialen Auffangnetz, die wie Sollbruchstellen in Zeiten von Krisen zu Brüchen führen würden. „Die Teuerung brennt, aber trotzdem heizt sie nicht die Wohnung“, so Bühler. Denn gerade die Wohn- und Energiepreise würden aktuell eine starke Belastung darstellen.

Zu arm für die Privatinsolvenz

970 Privatkonkurse wurden in den ers­ten drei Quartalen 2022 in NÖ eröffnet. Laut Michael Lackenberger, Geschäftsführer der NÖ Schuldnerberatung, entspricht dies einer Steigerung von über 36 Prozent zum Vorjahr. „Vielen ist in Zeiten der Teuerungen selbst ein Privatkonkursverfahren nicht mehr möglich“, so Lackenberger. „Voraussetzung dafür ist nämlich, mit dem Geld, das einem monatlich zur Verfügung steht, auszukommen und keine weiteren Schulden zu machen.“ Das Existenzminimum, jener Geldbetrag, der trotz Privatinsolvenz und Exekutionsverfahren unpfändbar ist und dem Schuldner zusteht, sei vor allem hinsichtlich der Inflation mit aktuell 1.030 Euro im Monat zu niedrig.

„Viele Menschen sprechen derzeit von einem Wohlstandsverlust, der durch die Teuerungen eintritt. Für unsere Klientinnen und Klienten ist es aber kein Wohlstandsverlust, sondern es droht ein Existenzverlust“, so Michael Lackenberger.

Armut kommt in der Mitte an

„Wir können jetzt verhindern, dass aus der Teuerungswelle eine Armutswelle wird. Wir müssen dem Mehr an Kosten mit einem Mehr an Hilfe, sozialer Wärme und Leistung entgegentreten“, führt Christoph Riedl, Generalsekretär der Caritas der Diözese St. Pölten, aus. Bei den Sozialberatungsstellen der Caritas hätten sich die Anfragen auf mehr als 4.200 verdoppelt. Zumeist geht es um Nachzahlungen für Strom und Gas, Mietrückstände und die immer höher werdenden Kosten für Lebensmittel. Riedl appelliert an Betroffene, sich an die Beratungsstellen der Hilfsorganisationen, etwa der Caritas, zu wenden. Riedl weiter: „Die Armut kommt langsam in der Mittelschicht an, auch das merken wir bei der Caritas. Es kommen Menschen zu uns in die Beratung, die sagen, sie hätten nie gedacht, dass sie selbst einmal Hilfe der Caritas benötigen würden.“

Das NÖ Armutsnetzwerk stellt vier Forderungen, um der drohenden Armutswelle entgegenzuwirken. Ein Stopp der Abschaltungen der Energieanbieter soll verhindern, dass Personen frieren. Weiters fordert Barbara Bühler Reformen sowohl bei der Wohnbeihilfe als auch bei der Sozialhilfe. Die Wohnbeihilfe solle sich an der Einkommenssituation der Person orientieren, also am Bedarf, nicht am bewohnten Objekt. Letztlich fordert das Armutsnetzwerk die Verankerung sozialer Rechte, etwa mit einem Bundesverfassungsgesetz für soziale Sicherheit.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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