Der Brückenbauer
„Ehrenamtlich?“

Foto: David Kassl

Frage von Elisabeth Santner:
„Bezüglich des kirchlichen Engagements wird deutlich, dass der Großteil ehrenamtlich tätig ist (883), 202 Personen gaben an, hauptamtlich engagiert zu sein, 241 Personen sind nicht engagiert und 61 sehen sich als eher distanziert.“ So steht es in einem Dokument der Erzdiözese Wien über die Auswertung von Fragebögen zum synodalen Prozess. Auch ich habe einen solchen Fragebogen auszufüllen versucht. Bei der Angabe meines Engagement-Status war ich freilich ratlos. Weder Haupt- noch Ehrenamt bekleide ich. Bin ich also „nicht engagiert“? Wie wäre es mit „wesentlich engagiert“, einfach als Getaufte? – Und dass diese Option nicht vorkommt, weist das nicht vielleicht auf einen blinden Fleck hin?

Mir geht es beim Ausfüllen von Fragebögen oft auch so: Keine Antwort trifft wirklich zu, oder ich müsste mehrere ankreuzen, das ist aber nicht möglich ...

Ich würde die Fragestellung im angesprochenen Fragebogen nicht überbewerten, es müssen halt Antwortmöglichkeiten geboten werden. Dennoch ist es interessant, dass Frau Santner fragt, ob es sich da nicht vielleicht um einen „blinden Fleck“ handeln könnte. Worin könnte er bestehen?

Vielleicht identifizieren wir mitunter Engagement tatsächlich vorschnell mit dem Ehrenamt, wie es üblicherweise verstanden wird: mit dem Übernehmen eines Amtes, einer konkreten Aufgabe eben. Pfarren leben von Menschen, die sich verbindlich für eine definierte Tätigkeit zur Verfügung stellen. Das kann im Pfarrgemeinde- oder Vermögensverwaltungsrat geschehen, aber auch außerhalb, in der Erstkommunionvorbereitung oder beim Blumenschmuck für die Kirche. All diesen Menschen bin ich riesig dankbar.

Das 2. Vatikanische Konzil hat die Bedeutung des Getauft- und Gefirmtseins betont („gemeinsames Priestertum der Gläubigen“). So gesehen ist jeder in der Kirche ehrenamtlich: Weil er/sie mit der Ehre der Zugehörigkeit zu Christus das Amt übernommen hat, Ihn in unserer Welt zu repräsentieren. So verstanden gibt es „Ehrenamt“ als bewusstes christliches Leben im gesamten Alltag: in der Familie, im Beruf, im Freundeskreis, im Verein, in der Pfarre/Gemeinschaft usw.

Wie könnte man im Fragebogen anders formulieren? Vielleicht „bewusst christlich lebend?“ Für Vorschläge bin ich offen. Jedenfalls ist es ein gutes Zeichen, dass neben Hauptamtlichen und im landläufigen Sinn Ehrenamtlichen auch viele andere Menschen den Fragebogen ausgefüllt haben. Denn zur Kirche gehören alle Getauften.

Weihbischof Stephan Turnovszky

Haben Sie ein Anliegen? Schreiben Sie an brueckenbauer@dersonntag.at
Die Ergebnisse der Umfrage zum Nachlesen:dersonntag.at/synodaler_prozess_bericht

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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