Kremser Initiative
Unterstützung für pflegende Minderjährige

Foto: stock.adobe.com – Halfpoint

Gudrun Kalchhauser leitet ehrenamtlich die Anlaufstelle für Young Carers der Kremser Bezirksstelle des „Roten Kreuzes“. Kiche bunt hat mit ihr über dieses Engagement, die Herausforderungen und Ziele gesprochen.

Frau Kalchhauser, wie entstand die Idee zur Anlaufstelle für Young Carers?
Gudrun Kalchhauser: Als Krankenschwester hatte ich immer wieder Kontakt mit Kindern, die ihre chronisch kranken Eltern pflegen. Auch bei meinem späteren pflegewissenschaftlichen Masterstudium las ich oft über die herausfordernde Situation pflegender Jugendlicher. Da ich dieses Thema als gesellschaftliches Tabu empfinde, wollte ich in diesem Bereich unbedingt etwas bewegen: 2018 begannen wir als kleine Gruppe mit dem „Roten Kreuz“ ein Pilotprojekt für Young Carers. Aktuell sind wir fünf Ehrenamtliche. Über weitere Engagierte freuen wir uns.

Wie treten sie mit Young Carers in Kontakt?
Gudrun Kalchhauser: Von Herbst 2018 bis zum Beginn der Corona-Pandemie waren wir in Schulen zu Gast. Von diesen wurden wir so toll aufgenommen, dass es mein Herz berührt hat. Aufgrund der Corona-Situation sind Schulbesuche jedoch aktuell nicht möglich.

Wie sind Sie dann im Moment tätig?
Gudrun Kalchhauser: Gerade befinden wir uns in einer Phase der Evaluation. Wir überarbeiten das Informationsmaterial, das wir an die Kinder ausgeben. Darüber hinaus gibt es auch einmal monatlich die Möglichkeit, persönlich mit uns zu sprechen. Jederzeit können wir zudem telefonisch, über die neue App „Young Carers Austria“ oder per E-Mail kontaktiert werden (Infobox links).

Wo liegen die größten Herausforderungen Ihres Engagements?
Gudrun Kalchhauser: Das größte Problem ist, dass viele Young Carers sich nicht „outen“ wollen. Einerseits besteht die Sorge, von Gleichaltrigen gemobbt zu werden. Andererseits haben viele die Angst, dass ihre Familien auseinandergerissen würden, wenn sie über ihre Situation sprechen. Dem ist bei Kontaktaufnahme mit unserer Anlaufstelle aber nicht so! Wir suchen keine Schuldigen. Wir möchten gemeinsam mit Familien Lösungen finden. Außerdem möchten wir ein Ort sein, an dem man sich „ausheulen“ und über den man vielleicht auch andere, die sich in der gleichen Situation befinden, kennenlernen kann.

Was sind die zentralen Ziele Ihres Engagements?
Gudrun Kalchhauser: Einerseits ist es wichtig für mich, dass wir die Betroffenen erreichen und ihnen verdeutlichen: „Du bist gemeint! Du hast Unterstützung verdient.“ Viele Young Carers empfinden es nämlich als ihre „natürliche“ Aufgabe, zu pflegen oder zu betreuen. Manchmal ist das eine 35-Stunden-Arbeitswoche – zusätzlich zu den schulischen Herausforderungen. Das ist zu viel! Oft erkennen Betroffene ihre Situation erst in der Retrospektive. Viele ehemalige, heute erwachsene Young Carers melden sich bei uns und meinen: „Auch ich hätte eine solche Anlaufstelle gebraucht!“ Andererseits ist es mir sehr wichtig, das Thema zu enttabuisieren. Das kann nur über Bewusstseinsbildung funktionieren. Wir müssen dafür sorgen, dass Young Carers erkannt werden und möglichst viele Menschen in Österreich wissen, dass und wo geholfen wird.

Kontaktmöglichkeiten
- App: „Young Carers Austria“
- E-Mail: young-carers.ks@n.roteskreuz.at
- Telefonisch: 0664/88663431
- Vor Ort: Jeden 2. Freitag im Monat können sich Young Carers oder Interessierte von 15.30 bis 17.30 Uhr mit dem Team an der Bezirksstelle Krems austauschen. Adresse: Mitterweg 11, 3500 Krems an der Donau.

Wann ist jemand "Young Carer?"
Young Carers sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die Angehörige betreuen oder pflegen. Sie kümmern sich um ihre jüngeren Geschwister und übernehmen Pflegetätigkeiten. In Österreich gibt es laut einer Studie rund 43.000 Young Carers. Young Carer zu sein, hat viele gravierende Auswirkungen: Pflegende Minderjährige geben deutlich öfter als andere Gleichaltrige an, unter Müdigkeit, Schlafproblemen sowie Rücken- und Kopfschmerzen zu leiden. Das Verantwortungsgefühl und die Sorge um die Angehörigen belastet auch die Psyche. Hilfsangebote braucht es also unbedingt.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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