Selig in der Politik: Karl von Österreich
Wie Kaiser Karl Frieden schließen wollte

An der Front: Kaiser Karl kannte die Leiden der Soldaten. Darum wollte er den Ersten Weltkrieg beenden. | Foto:  Österreichische Nationalbibliothek
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  • An der Front: Kaiser Karl kannte die Leiden der Soldaten. Darum wollte er den Ersten Weltkrieg beenden.
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Am 1. April ist es 100 Jahre her, dass der letzte Kaiser von Österreich, Karl I., im Exil auf Madeira gestorben ist. Grund genug also, einige Reflexionen über diese Persönlichkeit anzustellen, die wie kaum ein anderer habsburgischer Herrscher mit Mythen und vor allem Anti-Mythen überzogen wurde.

Die Propaganda, die während des Ersten Weltkrieges gegen Kaiser Karl angestrengt wurde, wirkt zum größten Teil noch heute nach. Und es ist vor allem die Propaganda, die vom eigenen Verbündeten, dem Deutschen Reich bzw. von Hindenburg und Ludendorff, organisiert wurde.

In der vorbehaltlosen Rückschau sehen wir allerdings ein anderes Bild des letzten Habsburger Monarchen. Er war der einzige Verantwortungsträger im Ersten Weltkrieg, der versucht hatte, das grausame Gemetzel auf den europäischen Schlachtfeldern zu beenden. Er hat bemerkenswerte Erfolge in der Sozialpolitik erreicht. Und er hatte einen nüchternen Blick auf die Gegebenheiten Mitteleuropas und daraus erwachsend ein reelles Konzept für die Ordnung in diesem Raum. Seine Friedensinitiative, die er über seinen Schwager Sixtus von Bourbon-Parma unternahm, war die erfolgversprechendste Initiative des Ersten Weltkriegs. Leider scheiterte diese Initiative an den italienischen Gebietsgelüsten und politischer Fantasielosigkeit auf Seiten Frankreichs.

Das Morden in den Schützengräben Europas ging weiter. Im Sommer 1917 appellierte Papst Benedikt XV. mit seiner Friedensnote „Dès le début" („Seit Anfang an") an die kriegführenden Mächte, Friedensgespräche einzuleiten. Der Apostolische Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., hatte eng mit dem österreichischen Kaiser zusammengearbeitet, um diese päpstliche Friedensnote vorzubereiten. Auch dieser Friedensappell verhallte nahezu ungehört. Mittlerweile waren die USA in den Krieg eingetreten und deren Präsident Wilson lehnte die päpstliche Aufforderung ab, da in dieser der Status quo ante, also die Ordnung Europas wie vor Kriegsausbruch, vorgesehen war.

Was wäre wenn?

Dem Historiker ist es zwar verboten, die „Was-wäre-wenn?“-Überlegungen anzustellen, aber dennoch ist der Gedanke bestechend, was geschehen wäre, wenn der Krieg nicht mit dem Sieg der Entente und der Niederlage der Mittelmächte geendet hätte, sondern mit einem Verständigungsfrieden, wie Kaiser Karl ihn geplant hatte. Wahrscheinlich wäre die Donaumonarchie als multinationales, multiethnisches und multireligiöses, über Jahrhunderte zusammengewachsenes – und zugleich zutiefst integratives – Gebilde nicht zerfallen. Und hätte also nicht das Vakuum in den Kleinstaaten hinterlassen.

„Ich muss so viel leiden, damit meine Völker wieder in Frieden zusammenfinden.“

Nach dem Krieg mussten der Kaiser und seine Familie ins Exil. Gerade Kaiser Karl, der den Kriegsausbruch nicht zu verantworten hatte und der alles versucht hatte, diesen Krieg zu beenden, musste am teuersten für die Niederlage bezahlen. Er sollte seine Heimat nie wieder sehen. Seine Familie wurde entrechtet und des Landes verwiesen. Am Ende konnte Karl nichts mehr tun als beten.

Wenige Tage vor seinem Tod sagte er „Ich muss so viel leiden, damit meine Völker wieder in Frieden zusammenfinden.“ Kaiser Karl starb, kaum 35-jährig, am 1. April 1922 auf Madeira, wo sich noch heute sein Grab befindet.  

Der Fürsprecher für den Frieden

Bereits 1895 empfahl eine Ordensfrau für den kleinen Erzherzog Karl zu beten. Wörtlich ist von ihr überliefert: „Da er einmal Kaiser werden wird, und er wird viel leiden müssen.“ 1925 begann der Seligsprechungsprozess für den verstorbenen Monarchen. Die medizinisch unerklärbare Heilung von inneren, lebensbedrohenden Blutungen einer Schwester in Brasilien wurde als ein anerkanntes Wunder immer wieder infrage gestellt. Auch die Seligsprechung 2004 durch Papst Johannes Paul II. wurde kontroversiell diskutiert. Der Papst empfahl Karl von Österreich als Fürsprecher für Europa und für alle in Europa politisch Tätigen – er wusste nicht, wie aktuell das Anliegen 2022 sein wird.

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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