"prominente Lebenswege"
Interview mit Peter Filzmaier

Peter Filzmaier, Autogrammstunde | Foto: Verlag Brandstätter
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Seine pointierten Analysen zu politischen Vorgängen sind Kult. Peter Filzmaier erklärt uns, warum manche Politiker erfolgreich sind, andere weniger. Bei Wahlen weiß er bei der ersten Hochrechnung, welche Gründe Wahlsieg und Niederlage ausmachen.

Weniger bekannt ist sein Faible für Sport. Der ehemalige Halbmarathonläufer hat dazu ein Buch geschrieben.

Bitte warten heißt es für die Fußballbegeisterten hierzulande. Denn ob die Meisterschaft im österreichischen Profifußball fertig gespielt wird, ist nach wie vor unsicher. Andererseits wurden nach dem Corona-Lockdown die Tennisplätze wieder aufgesperrt. Viele sind mit dem Rad privat und beruflich nun unterwegs und im Prater blühn nicht nur die Bäume, sondern sind viele Läufer auf den Beinen. Am 19. April wären hier auch Hundertausende beim Vienna City Marathon entlanggelaufen.

Aber 2020 ist alles anders. Das gilt auch für Peter Filzmaier. Der Analyst politischer Vorgänge hätte im ORF beim Marathon mitkommentieren sollen: „Als Ex-Laufsportler ist das natürlich auch jener Sport, von dem ich am meisten verstehe“, schildert er. Aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben und daher besteht Hoffnung, dass eben der nächste Vienna City Marathon von Filzmaier mitkommentiert wird.

Viele bewundern seine Eloquenz, die er im Fernsehen in seinen Analysen abgibt. Wir vom SONNTAG haben ihn dazu und zu seinem Sportinteresse, über das er ein Buch geschrieben hat, befragt:

AUDIO: Peter Filzmaier spricht über sein Faible für Sport

Woher stammt Ihre Fähigkeit, sich eloquent auszudrücken?
Da wird man geprägt im Fernsehen. Denn die Zeit ist sehr, sehr begrenzt. Man hat in der Zeit im Bild 2 durchschnittlich fünf Minuten Interviewzeit. Wenn Sie da eine Minute überziehen, zerstören Sie nachher einen ziemlich teuren Werbeblock. Das ist also so, als würden Sie mit einem Streichholz ein Bündel Geldscheine im fünfstelligen Bereich einfach anzünden. Dadurch schätzen natürlich Fernsehmacher auch Studiogäste, die sich an diese Zeitplanung halten.

Sie wirken in Ihren Auftritten ziemlich stressbefreit?
Ich bin konzentriert, das muss man auch sein. Das ist wichtig, weil man sonst einfach Fehler macht. Es ist nicht so, dass mir die Nervosität schadet.

Wie sind Sie zum Sport gekommen?
Ich hab mal Fußball gespielt bei einem Kleinstverein Kaisermühlner SC, der hat nichts mit dem Kaisermühlen Blues im TV zu tun gehabt, aber viel besser waren wir auch nicht, und ich schon gar nicht. I“prominentech bin Ski gefahren. Vor allem aber war ich schon als Kind auch der Sportfan im Fernsehen.

Welche Sportereignisse waren für Sie prägend?
Meine persönlichen Erinnerungen fangen Mitte der siebziger Jahre an. Das ist einerseits Franz Klammer. Niki Lauda und sein Unfall am Nürburgring, zeitgleich mit dem Einsturz der Reichsbrücke in Wien, und es war Cordoba. Da habe ich nicht ganz verstanden, warum Österreich gar so aufgeregt war über den Sieg. Denn ich habe die Fußball-WM in Argentinien verfolgt. Ich war einfach schon längst enttäuscht. Die Österreicher verloren gegen die Niederlande mit 1:5. Da war für mich zunächst das 3:2 gegen Deutschland nur ein schwacher Trost. Erst nachher habe ich mitbekommen, dass es das klassische Klein gegen Groß, David gegen Goliath-Schema war.

Sie haben Ihre Dissertation über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin verfasst. Wie sieht der Konnex olympischer Spiele zur Politik aus?
Es ging um politische Aspekte durchaus als historischer Längsschnitt von den ersten Spielen der Neuzeit 1896 in Paris bis zum Zeitpunkt der Dissertation, Anfang der Neunzigerjahre als Bogen. Schwerpunkte waren zentrale Konfliktformationen nach dem Zweiten Weltkrieg, Ost-West-Konflikt, Stichwort Terroranschlag in München, Nord-Süd-Konflikt.

In Ihrem neuen Buch „Atemlos“ schreiben Sie: Laufen ist der ehrlichste Sport. Warum?
Das ist natürlich die subjektive Läuferperspektive, obwohl Schummelmöglichkeiten – außer vielleicht theoretisch Abkürzungen bei kleineren Volksläufen – schon sehr beschränkt sind. Ich habe damit gemeint, laufen kann jeder, fast überall mit sehr wenig Ausrüstung, wenn man schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen ausnimmt. Am Anfang kann ich sehr langsam, aber eine halbe Stunde laufen, und zwar ohne dass ich nachher einen Krankenwagen brauche oder den Laternenpfahl keuchend umarme. Das ist für jeden an sich schaffbar in einem sehr langsamen Tempo, und jeder kann auch seine persönlichen kleinen Erfolge dadurch haben.

Wie haben Sie für sich das Laufen entdeckt?
Ich hatte einen Skiunfall, wo beide Ellbogen luxiert und zertrümmert waren. Das konnte zwar recht gut wieder gerichtet werden, aber Dinge wie Tennis spielen gehen seitdem nicht mehr. Da habe ich dann etwas gesucht, wo das überhaupt nicht stört.

Kennen Sie das Runner’s High, das Glücksgefühl beim Laufen?
Ich kann nicht medizinisch erklären, ob diese Glückshormone wirklich ausgeschüttet werden. Ich fühl’ mich einfach gut dabei. Und ich halte gerade langsame Läufe auch für entspannend. Denn in vielen Berufsgruppen, auch in meiner, macht man oft drei bis vier Dinge gleichzeitig. Das geht beim Laufen nicht. Man gleitet so richtig in langsame Dauerläufe hinein, kann seine Gedanken ordnen. Das hat fast etwas Meditatives. Ich habe vor dem Laufen Leute, die Yoga oder Tai Chi gemacht haben, wenig verstanden. Verstehe ich jetzt besser.

Sie hatten 2018 eine schwere bakterielle Infektion am Herzen. Wie hat sich die auf Ihre Sportambitionen ausgewirkt?
Das war letztlich der Grund, dass ich Ex-Läufer bin. Nicht dass ich jetzt gar nicht mehr laufen dürfte, alles zum Glück wieder gut. Aber natürlich, wenn man wirklich Laufsport gemacht hat, tut man sich ein bisschen schwer, aufs reine Jogging umzusteigen. Aber ich habe ja ein Sportbuch geschrieben. Es gibt kaum eine schönere Ersatzbefriedigung.

Welche Sportarten faszinieren Sie als Zuschauer?
Als Sportfan fast alles. Natürlich habe ich keine Ahnung vom Tontaubenschießen, auch wenn es olympisch ist. Selbstverständlich bin ich Fußballfan, da bin ich FC Barcelona- und auch Spanien-Fan. Wintersport auch, da nicht nur alpin, sondern Langlauf und Biathlon.

Als Fan des FC Barcelona sind Sie immer auf der Siegerseite?
Leider stimmt das nicht. Ich habe mich nicht auf der Erfolgsseite gefühlt, als man das Heimspiel gegen den FC Liverpool in der letzten Champions League 3:0 gewonnen hat und dann auswärts mit einem 0:4 ausgeschieden ist. Erfolg sieht irgendwie anders aus und das tut dann umso mehr weh.

Ist der echte Sportfan nicht ein Leidender?

Man kann sich sehr mit dem Zweiten identifizieren. Und oft werden auch Superstars durch die eine Niederlage, das eine Rennen, das sie gerade nicht gewonnen haben, umso populärer.

Schwimmen Sie gerne?
Ja, wobei ein Freund von mir, der wiederum mit einer Ex-Schwimmerin verheiratet ist, meint, und er kann das leider gut begründen: Ich gehe baden. Leute, die etwas von Schwimmtechnik verstehen und höflich sind, lachen nicht, aber zerkugeln sich innerlich und sagen: Du gehst regelmäßig baden, das ist kein Schwimmtraining.

Wie sehen Sie als Analytiker die Aufgabe der Kirche?
Die Kirche hat aus meiner Sicht ein gesellschaftspolitischer Akteur zu sein, sonst verfehlt sie ihre Aufgabe. Natürlich nicht im Sinne eines parteipolitischen Akteurs. Die Kirche versucht Werte und Religion zu vermitteln. Sie würde ja alles falsch machen, wenn sie sich dazu nicht auch gesellschaftspolitisch äußert. Das ist in letzter Zeit in meiner subjektiven Wahrnehmung auch mehr geworden, gerade durch Kardinal Christoph Schönborn. Und das halte ich auch für richtig.

Wie nehmen Sie Papst Franziskus war?
In meiner Außenwirkung kann ich sagen, ist diesem Papst vielleicht bewusst, welche Symbolwirkung er in seinem Auftreten hat. Damit meine ich nicht die klassischen kirchlichen Handlungen, die ich ja auch gar nicht ausreichend mitverfolgen, geschweige denn beurteilen kann und will. Und ich sehe das positiv. Das hängt mit meinem Beruf zusammen: Wir alle sind in der Mediendemokratie angekommen und das sollte auch der Heilige Vater tun – und der jetzige tut das mehr als alle Vorgänger.

Sind Sie Agnostiker oder Atheist?
Keines von beidem. Es mag schon das diffuse Gefühl geben, dass es da etwas gibt, aber da strebt bei mir ein bisschen der Wissenschaftler nach anderem Denken, also eher noch nach der Erklärung, die es aber zugegeben, wissenschaftlich auch nicht gibt, was dann nachher oder sonst noch ist.

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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