Jacqueline Straub im Gespräch
Sie fühlt sich zur katholischen Priesterin berufen

Foto: melanie wetzel/meli.photodesign.de
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Die BBC, die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt des Vereinigten Königreichs, zählte die eidgenössische Theologin und Buchautorin Jacqueline Straub vor nunmehr fünf Jahren zu den einflussreichsten Frauen der Welt. Mit gutem Grund: Sie fühlt sich seit ihrer Jugend zur katholischen Priesterin berufen – ein Traum oder ein Wunsch, den das katholische Kirchenrecht (noch) ausschließt.

Frau Straub, darf ich Sie zu Beginn unseres Gesprächs, für das ich schon einmal herzlichst danke, um eine kleine Kurzbeschreibung Ihrer Person bitten?
STRAUB: Gerne. Ich heiße Jacqueline Straub, bin 33 Jahre jung und komme aus der Schweiz. Seit meiner Jugend fühle ich mich zur römisch-katholischen Priesterin berufen. Seit Jahren kämpfe ich für mehr Gleichberechtigung für Frauen in der Kirche. Ich liebe, und das gebe ich ganz unverhohlen zu, die Kirche und setze mich auch für Veränderungen im Positiven ein, auch wenn die für so manche Zeitgenossen ausweglos scheinen.

Können Sie uns Ihr ganz persönliches Bild, das sie mit dem Begriff „Gott“ verbinden, vorstellen und unseren Leser:innen ein klein wenig näher bringen?
STRAUB: Gott trägt für mich sowohl weibliche als auch männliche Züge. Gott ist Liebe und Güte, hat Humor und ist in guten wie in schlechten Zeiten ein ganz naher und guter Freund, der immer da ist. Auf ihn ist jederzeit Verlass, ob die Sonne scheint oder es regnet, selbst wenn man in dunklen Stunden Gottes Anwesenheit mitunter – und das ist menschlich – in Frage stellt.

Als Glaube definiert man das Fürwahrhalten ohne methodische Begründung. Auf welchen Fundamenten beruht Ihr Glaube?
STRAUB: Mein Fundament ist grundsätzlich und zentral gesehen Jesus Christus, der der Sohn Gottes ist. Durch sein Leben, sein Wirken und sein Sterben ist Gott immer bei uns. Wenn ich an ihm festhalte und seine bedingungslose Liebe und Hilfe annehme, lasse ich es zu, dass Gott mich stärkt und die Fähigkeit in mir wachsen lässt, geduldig zu sein. Denn nur weil ich bete, heißt das nicht, dass alles direkt so eintrifft, wie ich es mir erhoffe. Manchmal geht das Gebet eben nicht in Erfüllung – erst später erkenne ich dann, dass es vielleicht sogar gut war.

Es gibt Menschen, die nicht glauben. Können diese Menschen auch Gott um Hilfe oder um Nachsicht bitten?
STRAUB: Natürlich. Gott macht keinen Unterschied zwischen gläubigen und ungläubigen Menschen. Er ist einfach für alle da. Und er liebt alle gleich.

Wie anfangs erwähnt, wollen Sie römisch-katholische Priesterin werden. Das ist derzeit unmöglich. Sehen Sie sich als Revolutionärin, und wann wuchs in Ihnen dieser für Frauen nicht gerade alltägliche Wunsch?
STRAUB: Als ich eine Teenagerin war, keimte in mir der Wunsch, römisch-katholische Priesterin zu werden. Ich trage seit bald zwei Jahrzehnten diese Berufung in mir und setze mich seit etwas mehr als zehn Jahren für mehr Gleichberechtigung in der katholischen Kirche ein. Ich habe Theologie studiert und kenne die Diskussion um das Frauenpriestertum sehr gut und die Argumente, Frauen von kirchlichen Ämtern auszuschließen. Diese wurden schon von vielen Theolog:innen ausgehebelt. Gott macht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Er schaut auf das Herz eines Menschen. Ich sehe mich nicht als Revolutionärin. Eine etwaige Bezeichnung als Reformatorin würde mir auch nicht passen. Ich bin einfach nur eine motivierte Christin, die für ihren Traum – und jenen von vielen Frauen weltweit – kämpft.

Seit dem 13. März 2013 ist Papst Franziskus im Amt. Welche Hoffnung setzen Sie in ihn? Es ist ja bekannt, dass er eigene Wege beschreitet und oft kontroverse Denkanstöße liefert…
STRAUB: In den vergangenen Jahren hat Papst Franziskus es geschafft, dass offener über Tabuthemen nachgedacht und diskutiert wurde. Er hat den Weg zur offenen Diskussion geebnet. Das Frauenpriestertum wird er aber dennoch nicht einführen. Er hat zu viele andere Baustellen.

Hätte die katholische Kirche weniger Probleme mit Missbrauch, wenn keine Pflicht zum Zölibat bestünde?STRAUB: Der Zölibat an sich ist nicht ausschließlich für den himmelschreienden Missbrauch in der Kirche verantwortlich. Dennoch ist der Zölibat ein Faktor, der den Missbrauch begünstigt hat. Denn geschlossene männerbündische Systeme sind anfällig für Machtmissbrauch. Dieses System hat es erlaubt, dass Verbrechen vertuscht wurden und noch immer werden. Daher braucht es eine Öffnung – die Möglichkeit zu heiraten, aber auch Frauen in diesen Ämtern.

Vor einiger Zeit schrieben Sie ein Buch mit dem Titel „Kickt die Kirche aus dem Koma!“ Können Sie diese (un)gewollte „provokante“ Wortwahl anhand eines adäquaten Beispiels näher durchleuchten?
STRAUB: Die massiv größer werdende Anzahl der Kirchenaustritte und die Abnahme von Taufen zeigen ja, dass viele unzufrieden, ja enttäuscht sind von der Kirche. Die vielen Skandale der Kirche und auch das teilweise Vorbeireden an der Lebensrealität der Menschen hat zum Glaubwürdigkeitsverlust geführt. Es gibt zum Glück an der Basis schon viele Menschen, die tolle Ideen haben und zeigen: Kirche kann auch anders sein. Dennoch: Es braucht eine Umkehr der Amtskirche, damit die Menschen wieder mehr eine Heimat in der Kirche finden können. Wenn wir die Jugend nicht noch mehr verlieren wollen, müssen wir jetzt in sie investieren.

Wie sehen Sie die Christenverfolgungen in den Medien?
STRAUB: Es ist erschütternd. Schenkt man dem Weltverfolgungsindex von Open Doors Glauben, gibt es in mehr als 70 Staaten schwere Verfolgungen. Menschen werden nur aufgrund ihrer christlichen Religion aus ihren angestammten Gebieten vertrieben, gefoltert und ermordet. Das tut mir weh! Ich würde mir wünschen, dass wir im Westen offener über dieses unbequeme Thema sprechen, den Finger in die offene Wunde legen und uns folglich solidarischer mit unseren Schwestern und Brüdern im Glauben zeigen.

Das 21. Jahrhundert ist schon 23 Jahre alt. Wo sehen Sie die katholische Kirche im Jahr 2100?
STRAUB: Ich hoffe natürlich, dass die Kirche die Kehrtwende schafft, dass sie wieder mehr Menschen in ihren Herzen berührt und sie ein Ort der Heimat und Sicherheit ist. Schon heute gibt es genügend Menschen, die eine Sehnsucht nach Spiritualität, die Anfragen ans Leben haben – darauf kann die Kirche Antworten liefern. Hierfür braucht es aber eben auch strukturelle Veränderungen. Denn kirchliche Strukturprobleme stehen des Öfteren im Weg, und so hindern diese die Menschen, eine mit Leben erfüllte und von Herzen kommende Spiritualität innerhalb der Kirche zu suchen und auch zu finden.

Jeder Mensch kämpft um Werte. Einige Werte sind zeitlos, andere müssen an die gegenwärtigen Begebenheiten angepasst werden. Für welche (zwischenmenschlichen) Werte kämpft Jacqueline Straub? Verteidigen Sie sie auch mit Vehemenz, wenn Sie sehen, dass sie verloren gehen?
STRAUB: Ja. Drei Werte sind seit jeher für mich wichtig. Ohne Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit wäre die Welt, auf der wir leben, um drei wesentliche Werte ärmer.

Gibt es in der Bibel einen Vers, der in einer mitunter egoistischen, schnelllebigen und hektischen Welt, die durchaus einmal durchatmen darf, als Ihr Lebensmotto seine Berechtigung hätte?
STRAUB: „Für Gott ist nichts unmöglich.“ (Lk 1,37).

Autor:

Carina Müller aus Kärnten | Sonntag

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