Grundlage des persönlichen Handelns
Das Lesen der Bibel verändert

Lesen in der Bibel: Antworten auf fast alle Fragen. | Foto: iStock
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Seit Jahrtausenden ist die Bibel eine unerschöpfliche Kraftquelle für das Handeln von Menschen. Welche Anregungen sie aus der Heiligen Schrift schöpfen und warum die Bibel kein verstaubtes Buch ist, sondern Impulse für das tägliche Leben bereithält, das erzählen vier Männer und vier Frauen aus der Erzdiözese Wien.

Kurze Worte und Gleichnisse

Je älter ich werde, desto mehr Kraft schöpfe ich aus der Bibel. Es sind zwei Dimensionen der Bibel, die mich besonders prägen. Das eine sind kurze Worte, die sich einprägen und die mich begleiten. Da ist das Wort aus dem Psalm 119: „Dein bin ich, rette mich.“ So ein prägnantes Wort, das mich wie ein Ohrwurm begleitet. Dazu gehört auch ein weiteres Wort aus Psalm 119: „Es ist gut, dass du mich gedemütigt hast. So lerne ich deine Gebote.“ Angesichts der Demütigungen, die ich im Leben erfahren habe, ist es gut zu sagen, dass ich da durch musste. Das hat mich getragen. Die zweite Dimension sind die Geschichten. Ich bin ein begeisterter Leser der biblischen Geschichten, etwa der Josef-Geschichte in der Genesis: Josef in Ägypten, dieses Drama, das sich schließlich zum Guten wendet. Die Brüder haben ihm Böses angetan, aber Gott hat daraus Gutes gemacht. Das ist für mich so eine Schlüssel-Geschichte. Ich kann auch die David-Geschichte nicht oft genug lesen. Das Leben vom König David, von seiner Jugend an bis ins hohe Alter, seine Herzensgröße, aber auch seine Sünden. Das finde ich so faszinierend an der Bibel. Und dann natürlich aus dem Neuen Testament die Gleichnisse Jesu. Unvergleichlich. Man muss das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erst einmal ins Wort fassen. Jesus hatte eine ganz große Gabe, um die Menschen mit einfachen Geschichten zu erreichen. So bin ich mit der Bibel nie am Ende, das Wort Gottes ist immer wieder neu.

Kardinal Christoph Schönborn

Der barmherzige Samariter fordert mich

Die Bibel ist ein Lesebuch, das mir Gottes unbegrenzte schöpferische Lebensmacht erschließt, sie lädt mich daher immer wieder ein, mich neu zu fragen, ob ich SPURENSICHER bin, ob meine Lebensorientierung halbwegs richtig läuft. Die Schrift bezeugt, dass Gott mich/uns ins Leben ruft. Wenn ich mich darauf verlasse, öffnet sich eine bestimmte Sicht auf meine Lebensgeschichte, ja eigentlich auf alles. So ist sie mein Vademecum, das mein Leben prägt, begleitet, herausfordert. Im Bibellesen können wir für gegenwärtige Konflikte lernen – Wenn ich mir die schier unbegrenzte Fülle der Zeugnisse vor Augen halte, die zeigen, wie unser Credo unterschiedliche Perspektiven entwickelt, vielfältige Traditionen bearbeitet, sich in bestimmten kulturellen Milieus profiliert. Als kirchliche Mitarbeiterin fordert mich das Gleichnis vom barmherzigen Samariter immer wieder heraus: Wie halte ich es mit dem jesuanischen Impuls, wie ist es um meinen Beitrag zum Reich Gottes bestellt?

Andrea Pinz, Schulamtsleiterin

Im Kern das biblische Menschenbild

Ich schöpfe für mein Leben und Handeln Kraft aus der Bibel, weil ich seit Jahrzehnten in Reflexion der biblischen Texte immer neue Anregungen für den Alltag gewinnen kann. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, in welchem Ausmaß auch „moderne“ Menschen viele Jahrhunderte nach der Entstehung der Texte aus diesen Gewinn ziehen können. Bis ins Führungsverhalten für Unternehmen lassen sich Anregungen gewinnen. Im Kern steht dabei das Menschenbild, das sich im Laufe der Jahrhunderte kristallisiert hat: Wer sich von Gott als Person gerufen und in schicksalhafte Beziehungen gestellt weiß, muss ein für-sorgendes Verhalten entwickeln, weil er – dem Ruf folgend – Antwort geben will. Dadurch bleibt Verantwortung kein leeres Wort, sondern führt zu reflektiertem Verhalten in einer Vertrauensbeziehung. Nicht ohne Grund bedeutet das lateinische Wort „credo“ : „Ich vertraue“!

Wolfgang Mazal, Laienrat-Präsident

Die Bibel als das Buch des Lebens

Die Bibel ist für mich das Buch des Lebens. Nein, das ist kein frommer Spruch. Für mich ist die Bibel ein Buch, das voll ist von Leben und Lebendigkeit, in tausend Farben. Alle, wirklich alle Möglichkeiten und Bewegungen des menschlichen Lebens kommen darin vor: Freude, Wut, Sorge, Hoffnung, Intrige, Kampfeslust, Widerstand, Ergebung, Vertrauen, Enttäuschung, Großherzigkeit, Glück, Freundschaft, Neid, Konkurrenz, Neugier, Verlust, Zerstörung, Verweigerung, Bereitschaft, Gnade ... Und das Wunderbare ist: Alles das hat in irgendeiner Weise mit Gott zu tun. Mit dem Glauben an Gott, mit dem Suchen und Fragen der Menschen. Mit der immer neuen Öffnung des Menschen auf diese schöpferische und erlösende Kraft. Mit der immer neuen Gegenwart unseres Gottes, der kein lieber und auch kein strafender Gott ist, sondern einer, der da ist, der mitgeht, mitleidet und mitliebt.

Sr. Christine Rod MC, Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz

Die Seligpreisungen als Herausforderung

Die Bibel begleitet mich durch mein Leben und je nach Situation sind immer andere Stellen von besonderer Bedeutung. Mit dem Buch Jesaja befasse ich mich schon viele Jahre. In Jesaja 6,8 heißt es: „Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich!“ Ein Auftrag, der spätesten mit der Firmung an Kraft gewonnen hat. Im Neuen Testament sind für mich die Bergpredigt, besonders die Seligpreisungen, eine große Herausforderung. In Matthäus 5,13 heißt es: „Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen?“ Auch Matthäus 5,14 passt gut zu den Herausforderungen für den synodalen Weg: „Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.“ Dazu gehört für mich auch die Offenbarung des Johannes (21,15-16.22): „Und der Engel, der zu mir sprach, hatte einen goldenen Messstab, um die Stadt, ihre Tore und ihre Mauern zu messen. … Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt.“

Reinhard Bödenauer, Präsident der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien

Glaube lebt vom Hören und vom Zeugnis

Ich schöpfe für mein Leben und Handeln Kraft aus der Bibel, weil ich daran glaube, dass das Wort Gottes lebendig ist und seine Aktualität nie verliert. Wenn man sich regelmäßig Zeit nimmt und Gott so auch die Möglichkeit gibt, uns durch sein Wort im Alltag, in unserem Leben zu erreichen, hat es die Fähigkeit, neues Leben zu spenden, Denken und Herzen zu verändern, sowie Mut und Trost zu schenken. Vielleicht klingt es ein wenig idealistisch, rosig und überraschend. Als ob in der Bibel alle Antworten auf all unsere Lebensfragen zu finden wären. Es ist vielleicht nicht ganz so. Und doch würde ich behaupten, lässt sich ALLES in der Bibel finden, weil sie uns in Beziehung treten lässt mit Gott selbst. Und dennoch ist es auch meine Erfahrung, dass es oft mühsam und anstrengend ist, beständig den Weg des Glaubens zu gehen, zu beten und auch in der Bibel zu lesen. Besonders wenn man schon einige Zeit unterwegs ist oder schwierige Zeiten durchmacht. Aber unser Glaube lebt vom Hören und vom Zeugnis der anderen Menschen, die schon mit Gott unterwegs sind und uns von seiner Liebe, die sie erfahren konnten, berichten und sie spüren lassen.

Stefanie Rasalier, Studentin der Katholischen Fachtheologie

Die Bibel in drei Phasen erlebt

Ich bin 59 und lese seit meinem 19. Lebensjahr täglich systematisch Abschnitte aus der Bibel. Ich predige seit Ausbruch der Pandemie täglich über die Bibeltexte der Messe. Ich habe die Bibel in drei Phasen erlebt: Im Noviziat mit 19 habe ich sie vom ersten bis zum letzten Vers innerhalb von 50 Tagen durchgelesen und mir Exzerpte gemacht. Das war die Phase der Faszination. Dann kam die lange Phase der Inspiration, wo ich die Bibel „theologisch“ entdeckte und zu „nutzen“ lernte als wichtigste Quelle der Selbstoffenbarung Gottes. Jetzt bin ich in der dritten Phase, da ich immer älter werde. Ich fühle mich täglich von dem, was ich da lese, hinterfragt: Ob ich alles verstanden habe, wie ich es umgesetzt habe, ob ich es überhaupt noch umsetzen will … Im Augenblick erlebe ich Gottes Wort mehr als in meinem früheren Leben als „Challenge“, als eine persönliche Herausforderung durch Gott an einen alternden Priester, der eigentlich schon viel weiter sein sollte in der Kenntnis und Umsetzung dessen, was Gott uns schenkt.

P. Karl Wallner OCist, Missio-Nationaldirektor

Hilfreich: der „verlorene Sohn“

Ich schöpfe für mein Leben und Handeln Kraft aus der Bibel, weil sie mir zeigt, wer Gott ist und wer ich bin. Ich lese über den Bund, den Gott schon von Anfang an mit den Menschen geschlossen hat und den er mit mir erneuern möchte. Gerade in Momenten, in denen ich falle und mich von ihm entferne, helfen mir Gleichnisse wie das vom verlorenen Sohn, und sie zeigen mir, dass er immer mit offenen Armen auf mich wartet.

Veronika Lanzerstorfer, Pharmazie-Studentin

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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