Gedanken zum Evangelium: 8. Sonntag im Jahreskreis
Ich wage zu lernen

Die Dinge, die mich an anderen oft ganz besonders stören, haben ziemlich oft mit meinen eigenen wunden Punkten zu tun. | Foto: iStock/stock_colors
  • Die Dinge, die mich an anderen oft ganz besonders stören, haben ziemlich oft mit meinen eigenen wunden Punkten zu tun.
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Zuerst sind wir alle Menschen. Weil wir Menschen sind, deshalb können wir einander auf Augenhöhe begegnen, voneinander lernen, umdenken, uns weiterentwickeln. Hier wird Glaube konkret.

Das heutige Evangelium besteht aus einer kleinen Sammlung an Weisheitssprüchen. In unserem heutigen Sprachgebrauch könnten wir sagen, es geht darum, „authentisch“ zu sein oder einen „geerdeten“ Glauben zu leben.

Bekannt ist das Wort vom Splitter im Auge des Bruders/der Schwester, während man den Balken im eigenen Auge übersieht. Vielleicht ist ja hier eine Haltung beschrieben, die Kirchenmenschen oft geprägt hat und da und dort bis heute prägt: dass einem die Fehler der anderen, der „Welt“, anderer Gruppen, anderer Personen viel mehr ins Auge springen als die eigenen.

Ich kenne das nur allzu gut von mir selbst: die anderen zu beurteilen, ihre Fehler zu analysieren. Mittlerweile habe ich aber auch entdeckt: Die Dinge, die mich an anderen oft ganz besonders stören, haben ziemlich oft mit meinen eigenen wunden Punkten zu tun. Der Splitter im Auge des Bruders/der Schwester ist also gar nicht so schlecht, er kann mich nämlich auf dem Weg der Selbsterkenntnis inspirieren – anstatt die anderen zu beurteilen, komme ich mir selber, meinen Schwachpunkten ein wenig auf die Spur. Und das ist eine gute Ausgangsbasis, anderen auf Augenhöhe zu begegnen – in der persönlichen Begegnung, aber auch so, wie ich die Welt von heute, Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen wahrnehme.

So eine Haltung von Demut im guten Sinn hilft mir, in eine Haltung der inneren Lernbereitschaft zu kommen. Ich denke, dass das auch eine Facette von gelebter Synodalität ist, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und staunend zu entdecken, wie Menschen sich für andere, für die Bewahrung der Schöpfung, für Menschenrechte etc. einsetzen. So eine offene Haltung des Lernens und des Staunens kann neue Begegnungen ermöglichen – mit Menschen, die anders leben, anders glauben, anders ticken als wir selber.

Das Doppelwerk des Lukas erzählt von vielen Begegnungen auf Augenhöhe, von viel Bereitschaft zum Lernen auch im Kreis der Jüngerinnen und Jünger Jesu. Sie haben keinen Glauben von oben herab gepredigt, sondern im Gespräch mit Menschen unterschiedlicher Kulturen von dem erzählt, was ihre Seele nährt, ihr Herz bewegt und ihre Hoffnung beflügelt.

Begegnung auf Augenhöhe – sie beginnt damit, dass wir selber zum Lernen und Umdenken bereit sind.

Autor:

Markus Beranek aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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