Gedanken zum Fest des Heiligen Stephanus
Allzu "menschlich"

Bis zum Ende standhaft | Foto: iStock / jacoblund

Aus einem Programm des Kabarett Simpl ist mir eine Szene in Erinnerung geblieben: Ein Mann erzählt einem anderen, dass er durch einen Betrug um sein gesamtes Geld gekommen ist und sich an seine Bank um Hilfe gewendet hat.

Der andere zeigt sich erschüttert und fragt, wie die Bank reagiert habe. Der Mann erwidert: „Menschlich. Sehr menschlich. Sie hat mir sofort alle Konten und Kredite gesperrt.“

Das heutige Evangelium klingt auch so, als würde es nicht viel von „den Menschen“ halten. Die Warnung ist eindeutig: „Die Menschen“ sind gewalttätig, sie schrecken nicht davor zurück, ihre eigene Familie in den Tod zu schicken, sie hassen. Und wenn ich mir die Welt heute so ansehe, kommen mir auch immer wieder Zweifel an „den Menschen“.

Es ist einfach unglaublich, was Menschen anderen antun können. Und auch Christenverfolgungen sind keinesfalls nur damals geschehen.

Wo ist da die gute Nachricht? Die Bibel verspricht den Gläubigen kein Wellnessprogramm, sie beschönigt nicht die Gefahren, in die man geraten kann, wenn man sich zu diesem Gott, zu diesem Jesus bekennt. Sie verspricht nur, dass es letztlich, irgendwann, irgendwie, für jene, die bis zum Ende standhaft bleiben, gut ausgeht.

Das klingt schön. Aber nur dann, wenn ich davon ausgehe, dass ich zu denen gehöre, die standhaft bleiben. Und da wird mir etwas unbehaglich. Denn wer sagt denn, dass ich, wenn ich ausgeliefert oder auch nur verspottet oder bedrängt werde, tatsächlich eine von denen bin, die derart standhaft bleiben?

Mehr noch: Wie sicher kann ich mir sein, dass ich nicht im Gegenteil zu „den Menschen“ gehöre, die ausliefern und hassen? Dass ich nicht selbst aus Angst, aus Feigheit, aus eigenen Interessen auch einmal in diesem Sinne allzu „menschlich“ handle?

Wer standhaft bleibt, wird gerettet. Und ich werde mir bewusst, dass damit nicht nur die angesprochen sind, die ihr Glaube in Bedrängnis gebracht hat.

Standhaft bleiben, um gerettet zu werden, müssen vor allem „die Menschen“, wir alle, ich: nämlich standhaft bleiben gegenüber der Gefahr, aus welchen Gründen auch immer allzu „menschlich“ im Sinne von feige, bösartig oder gewalttätig zu handeln.

Evangelium und Kommentar als PDF
Autor:

Elisabeth Birnbaum aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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