Abenteuer Gottesglaube in der Freundschaft
Vielleicht hat Gott ein Schwein für mich

Gemüseschneiden schafft Costel blind. Freundschaft hat ihn Vertrauen finden lassen. Im Bild mit P. Georg Sporschill SJ. | Foto: Ruth Zenkert
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Costel kommt überraschend zu Besuch nach Hosman in Siebenbürgen. Er will seine Mama Ruth wieder sehen. Vor 22 Jahren hatten wir das zehnjährige Straßenkind gefunden. Heute lacht er und freut sich des Lebens. Er arbeitet als Koch in einem Restaurant in Kiel. Mit dem Geld, das er verdient, renoviert er ein Häuschen in Rumänien. Wenn es fertig ist, will er sich eine Frau suchen. Er möchte nicht mit leeren Händen auf Brautschau gehen.

Costel erzählt begeistert von seiner Arbeit. In einer Stunde schneide er zehn Kilo Zwiebeln und er müsse gar nicht hinschauen. Lachend sieht er mir in die Augen und schneidet Zwiebeln für unser Mittagessen. Er kocht "Spaghetti mafiosi". Als wir bei Tisch sitzen, will er wissen, ob ich mich daran erinnere, wie ich ihn am Bahnhof gefunden habe. Die Kindheit kehrt zu ihm zurück.

"Nach der Geburt hat mich meine Mutter im Krankenhaus zurückgelassen", erzählt Costel. Er war in verschiedenen Heimen, immer waren dort über 300 Kinder und immer war es schrecklich. Bei jeder Verlegung dachte er, es könne nicht schlimmer kommen. Es konnte: Überall Schlägereien, die Großen unterdrückten die Kleinen und machten sie fertig. Angst war allgegenwärtig. "Auch ich war frech und habe die Schwächeren gequält", bekennt Costel heute. Als Strafe kamen die Großen ins "schwarze Zimmer", da wurden sie selbst geprügelt und im Dunkeln eingesperrt. Costel hat dreimal versucht, wegzulaufen, wurde aber immer wieder eingefangen. Man hat ihm mit Stöcken auf die Fußsohlen geschlagen, bis er nicht mehr gehen konnte.

Endstation Bahnhof Bukarest

Beim vierten Mal habe ich es geschafft." Es war Winter. Nachts stieg der Junge im Pyjama aus dem Fenster und über den großen Betonzaun. Barfuß kam er bis nach Iasi, dort sprang er auf einen Zug, auf das Dach eines Lastwaggons. Es war eiskalt, der Bub war durchgefroren.

"In Bukarest war Endstation", erinnert sich Costel, "am Bahnhof habe ich andere Kinder gesehen". Auch dort standen Prügeleien auf der Tagesordnung, die Großen nahmen den Kleinen die Kleider weg. Costel war damals acht Jahre alt. Die Kinder haben in Läden eingebrochen und gestohlen. Sie nahmen nur Essen, von Geld hatten sie noch keine Ahnung. Sie wollten den Hunger stillen. Drei Jahre hat Costel so am Bahnhof gelebt mit guten und mit schlechten Freunden.

"Dann kam ich zu euch", erinnert er sich und er sagt zu mir: "Ich weiß noch genau, wie du die Treppe zur U-Bahn hinunter gekommen bist. Ich war im Pyjama und barfuß. Du warst dort mit ein paar Kindern und hast mir ein Brot gegeben und gefragt, ob ich mit dir in ein Kinderhaus komme." Costel wollte nie wieder in ein Kinderheim, aber die Kinder sagten ihm: "Komm mit, wir wohnen auch dort". Costel kam mit, hatte sich aber vorgenommen wegzulaufen, wenn es ihm nicht gefallen sollte.

Neues Zuhause

Was Costel heute noch in Erinnerung hat, ist, dass das Haus klein war und ganz anders als die anderen Heime. Viele Kinder waren dort, manche kannte er sogar. Zuerst wurde er in die Badewanne gesteckt, dann bekam er Kleider und ein Bett, schließlich wurden ihm die Haare geschnitten, die ganz wild und voller Läuse waren.

"Ich habe erwartet, dass man mir wieder eine Glatze schneidet", erinnert er sich, "das war schrecklich. Ich wollte ein Schwänzchen hinten behalten, als Erinnerung an die Vergangenheit. Das war die größte Überraschung meines Lebens: Ich durfte das Schwänzchen behalten, obwohl es ein verrückter Wunsch von mir war." Das erste Mal konnte Costel sagen, wie er aussehen wollte. Es war alles neu und anders.

Einmal hörte Costel, dass die Erzieher vom staatlichen Heim kommen und ihn holen würden. "Da hatte ich Angst, dass ich zurück muss. Aber ich hatte Vertrauen zu euch, ich wusste, dass ihr mich nicht mehr dorthin schicken werdet. Ich habe gespürt, ihr seid echte Freunde." Das, sagt Costel, hat ihm bis
heute Kraft gegeben.

Gott hat mich herausgeholt

Ein schöneres Geschenk als ein Besuch unserer groß gewordenen Kinder gibt es für mich nicht. Costel sieht das so: "Mein Leben ist das Werk von Gott, durch mich hat er gearbeitet. Stell dir vor, von wo ich gekommen bin und wo ich heute bin.

Gott hat mich herausgeholt. Gott gibt dir nicht alles, er will sehen, was du tust. Ohne ihn kannst du nichts  machen. Von ihm habe ich Ehrgeiz bekommen und Kraft. Das ist jetzt der Anfang, ich will mehr erreichen." Sein Traum ist es, einmal eine eigene Wohnung und eine Familie zu haben. "Was Gott mir geben will, gibt er mir. Vielleicht hat er auch einmal einen kleinen Hof mit einer Kuh und einem Schwein und einem Garten für
mich."

Am nächsten Tag begleite ich Costel zum Bus. 45 Stunden wird er bis Kiel brauchen. Auf dem Weg bringen wir noch etwas zum Essen bei der Familie Savu vorbei. Als Costel die armselige Hütte sieht und acht verwahrloste Kinder in einem Raum, barfuß auf dem kalten Lehmboden, ist er schockiert. "Ihr seid wieder einmal am Arsch der Welt angekommen. Ja, die Kinder brauchen euch, damit sie hier herauskommen. Doamne ajuta. Gott helfe euch."

Gemüseschneiden schafft Costel blind. Freundschaft hat ihn Vertrauen finden lassen. Im Bild mit P. Georg Sporschill SJ. | Foto: Ruth Zenkert
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Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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