Glauben an die Auferstehung
Kein Ostersonntag ohne Karfreitag

Fresken des Künstlers Giotto di Bondone in der Kirche San Francesco in Assisi, Szene "Noli me tangere" - Begegnung von Maria Magdalena mit dem Auferstandenen (Johannes-Evangelium 20,11-18) | Foto: Public Domain/Gemeinfrei
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  • Fresken des Künstlers Giotto di Bondone in der Kirche San Francesco in Assisi, Szene "Noli me tangere" - Begegnung von Maria Magdalena mit dem Auferstandenen (Johannes-Evangelium 20,11-18)
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Wir Christen sind jetzt corona-bedingt noch mehr gefordert. Wie von Ostern, wie von Auferstehung und vom Leben reden in Zeiten des weltweiten vielfachen Sterbens? Der Wiener Neutestamentler Markus Tiwald über den Oster-Glauben.

Der Glaube an die Auferstehung Jesu und der Auferstehung der Toten ist eines der Herzstücke des christlichen Glaubens. Der Wiener Universitätsprofessor für Neues Testament, erläutert gegenüber dem SONNTAG seine österliche Hoffnung in diesen Tagen.

In Zeiten der Corona-Krise: Wenn Sie heuer am Ostermorgen predigen könnten, was würden Sie da verkündigen?
Die Bilder aus Italien: aufgestapelte Särge in Sportstadien, Menschen, die in Isolation alleine sterben müssen ohne die Nähe ihrer Lieben erfahren zu dürfen – diese Bilder brechen mir das Herz! In dieser Situation frage ich: „Gott wo bist Du? – Warum lässt Du das zu?“ In einer Predigt würde ich von meiner eigenen Hilflosigkeit sprechen – als Priester, als Mensch, als Theologe. Und doch: Gerade im Leid ist mir die Hilflosigkeit des Gottessohnes, der ohnmächtig am Kreuz hängt und unser Schicksal teilt, Trost und Halt. „Auferstehung“ heißt nicht „Glauben, weil es leicht ist“, sondern „Glauben, weil unser Leben oft so schwer ist“! Es ist wie der Rabbi, der gefragt wird: „Wie kannst Du nach Auschwitz noch an Gott glauben?“ Und er antwortet: „Wie könnte ich nach Auschwitz nicht an Gott glauben!“

Was ist Ihnen heuer näher: Der Karfreitag, der Karsamstag oder der Ostermorgen?

Es gibt keinen Ostersonntag ohne Karfreitag, keine Auferstehung ohne Leid. Die drei österlichen Tage bilden eine Sequenz, einen Pilgerweg von der Hoffnungslosigkeit ins Vertrauen. Angesichts von Corona ist mir heuer aber der Karsamstag am nächsten – der Moment der Grabesstille, des Aushalten-Müssens, der Ungewissheit.

Welches Osterlied gibt Ihnen in diesen weltweiten Wochen des Leidens und des Todes Hoffnung?
„Der Heiland ist erstanden, befreit von Todesbanden, der Tod hat keinen Stachel mehr, der Stein ist weg, das Grab ist leer.“ – Der Text ist stark und die Melodie gewaltig! (Gotteslob 830)

„Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“, heißt es im Ersten Korintherbrief (15. Kapitel, Verse 13-14). Wie geht ein Theologe mit dieser gewaltigen Aussage Tag für Tag um?
Ist diese Aussage wirklich so gewaltig oder einfach nur sehr realistisch? Neben meiner Profession als Priester und Theologe bin ich auch Psychotherapeut. Die Psychotherapie lehrt Menschen anzunehmen und auszuhalten. Das ist sehr wichtig, aber oft auch sehr hart. Nicht alle schaffen das. Gemäß der Psychotherapie gibt es keinen völlig gesunden Menschen. „Durchschnittsneurotiker“ ist das Beste, was wir erreichen können. Doch ist das schon „Leben in Fülle“? Der Glaube offenbart noch einmal eine andere Dimension: die Hoffnung auf Erlösung – Auferstehung auch aus unserem eigenen Ungenügen.

Markus Tiwald © privat
Univ. Prof. Markus Tiwald lehrt Neues Testament an der Universität Wien

Was ist der theologische Kern des Osterglaubens?
Das Osterfest ist ein Bild unserer ganzen Existenz, die von Leid, Schuld und Tod (der „tragischen Trias“ unseres Lebens) durchfurcht ist. „Leben in Fülle“ aber meint mehr als bloßes „Dahinvegetieren“. Es ist ein Stück der „unverschämten Freiheit der Kinder Gottes“ wie Jesus sie lehrt, wenn er Sünder, Ausgestoßene und Heiden an seinen Tisch bittet. Er tut das nicht, weil er die Sünde nicht sieht, sondern weil Gott größer ist als Sünde, Tod und Leid. Ostern ist die Botschaft, dass auch das tiefste menschliche Scheitern von einem je noch tiefer greifenden Erbarmen Gottes umfangen ist.

Der Osterglaube ist schon bei den Aposteln vom Zweifel begleitet. Wie finden heute Zweifler Zugang zu diesem Grundgeheimnis des Christentums?
Für den Unglauben der galiläischen Fischer und Handwerker bin ich besonders dankbar! Diese Leute waren keine Schwarmgeister, sondern erdige Gestalten, so wie der sprichwörtlich „ungläubige Thomas“: Wenn ich den Auferstandenen nicht mit Händen anfassen kann, dann glaube ich nicht! Was also hilft gegen den Zweifel? Nicht fromme Appelle, sondern die persönliche Begegnung mit Gott oder mit Menschen, die sich von Gott berührt wissen und seine Liebe weitergeben.

Welche Rolle spielt die in allen Evangelien berichtete Auffindung des leeren Grabes Jesu am Ostermorgen?

Interessanterweise sorgt das leere Grab am Anfang nur für Verwirrung. Kein triumphaler Auferstehungsjubel, sondern die recht erdige Annahme: „Das kann’s doch gar nicht geben!“ Erst die persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen bringt den Umschwung. Nicht Mirakelglauben und Hokuspokus, sondern die lebendige Berührung durch Gott führt zum Heil. Interessant aber ist für den Historiker, dass keine einzige Quelle von einem „vollen“ Grab Jesu berichtet. Auch die Gegner anerkennen, dass das Grab Jesu leer war, auch wenn sie dem eine andere Deutung geben: die Jünger hätten Jesus Leichnam gestohlen. Doch waren sie dafür nicht viel zu verschreckt? Bis heute scheidet das leere Grab die Geister – aber wen Gott berührt, der geht neu geboren durch das Leben.

Welche Bedeutung hat die „Auferstehung des Fleisches“ als typische christliche Hoffnung?

Der alte Adam in uns kann nicht vergessen, dass Gott ihm einmal im Paradies in die Augen geblickt hat. Diesen „Augenblick“ Gottes suchen wir wohl ein ganzes Leben lang. Im Wimpernschlag Gottes wird versöhnt, was wir Menschen in unserer Zerrissenheit nicht zusammenbekommen. Das heißt „Auferstehung des Fleisches“ – nicht nur der hehre Geist wird ewig leben, sondern auch unsere „fleischlichen“ Halbheiten werden von Gott geheilt.

Was unterscheidet die christliche Auferstehungs-Hoffnung von der Wiedergeburtslehre?

Für viele stellt die Hoffnung auf eine Wiedergeburt eine tröstliche Perspektive dar: Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, dann gibt es zumindest einen zweiten Versuch. Allerdings: Wenn das zweite Mal auch nicht klappt – dann ein drittes oder viertes Mal? Das ewige Hamsterrad dreht sich dann einfach nur ein paar Speichen weiter … Lieber ist mir hier ein mitleidender Gott, der sagt: Ich kann Dich verstehen, denn auch ich bin am Kreuz gescheitert (zumindest nach rein menschlichen Maßstäben). Eine „Theologie des Scheiterns“ ist eine zutiefst österliche Theologie: Auferstehung bedeutet, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann!

Fresken des Künstlers Giotto di Bondone in der Kirche San Francesco in Assisi, Szene "Noli me tangere" - Begegnung von Maria Magdalena mit dem Auferstandenen (Johannes-Evangelium 20,11-18) | Foto: Public Domain/Gemeinfrei
Markus Tiwald, Professor für Neues Testament an der Universität Wien | Foto: Privat
Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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