Gedanken zum Evangelium: Fest Taufe des Herrn
Wie klingt Gott?

Foto: iStock/ImagineGolf

Matthäus 3, 13-17

Gott offenbart sich bei der Taufe Jesu mit seiner Stimme. In der Bibel ist auch an vielen anderen Stellen davon die Rede, dass Gottes Stimme hörbar wird und er dem Menschen  etwas sagt. Und das führt mich zu einer Frage, die mich schon lange beschäftigt: Wie hört es sich an, wenn Gott zu uns spricht? Wie wird Gottes Offenbarung hörbar?

Für mich ist das ein faszinierendes Gedankenexperiment. Wie stelle ich mir Gottes Stimme vor? Wie klingt Gott? Als ehemalige Musikerin haben mich die Antworten von Musiker/innen interessiert und inspiriert. Denn Komponist/innen müssen sich dieser Frage spätestens dann stellen, wenn sie in einem musikalischen Werk Gottes Erscheinen hörbar machen möchten und einiges vorweg entscheiden: Spricht er überhaupt selbst oder lässt er etwas ausrichten? Wenn zweiteres, dann von wem? Von einer Prophetenstimme? Einer Engelsstimme?

Und wenn er selbst spricht: Offenbart er sich mit seiner Stimme oder durch Töne, Klänge oder Geräusche? Klingen diese furchteinflößend wie ein Donner, sozusagen mit Pauken und Trompeten, oder sind es sanfte leise Töne – oder gar die üblichen Klänge, die wir aus so vielen BBC-Dokumentationen kennen: die Klänge eines pathetischen Frauenchors? Und wie würde seine Stimme klingen, wenn er tatsächlich spräche: wie ein hoher Sopran oder ein dunkler Bass?

In Oratorien ist die Vielfalt groß: Engelsterzette (natürlich Frauenstimmen), eifernde Bass-Stimmen, jubelnde Chöre, dramatische Instrumentalstücke künden vom Erscheinen des Göttlichen oder – weniger einfallsreich: Gott spricht mit väterlicher, dunkler, majestätisch getragener Bassstimme.

Meine persönliche Vorstellung ist am ehesten angelehnt an die Weise, die Arnold Schönberg in „Moses und Aaron“ ausgeführt hat, einem Werk, das sich sehr intensiv mit der Frage auseinandersetzt, wie Gott überhaupt erfahrbar sein kann. In der Szene mit dem brennenden Dornbusch wird die Stimme Gottes nicht von einer Person gesprochen oder gesungen, sondern von einem Sprechchor und einem Gesangsensemble zeitgleich. Gott spricht und singt zugleich, ist sowohl Sopran, Alt, Tenor als auch Bass und Sprechstimme in allen Höhen. Der Unvorstellbare wird dadurch in seiner Uneindeutigkeit und seinem Geheimnis belassen.

Und das ist auch im heutigen Evangelium so: Wir erfahren, dass eine Stimme aus dem Himmel spricht, aber wie sie klingt, lässt Matthäus dankenswerterweise offen. Damit er auch in seinem Offenbarwerden noch der Geheimnisvolle bleibt.

Autor:

Elisabeth Birnbaum aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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