Wiener Servitenkirche
Barockjuwel und Fels in den Stürmen der Zeit

Die Servitenkirche in Wien-Alsergrund beeindruckt durch ihre große ovale Kuppel in der meisterhaften Architektur des Frühbarock.  | Foto: Treberspurg & Partner Architekten/Schmidt, CC/Frank
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  • Die Servitenkirche in Wien-Alsergrund beeindruckt durch ihre große ovale Kuppel in der meisterhaften Architektur des Frühbarock.
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Sie überstand die Belagerung durch die Türken ebenso unbeschadet wie schwere Überflutungen, als die Donau bei Wien noch nicht reguliert war: Die Wiener Servitenkirche ist eine der wenigen erhaltenen Frühbarockkirchen der Bundeshauptstadt. Jetzt erstrahlt der einzigartige Sakralbau nach jahrelanger Restaurierung in neuem Glanz.

Die Wiener Servitenkirche ist geistliches Zentrum des Alsergrunder Servitenviertels und der Pfarre Rossau. Auf dem Kirchenvorplatz treffen sich die Kinder des Grätzels zum Spielen, donnerstags bieten Marktstandler Gemüse, Fleisch, Fisch u. a. zum Verkauf an. Die Pfarre Rossau veranstaltet hier auch ihre Pfarrfeste und Flohmärkte. Beim Spielen „verirren“ sich die Kinder schon mal in das Gotteshaus, auch Marktbesucher schauen hinein. Das Staunen über die Größe und Schönheit des barocken Kirchenraumes ist nach der umfassenden Restaurierung des Kircheninneren bei Besucherinnen und Besuchern noch größer geworden.

Pfarre wollte näher an den Altar
Die Servitenkirche „Mariä Verkündigung“ stammt aus dem 17. Jahrhundert und wurde zum Vorbild späterer Barockkirchen wie der Peters- und der Karlskirche. Sie gilt als eine der kulturhistorisch bedeutendsten Vorstadtkirchen Wiens aus dem Frühbarock. Die Umgestaltung des Inneren war seit der letzten Renovierung in den 1960er-Jahren dringend notwendig. Es zeigten sich Schäden an den Mauern, Fresken und Stuckaturen, Bauteile drohten herabzustürzen.

Der Bauamtsleiter der Erzdiözese Wien, Architekt Harald Gnilsen, Architekt Martin Treberspurg und der Künstler Werner Feiersinger luden vergangene Woche zu einem Rundgang durch die „neue“ Servitenkirche. „Der Pfarrgemeinderat wollte das liturgische Geschehen weiter in den Raum der Gläubigen hereinholen, vor dem Volksaltar sollte kein leerer Raum entstehen“, schilderte Bauamtsleiter Harald Gnilsen ein Hauptanliegen.

Die Ausgangslage war gewesen, dass der Volksaltar relativ weit weg vom „Volk“ gewesen war. Verstärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass der Altarraum durch Stufen und den Triumphbogen (jene dem Chorbereich und der Apsis vorgelagerte Querwand mit einer großen bogenförmigen Öffnung) vom Kirchenraum der Gläubigen abgegrenzt wirkte. „Der Altar war für die Gläubigen im Hauptraum der Kirche nicht spürbar und mental nicht wahrnehmbar. Es ging um die Verklammerung von Altarraum und dem Bereich der Gläubigen“, fasst Bauamtsleiter Harald Gnilsen zusammen.

Weitere wichtige Planungsschwerpunkte waren die behutsame Restaurierung der Kuppel und der Raumschale mit den Fresken sowie die Erweiterung der Heizung. In der Pfarre wurde die Gruppe KIR – Kirchen-Innen-Raum – gegründet. Es folgte eine lange Zeit des Diskutierens und Nachdenkens. Mit der Umgestaltung des Altarraumes wurde der Künstler Werner Feiersinger beauftragt. „Um den Altar möglichst weit in den Kirchenraum zu bringen, musste ein vorragender, in den Kirchenraum reichender Altarkreis geschaffen werden“, erzählt er.

Der Altar ist nun über wenige Stufen erreichbar. Bei diesen war Werner Feiersinger wichtig, dass sie „keine scharfen Kanten haben“. Die historischen Kirchenbänke wurden nur gering verschoben. Halbkreisartige Sesselreihen anstatt der Bänke waren angedacht, wurden jedoch wieder verworfen. „Die Kirchenbänke stammen aus dem frühen 18. Jahrhundert und sind sehr hochwertig, sie sind de facto im Original erhalten“, so Harald Gnilsen. Eine Ausnahme bildet im Kreuzgang eine Reihe von alten Holz-Klappsesseln in Thonet-Art, die wohl aus einem Kino stammen.
In den 1960er-Jahren schuf der Künstler Karl Simon für die Servitenkirche den ersten Volksaltar der Erzdiözese Wien. Künstler Werner Feiersinger übernahm für die jetzige Gestaltung den Stipes (Block, auf dem die Altarplatte ruht) aus Veroneser Marmor. „Auch deshalb, weil dieser Stipes mit Flächen am Hochaltar übereinstimmt und so einen fließenden Formübergang schafft.“ Der Altar wurde durch die Mensa („Tischplatte“) erhöht. Karl Simon hatte sich seinerzeit einen Cipollino-Stein für die Mensa gewünscht, dieser war allerdings zu teuer – nun konnte die Idee umgesetzt werden.

Architekt Martin Treberspurg, der die Restaurierungsarbeiten leitete, schwärmt von der Bausubstanz des Barockjuwels: „Die Kirche ist wahnsinnig gut gebaut und überstand auch schwere Überschwemmungen.“ Es handle sich bei der Servitenkirche um die erste Kuppelkirche Wiens. „Sie gilt als eine Friedenskirche, die die Türkenbelagerung von 1683 auf wundersame Weise überstanden hat.“ Eine Rolle könnten dabei die – jetzt wieder in leuchtendem Weiß erstrahlenden – Prophetenstatuen am unteren Rand der Kuppel gespielt haben, die allesamt Turbane tragen.

Apropos „Weiß“: Das Mauerwerk des barocken Kirchenraums hatte sich in den letzten Jahrzehnten dunkelgrau verfärbt. Für die Restaurierung wurde nun ein gebrochenes Weiß gewählt. „Die Pfarre wurde mit viel Geduld in die Planung und das Konzept mithineingenommen“, sagt Architekt Martin Treberspurg und freut sich über die „ruhige und präsente“ Gestaltung des Altarraumes durch Werner Feiersinger. 

Servitenkirche, Servitengasse 9, 1090 Wien (tagsüber geöffnet), rossau.at

Die Servitenkirche in Wien-Alsergrund beeindruckt durch ihre große ovale Kuppel in der meisterhaften Architektur des Frühbarock.  | Foto: Treberspurg & Partner Architekten/Schmidt, CC/Frank
Der neue Volksaltar ist nun näher bei den Gläubigen und von diesen besser wahrnehmbar. Engel, Statuen und Stuckaturen erstrahlen nach der Restaurierung in leuchtendem Weiß. | Foto: Agathe Lauber-Gansterer
Autor:

Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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