Osterinterview mit Bischof Josef Marketz
Gott ist auch in der Not bei uns

Die Karwoche 2022: Die Pandemie ist noch nicht zu Ende, die Klimakrise zeigt sich durch massive Trockenheit und im Osten Europas tobt ein Krieg, Flüchtlinge kommen zu uns. Wo ist Gott in dieser Zeit?
Bischof Marketz: Was wir derzeit erleben, führt ganz sicher zu dieser Frage. Die Antwort aber haben wir in der Heiligen Schrift. Gott ist auch jetzt immer auf der Seite der Notleidenden. Er ist der Mit-Leidende. Allerdings in seiner Verborgenheit. Ich habe den Eindruck, dass wir Gott aus dieser Verborgenheit herausbitten wollen, denn die Anbetungen erleben eine Renaissance. Ein Grund ist wohl die Frage, wo Gott bleibt.

Wer ist Gott für uns?
Bischof Marketz: Gott ist der Grund alles Seienden, und Gott ist die Liebe. Er ist hineinverwoben in alles, was lebt und was passiert. Ich sehe darin auch einen Trost. Ich glaube sehr stark an den Gott der Liebe und des Lebens. Jeder von uns darf sich aber die Frage stellen: Wer ist Gott für mich? In diesem persönlichen Glauben sind wir in Zeiten wie diesen natürlich herausgefordert. Da braucht es die Hilfe der kirchlichen Gemeinschaft, um ei-nander im Glauben zu stärken.

Gott gibt uns die absolute Freiheit. Eine Freiheit, die auch wehtut.
Bischof Marketz: Ja, aber Gott ist der Schöpfer, der auch in schweren Zeiten mit Liebe die Welt neu macht. So kann diese Freiheit besser verstanden werden. Diese Hoffnung gibt mir viel Kraft. Im Grunde ist dies das eigentliche Geheimnis von Ostern.

Karwoche und Ostern sind die Zeit des tiefsten Elends, aber auch der größten Freude – wir wissen: Dem Tod folgt die Auferstehung. Woran denken Sie, wenn Sie heuer das Licht der Osterkerze sehen?
Bischof Marketz: Mir ist es wichtig, die Karwoche und Ostern nicht nur als alte Tradition mit schönen Bräuchen zu sehen. Wir brauchen den Mut, uns auf diese Zeit ganz einzulassen. Es sind existenzielle Tiefpunkte und Höhepunkte des Lebens. Wenn wir Gott suchen, haben wir in dieser Woche am ehesten die Chance, ihn ganz tief zu begreifen. Aber ich gebe schon zu, dass dies viel Mut erfordert. Mut und Vertrauen. Nämlich das Vertrauen, dass Gott mit uns auf dem Weg ist, wie wir dies in der Geschichte der Emmausjünger erfahren.

Nach all den Gräueln und den jüngsten Geschehnissen in der Ukraine: Wird uns heuer das Kreuz besonders nahegehen?
Bischof Marketz: Das kann schon sein. Ich weiß aber auch, dass man sich an vieles gewöhnen und verhärten kann. Das ist eine Gefahr. Für jeden einzelnen und für den Glauben. Wir müssen offen bleiben. Wir müssen Schmerzen und Fragen zulassen. Mich bedrücken diese unfassbaren Gräuel sehr. Wenn ich einen Kreuzweg bete und danach zu Hause die Nachrichten sehe, stellt sich natürlich die Frage, wer Gott für mich ist, ganz besonders.

Erstmals nach zwei Jahren können wir wieder einigermaßen normal Ostern in den Kirchen feiern. Freuen Sie sich schon darauf?
Bischof Marketz: Natürlich ist das im Vergleich zu den Vorjahren eine große Freude. Ich hoffe, dass wir uns darauf besinnen, dass dieses Miteinander-Feiern nicht selbstverständlich ist, wie wir das früher immer dachten. Ich lade ein, dass man sich heuer ganz besonders auf die Rituale des Osterfestes einlässt.

Stärken Krisenzeiten den Glauben oder verunsichern sie eher?

Bischof Marketz: Das ist sehr unterschiedlich. Ich kenne viele Menschen, die jetzt hadern. Man sagt auch, Krisen machen stärker. Damit dies aber geschehen kann, muss man sich auch dem Zweifel und dem Schmerz aussetzen, aber auch der Sehnsucht nach Hoffnung, nach Liebe, und den Glauben als Wegweiser durch das Leben erkennen. Dann kann man stärker aus solchen Krisenzeiten aussteigen.

Die Weltkirche befindet sich auf dem Synodalen Weg. Bis Palmsonntag gab es Befragungen. Wie waren die Rückmeldungen?
Bischof Marketz: Ich bin sehr dankbar für jede Rückmeldung, die gekommen ist. Das zeigt, dass vielen Menschen die Kirche wichtig ist. Es zeigt auch, dass sie die Einladung zum Synodalen Prozess annehmen und sich gerne einbringen. Ich sehe aber auch, dass es gut ist, dies nicht nur als einmaliges Ereignis zu begreifen, sondern diese synodale Art des Umgangs miteinander und des Aufeinander-Zugehens beizubehalten.

Was waren die wichtigsten Themen?
Bischof Marketz: Natürlich waren auch die sogenannten „heißen Eisen“ ein Thema. Aber sie standen nicht im Vordergrund. Am meisten beschäftigt die Leute die Frage nach der Jugend. Wie kann es gelingen, Jugendliche anzusprechen und für sie heilsam und interessant zu werden? Ein weiteres wichtiges Thema war das Vertrauen: in den Papst, in Priester, kirchliche Angestellte, auch Pfarrgemeinderäte. Es geht darum, dass die Kirche in der Welt heute noch etwas zu sagen hat. Das betrifft auch unsere Glaubwürdigkeit. Viele wünschen sich eine lebendigere Kirche. Damit sind natürlich auch Gottesdienste gemeint. Ganz wichtig ist vielen auch die Frage nach der Kernbotschaft der Kirche. Wo ist der Grundauftrag der Kirche?

Zu Pfingsten soll ein Kirchenerneuerungsprozess beginnen. Ist das der nächste logische Schritt auf dem Synodalen Weg?
Bischof Marketz: Das Ende der Befragungen ist für uns eigentlich ein Anfang. Die Kirche entwickelt sich immer. Wir haben aber auch einen Rahmen, um den wir uns nicht herumschwindeln können. Wir sollen schauen, was in diesem Rahmen alles möglich und was das Beste ist.

Wie wird das ablaufen?
Bischof Marketz: Es wird sicher nicht der Bischof alles alleine bestimmen. Ich möchte diese synodale Form auf breitester Basis für die Kirche in Kärnten beibehalten und stärken. Im Zentrum steht die Frage: Wie hilft das Evangelium heute, dass die Menschen ein gutes Leben führen können? Und natürlich: Was kann die Kirche tun, um die Menschen dabei zu unterstützen? Ich appelliere an alle, hier mitzumachen.

Was wünschen Sie sich vor dem Hintergrund der politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen zu Ostern?
Bischof Marketz: Man darf zu Ostern wirklich Visionen haben. Niemand hätte gedacht, dass dieser ans Kreuz geschlagene Christus je wieder aufersteht. Das heißt, zu Ostern dürfen die Wünsche auch jenseits des Möglichen sein. Daher habe ich den Wunsch, dass die Liebe Gottes auch nach dem Tod neues Leben hervorbringt. Dass die Pandemie es nicht schafft, die Menschen auf Dauer zu trennen; und dass es nach dem Krieg einen Wiederaufbau geben wird – sowohl materiell als auch in den Beziehungen zwischen Menschen und Völkern. Dass auch wir in Gott die Kraft zu solcher Liebe entdecken und versuchen, mit ihr Leben zu schenken.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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