Meinung
Neuer Wein, neues Blut

Franz Josef Rupprecht (59) ist Chefredakteur der burgenländischen Kirchenzeitung „martinus“. | Foto: Hermann Wakoblinger
  • Franz Josef Rupprecht (59) ist Chefredakteur der burgenländischen Kirchenzeitung „martinus“.
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Die alten Griechen feierten mit dem ersten Wein des Jahres ein Fest zu Ehren des Dionysos, Gott der Ekstase, der Verkleidung und der Fruchtbarkeit. Mit dem zu jenen Mysterien reichlich getrunkenen Rebensaft vermeinten die Anhänger des auch Bacchus Genannten, das Blut dieses Zeussohnes zu trinken. So erzählte es die Fremdenführerin am ersten Tag unserer Reise. Diese Zeilen schreibe ich im Schatten der Kathedrale von Stagi (Kalambaka, Thessalien / Griechenland); in die Wände dieser Kirche sind Steine des Apollo-Tempels, der hier zuvor stand, eingemauert, einer von ihnen trägt eindrucksvoll im Relief das Gesicht des Mithras.

Nicht nur die Steine der Kultbauten früherer Generationen leben unter neuen Umständen weiter. Wer musste vorhin nicht sofort an unser christliches Geheimnis von Leib und Blut des Heilands denken? Oder an das Martini-Loben? Ich habe es an unserer Religion immer bewundert, wie sehr sie imstande war, die aussagekräftigen Zeichen des Heidentums im Licht der Erlösung mit Inhalt zu füllen und aus der Perspektive der Auferstehung zu verklären.

Das Zweite Vatikanische Konzil wollte der Kirche zu einem „Aggiornamento“ verhelfen. Beim Verständnis dieses italienischen Wortes (etwa: „Verheutigung“) holpern viele, kürzlich hat ein Kollege behauptet, es sei unübersetzbar. Dabei ist es ganz leicht zu erklären: Es ist ein „Update“ gemeint, also wie bei einem Computer oder Mobiltelefon, die ein neues Programm benötigen, damit wieder alles gut funktioniert. Auf dass wir die Wahrheit des Heiligen Geistes, die in der Menschheit immer schon aufblitzte und in der christlichen Offenbarung ihren Höhepunkt findet, den Menschen verständlich verkündigen können, benötigen wir eine Blutauffrischung in unserer Rede, in unseren Zeichen, in unserer Struktur. Einen epochemachenden Wandel, so wie ihn Martin von Tours ausgelöst hat. Er war der erste Heilige, der diese Verehrung nicht durch das Martyrium seines Blutes erlangte, sondern mit dem Vorbild seines tugendhaften Lebens.

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Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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