Gerda Schaffelhofer im SONNTAG-Gespräch
Mich treibt die Sorge um die Kirche

In ihrem jüngsten Buch „Werft die Fesseln ab – Kirche neu denken“ analysiert die ehemalige Styria-Verlagsleiterin und Präsidenten der Katholischen Aktion Österreichs die Lage der Kirche und skizziert ihre Wünsche an eine Kirche von morgen.

Sie kennen die Kirche als Theologin, als Religionslehrerin, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterin. Was war Ihre Motivation für dieses Buch?
Schaffelhofer: Mich lässt Kirche nicht los. Seit meinem 13. Lebenjahr ist das so. In der Corona-Zeit habe ich die Ruhe genutzt, um meine Gedanken zu sammeln. Getrieben bin ich von einer großen Sorge um die Kirche. Man merkt, dass immer mehr Menschen in die innere Emigration gehen. Vielleicht sind sie bei der Kirche noch dabei, aber Kirche sagt ihnen nichts mehr und bietet ihnen keine Orientierung. Man spürt, dass die Kirche ein fundamentales Glaubwürdigkeitsproblem hat, die Menschen deswegen diese Kirche fast nicht mehr ernst nehmen und in ihr Leben hineinlassen.

Können aktuelle Reformbestrebungen die Lösung bringen?

Schaffelhofer: Die Problemfelder der Kirche greifen ineinander. Alles ist so sehr miteinander verwoben. Ich meine, es braucht eine Gesamtreform. Wir können uns nicht mit der Reform eines Teilgebietes zufriedengeben.

Müsste die Kirche „zeitgemäßer“ werden – und was heißt das?

Schaffelhofer: Ich glaube nicht, dass die Kirche ihre Glaubwürdigkeit durch Anbiederung an den Mainstream zurückerhält. Sie muss wirklich herausschälen, was die Botschaft Gottes an uns ist. Da muss sie ein klares Wort sprechen, das auch für die Menschen Orientierung ist.

Sie schreiben. dass Sie sich Sorgen um die Priester machen ...
Schaffelhofer: Ich halte ein System, das die zentrale Verantwortung auf die Schultern des Priesters legt, für eine Überforderung. Diesem Anspruch kann ein einzelner Mensch nie gerecht werden. Man darf sich daher nicht wundern, wenn Priester zunehmend ausgebrannt sind. Dazu kommt, dass sie in ihrer Ausbildung im Seminar auf ein klerikales Stockerl gehoben werden. Wobei ich da uns Laien ebenso in die Pflicht nehme, weil wir nur allzu gerne die Verantwortlichkeiten auf den Pfarrer abschieben, statt unser gemeinsames Priestertum einzubringen.

Wie könnte dies aussehen?

Schaffelhofer: Das Verhältnis zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller und dem Amtspriestertum muss neu definiert werden. Was heißt Berufung? In der Bibel ist Berufung immer ein Dienst und nicht das Privileg, zu einem bestimmten Stand zu gehören. Berufung ist ganz radikal gedacht der Zugriff Gottes auf einen Menschen, der sich vollkommen in den Dienst der Gemeinde stellt. Ich kenne aber auch Priester, die das leben.

Ein ständiger Diskussionspunkt ist der Zölibat. Wie stehen Sie dazu?
Schaffelhofer: Der Zölibat war ein enormes Unterscheidungsmerkmal gegenüber den normalen Menschen. Aber der Zölibat ist keine Glaubenswahrheit, sondern eine Verhaltensvorschrift der Kirche ohne theologischen oder gar biblischen Grund. Wie lieblos in der Kirche bis in die jüngste Zeit mit Priestern umgegangen wurde, die den Zölibat nicht leben konnten, gehört zu den großen Ungerechtigkeiten. Ganz zu schweigen vom Umgang mit den betroffenen Frauen.

Apropos Frauen: Ein ganz zen-traler Punkt, der sich durch viele Kapitel zieht, ist die Rolle der Frau in der Kirche. Prof. Zulehner, der das Vorwort geschrieben hat, stellte kürzlich fest, dass junge Frauen der Kirche massiv abhanden gekommen sind. Was bedeuetet das?
Schaffelhofer: Zunächst, dass in der Kindererziehung Kirche und oft auch der Glaube keine Rolle mehr spielen. Letztlich wird dann in der Familie Glaube nicht mehr gelebt. Das ist für die Zukunft der Kirche eine Katastrophe.

Wie konnte es so weit kommen?
Schaffelhofer: Auch hier ist eine der Ursachen, dass sich die Kirche beim Thema Frauen von Jesus weit entfernt hat. Jesus war für seine Zeit geradezu provokant im Umgang mit Frauen. Auch in der Urkirche hatten Frauen einen großen Einfluss. Erst im Laufe der späteren Jahrhunderte kam der Bruch. Die Frau als Mängelwesen darzustellen, hat sich vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert gehalten. Erst der Konzilspapst Johannes XXIII. hat in Anlehnung an den Galatherbrief festgehalten, dass nicht das Geschlecht, sondern der Glaube entscheidend ist. Das muss sich endlich in der Kirche durchsetzen. Nach Johannes XXIII. ist dieses Bewusstsein leider verebbt.

Wie stehen Sie zur Priesterweihe der Frau?
Schaffelhofer: Ich sehe keinen Grund, warum eine Frau nicht ebenso Dienst am Altar tun darf. Es geht hier nicht um das Geschlecht. Ob die Frauen sich aber so sehr darum bemühen sollen, ist eine andere Frage. Ich würde lieber das gemeinsame Priestertum betonen. Solange es aber das Amtspriestertum gibt, müssen sich Frauen darum bemühen, weil es keinen Ausschließungsgrund gibt. Aber ob alle Priester werden müssen, stelle ich infrage. Es gibt viele andere Formen.

Es gibt ja schon viele Möglichkeiten der Beteiligung – gerade jetzt waren Pfarrgemeinderatswahlen. Woran denken Sie?
Schaffelhofer: Die neue Kurienreform von Papst Franziskus stimmt mich hier hoffnungsfroh. Erstmals können auch nicht geweihte Personen die Dikasterien (vatikanische Ministerien, Red.) leiten. Das heißt, jeder Laie und jede Frau kann die Leitungsfunktion einnehmen. Man trennt also das Weiheamt vom Leitungsamt. Das wünsche ich mir auch für Diözesen und Pfarren. Es muss ja nicht immer der Priester der Leiter einer Pfarre sein. Der Priester wird immer das Messopfer feiern müssen. Aber die Letztverantwortung muss nicht immer beim Kleriker liegen.

Am Ende schreiben Sie von der Kirche, von der Sie träumen. Wie soll sie ausschauen?

Schaffelhofer: Ich wünsche mir, dass diese Kirche wieder eine Bewegung des Volkes Gottes wird, wo die Verkündigung des Wortes Gottes gelebt wird. Dazu gehört natürlich auch, dass alle gleichwertig und von gleicher Würde sind. Ich wünsche mir aber auch, dass sich die Kirche zu ihren Irrwegen – wie etwa in der leibfeindlichen Sexualmoral – bekennt und diese aufgibt. Ich träume von einer Kirche, die sich wieder zur Frohen Botschaft von einem barmherzigen Gott bekennt, der das Heil aller Menschen will. Ich bin überzeugt, dass dies heute noch von höchster Attraktivität ist, weil sie den tiefsten Sehnsüchten der Menschen gerecht wird.

Also ein offenes Haus für alle Menschen ...
Schaffelhofer: Ja. Eigentlich sollte die Kirche eine Art Glashaus sein, transparent und offen für alle. Wo man aber auch gleichzeitig hinausgeht, um das Evangelium bis an die Ränder zu tragen. Wir müssen uns alle unserer gemeinsamen Sendung stärker bewusst werden. Der zentrale Auftrag Jesu lautet: Gehet hinaus und verkündet! Dieser Auftrag geht an alle Getauften.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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