Hildegard Burjan und Ignaz Seipel
Ihre Freundschaft war ihnen wichtig

Hildegard Burjan und Ignaz Seipel  | Foto: kathbild.at/Rupprecht und Wikimedia/Wenzel Weis
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Was verband Hildegard Burjan, die Gründerin einer Frauengemeinschaft und christlich-soziale Politikerin, mit dem christlich-sozialen Bundeskanzler Ignaz Seipel? Eine Spurensuche im Wien des 20. Jahrhunderts.

Sie waren einander sehr verbunden: Hildegard Burjan, die österreichische Sozialpolitikerin und Ordensgründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, und Ignaz Seipel, der insgesamt fünfeinhalb Jahre als Bundeskanzler an der Spitze der Regierung stand. Er stand ihr bei ihren sozialen Aktivitäten zur Seite und machte manche Projekte Burjans politisch möglich.

Hildegard Burjan, geboren am 30. Jänner 1883 in Görlitz, Niederschlesien; gestorben am 11. Juni 1933 in Wien) setzte sich besonders intensiv für Frauen ein.

Ignaz Seipel
(geboren am 19. Juli 1876 in Wien; gestorben am 2. August 1932 in Pernitz) amtierte zweimal als österreichischer Bundeskanzler (1922–1924 und 1926–1929).

Beide waren ihrer Zeit voraus. Hildegard Burjans Gedenktag als Selige ist der 12. Juni. Professorin Ingeborg Schödl, die Wiener Burjan-Kennerin, erläutert im SONNTAG-Gespräch diese Freundschaft.

  • Was zeichnet die Beziehung zwischen Hildegard Burjan und Ignaz Seipel aus?

Die Freundschaft zwischen einer Frau und einem Mann, vor allem der Kirche, war für die damalige Zeit ungewöhnlich und sorgte sicher für Gesprächsstoff. Es war eine Freundschaft geprägt von gegenseitigen Respekt sowie der Akzeptanz der Meinung des anderen. Diese Freundschaft wurzelte in der geistigen Auseinandersetzung zweier kongenialer Menschen. Beide schöpften daraus die Kraft für ihre Arbeit in Politik und Kirche.

  • Wie gestaltete Hildegard Burjan ihre Beziehung zu Ignaz Seipel?

Hildegard Burjan brauchte die Auseinandersetzung, auch den Widerspruch, um ihre eigenen Pläne zu überdenken. In Ignaz Seipel hat sie da das richtige Gegenüber gefunden. „Was sie aber als richtig erkannt hat, davon lässt sie sich sowieso nicht abbringen“, meinte Seipel einmal. Gleich bei ihrer ersten Begegnung kam es zu einem Klingenkreuzen ihrer Meinungen. Nach einem Vortrag von Ignaz Seipel widerlegte Hildegard Burjan seine vorgestellten Thesen Punkt für Punkt aus ihrer Sicht. Es war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.

  • Wie gestaltete Ignaz Seipel seine Beziehung zu Hildegard Burjan?

Durch Hildegard Burjan bekam Seipel zu wichtigen Themen eine zusätzliche, manchmal auch eine andere Sichtweise. Sie kannte die Wirklichkeit des Lebens, sie kannte die Not der Menschen und was diese als Hilfe brauchten. Hildegard Burjan wurde ihm daher in vielen Fragen, vor allem auch in jener der künftigen Stellung der Frau, eine wichtige Gesprächspartnerin. Da Burjan selbst politisch tätig war, konnte Seipel mit ihr auch über die politisch umsetzbaren Möglichkeiten sprechen.

  • Was verbindet beide, den Bundeskanzler und die Politikerin und Ordensgründerin?

Beide hatten, trotz ihrer manchmal divergierenden Ansichten, viele Gemeinsamkeiten. Sie waren beide tief religiös, politisch und sozial sehr engagiert und im Denken ihrer Zeit weit voraus.

  • Warum kann man, vereinfacht gesagt, beide nur miteinander verstehen?

Hildegard Burjan und Ignaz Seipel waren trotz ihres öffentlichen Engagements im Grunde einsame Menschen. Gefühlsausbrüche waren ihnen fremd. Selbst wenn sie persönlich noch so verletzt wurden, ließen sie sich das nicht anmerken. Ignaz Seipel fand in Hildegard Burjan eine Partnerin zum Gedankenaustausch und in ihrer Familie ein Zuhause, wo er sich wohlfühlte. Beide brauchten einander und ergänzten sich.

  • Waren Hildegard Burjan und Ignaz Seipel Seelenverwandte oder eher Seelenfreunde?

Ich glaube, dass Hildegard Burjan und Ignaz Seipel eine Seelenfreundschaft verband. Von Seelenverwandten würde ich nicht sprechen.

  • Was können wir von dieser Beziehung zwischen den beiden für heute lernen?

Ein Vorbild für heute daraus abzuleiten, wage ich zu bezweifeln. Man muss alles aus den jeweiligen Zeitumständen betrachten. Damals wie heute ist es aber ein Glücksfall, wenn zwei noch so verschiedene Menschen Freunde werden können.

  • Was fasziniert Sie persönlich an dieser Beziehung zwischen Hildegard Burjan und Ignaz Seipel?

Dass sich beide, er als Mann der Kirche und sie als politisch engagierte Frau, über alle damals herrschenden gesellschaftlichen Regeln hinweggesetzt haben, weil ihnen ihre Freundschaft wichtig war.

Sommerserie „Seelenverwandte & Seelenfreunde"

Hildegard Burjan und Ignaz Seipel  | Foto: kathbild.at/Rupprecht und Wikimedia/Wenzel Weis
Prof. Ingeborg Schödl  | Foto: privat
Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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