Meinung
Besucht lebendige Steine

Viola Raheb (53) wuchs in Betlehem als Tochter einer palästinensisch-christlichen Familie auf. Sie ist für Wissenschaftskommunikation und Projekte in der PRO ORIENTE Stiftung in Wien zuständig. | Foto: privat
  • Viola Raheb (53) wuchs in Betlehem als Tochter einer palästinensisch-christlichen Familie auf. Sie ist für Wissenschaftskommunikation und Projekte in der PRO ORIENTE Stiftung in Wien zuständig.
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Christlichen Pilgergruppen bleiben meist nur wenige Stunden in Betlehem, um die Geburtskirche anzusehen. Sie merken oft nicht einmal, dass sie sich in Palästina befinden, wo einheimische Gläubige einen unerlässlichen Dienst an der gesamten Gesellschaft leisten. Denn trotz der kleiner werdenden Zahlen (aktuell sprechen wir von 60.000 Christinnen und Christen) leistet diese Gruppe einen unermesslich wichtigen Beitrag für die Gesellschaft abseits der religiösen Zugehörigkeit. Faktisch geben christliche Institutionen mehreren tausend Menschen Arbeit und bieten zugleich ihre Dienste für die gesamte Bevölkerung an. In ihrer Trägerschaft befinden sich etwa 93 Schulen, Universitäten und Berufszentren, 77 kulturelle oder touristische und 47 soziale Zentren sowie 19 Gesundheits- und 38 Jugendzentren.

Seit Jahrzehnten machen einheimische Kirchen und Institutionen in Palästina auf die Realität aufmerksam und bemühen sich darum, dass der touristische Besuch nicht in der Vergangenheit schwelgt, sondern auch die christliche Gegenwart wahrnimmt. Die Mehrheit der Reisenden weiß oft nicht, wie genau sich die politischen Verhältnisse für die Menschen in Palästina darstellen. Die Lebensrealität ist nach wie vor geprägt durch die Besatzung palästinensischer Gebiete seit 1967 mit einer sich immer weiter ausbreitenden, restriktiveren Besatzungsrealität. Das zur Verfügung stehende Land wird immer kleiner: Landenteignung, Siedlungsexpansion, Mauerbau, Kontrolle über Ressourcen (insbesondere über den Zugang zum Wasser!), Einschränkungen der Bewegungsfreiheit manifestieren sich immer mehr. Menschenrechtsverletzungen sind de facto tägliche Realität.

Hoffnung machen die inzwischen existierenden zahlreichen Initiativen, die sich für ein anderes Reisen einsetzen; etwa unter Einbeziehung ökumenischer, interreligiöser, friedens- und gerechtigkeitsförderender Aspekte, unter Berücksichtigung des Völkerrechts oder etwa unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und Fairness. Erinnern wir uns dabei an den Brief des Apostels Petrus, in dem er von „lebendigen Steinen“ schreibt. So verstehen sich die Gemeinden und sie rufen auf: Besucht nicht nur die toten Steine der Vergangenheit, sondern die lebendigen Steine der christlichen Gegenwart!

Der Kommentar drückt die persönliche Meinung der Autorin aus!

Informationen: pro-oriente.at

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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