Heilig in der Politik: Thomas Morus
Der Hochverräter

Scharfer Beobachter: „Ich finde nichts anderes als eine Art Verschwörung der Reichen, die im Namen des Staates für ihren eigenen Vorteil sorgen.“ | Foto: nach eiem Kupferstich: Johann Walch
  • Scharfer Beobachter: „Ich finde nichts anderes als eine Art Verschwörung der Reichen, die im Namen des Staates für ihren eigenen Vorteil sorgen.“
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Er war Teil des Establishments.

Mit den großen Denkern seiner Zeit stand er in regem Austausch, er hatte Erfolg, sein
Gewissen wies ihm aber einen anderen Weg und führte zu seinem Untergang.
Als verurteilter Hochverräter wurde Thomas Morus selbst zu einem heiligen Politiker.

Mit spitzer Feder formulierte der Jurist sein Hauptwerk „Utopia“ im Jahr 1516 über das
„Gemeinwesen“.
Die Herrschenden kamen dabei nicht gut weg, allzu gut kannte der Autor den Berufsstand: „Wenn ich daher alle diese Staaten prüfend an meinem Geiste vorbeiziehen lasse, so finde ich nichts anderes als eine Art von Verschwörung der Reichen, die im Namen und unter dem Rechtstitel des Staates für ihren eigenen Vorteil sorgen. Alle möglichen Schliche und Kniffe ersinnen und erdenken sie, um zunächst einmal das, was sie durch üble Machenschaften
zusammengerafft haben, ohne Furcht vor Verlust zusammenzuhalten, dann aber alle Mühe und Arbeit der Armen so billig wie möglich zu erkaufen und ausnützen zu können.“ Dabei war er zu diesem Zeitpunkt bereits selbst Politiker und ein Jahr später Sekretär des
englischen Königs Heinrich VIII.: Thomas Morus hatte es geschafft.
Der Anwalt war Parlamentarier, Mitglied im Kronrat und Ritter.

Der Patron der Regierenden

1535 hingerichtet, wurde Thomas Morus vierhundert Jahre später heiliggesprochen. Sein Gedenktag ist am 22. Juni, in der anglikanischen Kirche am 6. Juli. Die Heiligsprechung erfolgte 1935, als es bereits zu Konflikten zwischen dem NS-Regime und der katholischen Kirche in Deutschland kam. So wurde die Heiligsprechung auch als ein Zeichen zum religiösen Widerstand gegen totalitäre Herrschaftsansprüche interpretiert. Im Jahr 2000 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Patron der Regierenden und der Politiker. Als Heiliger kann Thomas Morus heute ein Vorbild sein, wenn wir darüber nachdenken, was wir tun oder nicht tun und wie wir nach unserem Gewissen handeln. elten die Rolle der Heiligen in bekannten Kinoverfilmungen.

Privat war er Vater von vier Kindern, die Mädchen erhielten dieselbe Ausbildung wie die Söhne. Thomas war auch sehr großzügig. Während einer Hungersnot versorgte er Hunderte Menschen und entließ seine Landarbeiter auch nicht, wenn es nicht genügend Arbeit gab.

Doch er war auch überzeugter Katholik. Als junger Mann lebte er fast ein Jahr in einem Kartäuserkloster. Lange Zeit verstand er sich prächtig mit König Heinrich VIII. (1491–1547). Als sich dieser aber von Rom lossagen wollte, trat Thomas als Lordkanzler zurück. Er verweigerte in der Folge den Treueeid auf die neue Verfassung, in der sich der König zum Oberhaupt der neuen anglikanischen Kirche erklären ließ. Thomas wurde in den Tower gesperrt, enteignet und nach 15 Monaten als Hochverräter enthauptet. Die letzten Worte des Lordkanzlers an das Volk waren: „Ich nehme euch zu Zeugen, dass ich im Glauben und für den Glauben der heiligen katholischen Kirche und als treuer Diener des Königs, aber in erster Linie als treuer Diener Gottes sterbe. Betet für den König, dass Gott ihn führe und erleuchte.“ Seinen Henker bat er, seinen Humor bewahrend, seinen Bart unversehrt zu lassen, da der keinen Hochverrat begangen habe.

Sein Freund, der große Gelehrte Erasmus von Rotterdam (1466–1536) sagte, nachdem er von der Hinrichtung erfahren hatte: „Thomas Morus, dessen Seele reiner war als der reinste Schnee, dessen Genius so groß war, wie England nie einen hatte, ja nie wieder haben wird, obgleich England eine Mutter großer Geister ist.“

Die Forschung mag jeweils nach ihrer Generation ein Urteil über den unbeirrbaren Lordkanzler treffen. Für die Kirche ist klar, dass Thomas Morus ein Heiliger ist. Er selbst war sicher: „Es gibt keinen Kummer auf Erden, den der Himmel nicht heilen kann."

Autor:

Bernadette Spitzer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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