Ausstellung und Erinnerung
Wiens Rolle im antisemitischen NS-Terror

Die Ausstellung auf dem Wiener Heldenplatz ist frei zugänglich. | Foto: Lorenz Paulus
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Die Freiluftausstellung „Das Wiener Modell der Radikalisierung. Österreich und die Shoah“ ist bis 10. Dezember auf dem Wiener Heldenplatz zu sehen. Am 9. November, dem Jahrestag der Pogromnacht gegen die jüdische Bevölkerung, organisiert das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) zudem den ersten „ Aktionstag gegen Antisemitismus“.


Die Freiluftausstellung auf dem prominenten Heldenplatz zeigt das System der Entrechtung, Enteignung, Vertreibung und Vernichtung der österreichischen Jüdinnen und Juden.

In Wien entwickelte die 1938 von Adolf Eichmann eingerichtete „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ im Jahr 1941 das organisatorische Modell der Deportationen in die Ghettos, Vernichtungslager und Mordstätten. Es wurde zum Vorbild für die Deportationen aus dem gesamten Deutschen Reich. Nach fünf ersten Transporten aus Wien im Februar und März 1941 begannen vor 80 Jahren, am 15. Oktober 1941, die reichsweiten Deportationen.

Diese Vorgänge thematisiert „Das Wiener Modell der Radikalisierung. Österreich und die Shoah“. Präsentiert wird die Schau vom Haus der Geschichte Österreich (hdgö) in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien sowie dem Verein zur Förderung kulturwissenschaftlicher Forschungen.

„Antisemitismus – und auch Rassismus – gehören leider noch immer nicht der Vergangenheit an. Der Antisemitismus in der NS-Zeit führte zur Ermordung von Millionen Menschen in Auschwitz und anderen Vernichtungsorten. Wir wollen gerade hier, auf dem Heldenplatz, mit dieser Ausstellung und den Vermittlungsangeboten im Haus der Geschichte Österreich ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und Bildungsmaßnahmen niederschwellig zugänglich machen“, sagt hdgö-Direktorin Monika Sommer.
Schirach wollte Wien judenfrei machen

Die Ausstellung, die insgesamt acht Stationen umfasst, zeigt, wie stark die Repressionen gegen die jüdische Wiener Bevölkerung als „Motor“ der Radikalisierung des Antisemitismus im ganzen NS-Staat dienten. Österreich wurde gleich nach dem „Anschluss“ im März 1938 zum Experimentierfeld für die antisemitische Politik des Nationalsozialismus.

Noch bevor die antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes in Wien griffen, waren Jüdinnen und Juden pogromartigen Übergriffen, Demütigungen und Misshandlungen ausgesetzt. Die gewaltsamen Ausschreitungen in Wien und anderen österreichischen Städten bewirkten eine Radikalisierung des Antisemitismus und eine Verschärfung judenfeindlicher Maßnahmen des NS-Regimes im gesamten Deutschen Reich.

Im Oktober 1940 brachte der Wiener Gauleiter Baldur von Schirach bei Adolf Hitler seinen Plan vor, Wien als erste Großstadt im Deutschen Reich „judenfrei“ zu machen. Im Februar 1941 begannen die systematischen Deportationen aus Wien. Bei 45 Transporten zwischen 15. Februar 1941 und 9. Oktober 1942 wurden mehr als 45.600 Menschen vom Aspangbahnhof in die Ghettos, Vernichtungslager und Mordstätten im „Osten“ deportiert.

Die SS-Männer der „Zentralstelle“ gingen dabei mit äußerster Brutalität vor. Als die Wiener „Zentralstelle“ nach dem Ende der großen Deportationen im März 1943 aufgelöst wurde, wurden die „Eichmann-Männer“ als „Deportations-Experten“ in ganz Europa eingesetzt.

Die Ausstellung dokumentiert aber auch jüdische Selbsthilfe und den mutigen Widerstand Einzelner. Ebenso wird das Schweigen über die Shoah im Nachkriegs­österreich beleuchtet, das den Tätern zugutekam.

Die Ausstellung ist bis 10. Dezember 2021 frei zugänglich auf dem Heldenplatz zu sehen. – Weitere Programmpunkte unter hdgoe.at/aktionstag_gegen_antisemitismus

Autor:

Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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