300. Geburtstag von Maximilian Hell
Der Jesuit, der nach den Sternen griff

Maximilian Hell in Lappentracht bei der Beobachtung des Venusdurchgangs durch die Mitternachtssonne auf der norwegischen Insel Vardø 1769. | Foto: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
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  • Maximilian Hell in Lappentracht bei der Beobachtung des Venusdurchgangs durch die Mitternachtssonne auf der norwegischen Insel Vardø 1769.
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„Seh’ ich den Himmel, das Werk deiner Finger, / Mond und Sterne, die du befestigt…“, heißt es im Psalm über die Herrlichkeit des Schöpfers. Einer, der den Glauben und die Wissenschaft des Himmels verband, war der Wiener Jesuit und Astronom Maximilian Hell. Am 15. Mai jährt sich sein Geburtstag zum 300. Mal.

Maximilian Hell war durch und durch Wissenschaftler und studierte den Himmel, wann immer er konnte. Er war der erste Direktor der 1755 begründeten Wiener Universitätssternwarte auf dem Dach der alten Universität (heute das Gebäude der Akademie der Wissenschaften neben der Jesuitenkirche). Zugleich war Hell Jesuit. „Für beides war Platz in seinem Leben, sowohl für die Wissenschaft als auch für den Glauben bzw. das Ordensleben“, sagt die Wissenschaftshistorikerin und Archivarin der Ursulinen, Nora Pärr, im Gespräch mit dem SONNTAG.

Nora Pärr verfasste über „Maximilian Hell und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des 18. Jahrhunderts“ ihre Doktorarbeit. Im Zuge ihrer Forschungen bestätigte sich die Annahme, dass viele Mitglieder der Gesellschaft Jesu innovative Naturwissenschaftler waren: „Die Jesuiten waren damals am aktuellen Stand der Naturwissenschaften und hervorragende Wissenschaftler“, erzählt die Historikerin.

Die Sterne und die Mission

Astronomie galt in den Missionsländern als wichtige Stütze in der apostolischen Arbeit. So waren Jesuiten in China als Hofastronomen tätig und mit der Reform des chinesischen Kalenders betraut. Es zeigte sich, dass die europäischen Geistlichen Sonnen- und Mondfinsternisse exakter voraussagen konnten als die einheimischen Sterndeuter und offenbar von den „Dingen des Himmels“ mehr verstanden. Wie stark der Orden auf dem Gebiet der Astronomie forschte, zeigen heute noch die Namen von 35 Jesuiten, die in der Mondgeographie zu finden sind. Ein Mondkrater trägt den Namen „Maximilian Hell“.

„Max Hell kam schon als Kind mit Technik in Kontakt und wuchs in einem technisch interessierten Umfeld auf“, berichtet Nora Pärr. Am 15. Mai 1720 in Schemnitz (heute Slowakei, damals Oberungarn) geboren, wuchs er als Sohn eines Bergbauingenieurs auf. „Sein Vater war Ingenieur der Schemnitzer Bergwerke und für die Entwässerung der Bergstollen zuständig“, schildert die Historikerin.

Im Alter von achtzehn Jahren trat Max Hell in Trentschin in den Jesuitenorden ein und wurde Anfang der 1740er Jahre zum Studium nach Wien versetzt, wo er 1752 die Priesterweihe empfing. „Er half bald in der Sternwarte des Wiener Jesuitenkollegs mit und baute hier an Instrumenten mit“, erzählt die Forscherin.

Frühe Sternwarten in Wien

Die Aufgeschlossenheit der Jesuiten für Naturwissenschaften spiegelte sich im Sternwartebau des Barock wider. So errichtete der Orden 1733 einen „Mathematischen Turm“ auf dem Kollegiumsgebäude zwischen Bäckerstraße und Postgasse, um astronomische Studien betreiben zu können (siehe das Bild von Canaletto).

Im Jahre 1755 erhielt Maximilian Hell den Ruf als Professor für Astronomie und Mechanik an die Universität Wien und wurde mit 35 Jahren zum ersten Direktor der neu errichteten ersten Universitätssternwarte (heute Akademie der Wissenschaften) bestellt. Diese befand sich auf dem Dach der Alten Universität in luftiger Höhe. Der Forscher wohnte gleich nebenan im Jesuitenkloster.

Russ, Geklapper und Gestank

Nora Pärr schildert die Gegebenheiten, unter denen der Jesuit den Himmel beobachtete: „Maximilian Hell beklagte immer wieder die schlechten Bedingungen für die Sternwarte. Lauter Straßenlärm durch vorbeiratternde Kutschen und Fuhrwerke. Schlechte Sicht, da alle mit Holz heizten und die Luft sehr verraucht war. Schon zu seiner Zeit forderte er die Verlegung der Sternwarte an den Stadtrand, wie sie dann im 19. Jahrhundert erfolgte.“ Hinzu kam, dass sich einige Stockwerke unterhalb der Sternwarte die Anatomiesäle der Universität befanden, in denen Studenten Leichen sezierten. „Hell ärgerte sich über den üblen Geruch, der zu ihm in der Sternwarte hochdrang. Sezierte Arme und Beine wurden immer wieder einfach aus den Fenstern geschmissen“, schildert die Historikerin.

Trotz der erschwerten wissenschaftlichen Bedingungen führte Max Hell die Wiener Universitätssternwarte zu hohem internationalen Ansehen – durch seine hervorragenden Beobachtungen und die von ihm herausgegebenen astronomischen Jahrbücher unter dem Titel „Ephemeriden“, in denen die täglichen Stellungen von Sonne, Mond und Planeten vorausberechnet waren.

Seine wichtigste Entdeckung

„Seine wichtigste Entdeckung war, dass er den Abstand von der Erde zur Sonne als erster berechnete und so die Weltraum-Einheit festlegte“, erklärt Nora Pärr. Grundlegend waren hierfür Hells Arbeiten über die beiden Venusdurchgänge 1761 und 1769. Den ersteren beobachtete er von Wien aus, den zweiten im norwegischen Vardø während einer Forschungsreise auf Einladung des dänischen Königs Christian VII. Dies lieferte in Verbindung mit anderen Beobachtungen die genaueste Sonnenentfernung für Jahrzehnte. Von Hell wurde der Abstand mit 152 Millionen Kilometer berechnet (moderner Wert 149,6 Millionen Kilometer).

Maximilian Hell zählt heute zu den bedeutendsten Astronomen des 18. Jahrhunderts und war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften. „Er verfügte über hervorragende internationale Kontakte und war ein genialer Netzwerker“, sagt Nora Pärr. Auch in regionalen Netzwerken war er aktiv, darunter im Maria Enzersdorfer Gelehrtenkreis. Michael Denis, ein Dichter aus diesem Kreis, widmete Hell nach dessen Tod 1792 folgende Zeilen (übersetzt aus den Lateinischen): „Als vom Körper befreit, Hell sich der Erde entrungen/ Und neben den Sternen dahinschwebte zum Höchsten empor/ Sprach er: Lange zu euch auf, Sterne, schaute mein Auge/ Nun herunter auf euch schaue mein hellerer Blick.“ Max Hell wurde auf dem Romantikerfriedhof in Maria Enzersdorf beigesetzt, sein Grab existiert nicht mehr, aber eine bronzene Büste erinnert an den ausdauernden Himmelsforscher.

Autor:

Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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