Zeit für den Hirtenhund
Der Kardinal auf dem Trimmrad

Foto: David Kassl

Ich bin nicht mehr der Jüngste.

Hier und da zwickt es unterm Pelz bereits und manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich bei der Zeitungslektüre als Erstes die Todesanzeigen lese. Mein Ziel ist dabei klar: Maggie. Gemeint ist nicht die gelbflaschige Gewürzgallone, sondern die Kelpie-Hündin Maggie. Sie gilt als ältester Hund der Welt und ist stolze 30 Jahre alt geworden. Was war ihr Geheimnis? Laut Medienberichten vor allem die Ernährung – Reis, Linsen und Gemüse. Puh. Ein dickes Minus also auf meiner Lebenszeituhr. Schildkröten, las ich dann, können den Prozess des Alterns bewusst verlangsamen und sich somit quasi lebend konservieren. Ihr Trick: möglichst wenig und gemächliche Bewegung und ein dicker Panzer. Das entspricht meiner Vorstellung schon eher – auch wenn ich auf Brennnesseln, Himbeerblätter und Gänseblümchen auf dem Teller verzichten kann.

Alt, fit und gläubig

Kardinal König wurde 98 – und das, obwohl er weder über einen dicken Panzer verfügte noch bekennender Körnerfresser war. Dass er heimlich in der Sakristei einen Expander bearbeitet oder seine Korrespondenz auf einem Trimmrad erledigt hat, ist wohl ebenso unwahrscheinlich. Tatsächlich besagen aber Studien immer wieder, dass religiöse Menschen länger leben. Der Grund: Diese Menschen griffen seltener zu Drogen, meditierten und beteten häufiger und lebten schlicht in Dankbarkeit. Der Ordensmann David Steindl-Rast ist ein – noch – lebender Beweis dessen: Mit seinen knackigen 95 Jahren ist er immer noch ein aktiver
Autor und gefragter Redner, der teils in Österreich, teils in den USA lebt. Sein Lebensrezept lautet „gratefulness“ – Dankbarkeit. Im August wird er diese wieder zeigen: wenn er den „Theologischen Preis“ der Salzburger Hochschulwochen für sein Lebenswerk erhält.
Und wenn er bis dahin noch lebt.

Auch Sie können im Übrigen den Kontostand ihres Lebens mit einer einfachen Übung
abrufen. Wenn Sie für 10 Sekunden auf einem Bein stehen können, steht es gut für Sie. Nicht wegen des Beines, sondern weil dies Auskunft gibt über Ihren Kreislauf, Übergewicht, Diabetes und all die anderen Zipperlein, die es einem im Alter halt verleiden, mal länger entspannt auf einem Bein zu stehen. Für einen Vierbeiner wie mich so oder so eine schier
unlösbare Aufgabe. Und so kaue ich in meinem Panzer ein Himbeerblatt und denke mir:
Auch wer gesund stirbt, ist am Ende definitiv tot.

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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