Gedanken zum Evangelium: 4. Sonntag der Osterzeit
Liebe Schafe!

Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. | Foto: istockphoto/Inge van de Meeberg
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  • Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie.
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So könnte man die Predigt am heutigen Sonntag beginnen. Aber, wenn es Ihnen so geht wie uns, dann finden Sie den Vergleich zwischen sich selbst und einem Schaf erst einmal nicht sonderlich schmeichelhaft.

Mit einem Schaf verbinden wir oft ein etwas dümmliches Herdentier, das einerseits einfach mitläuft, andererseits aber auch andauernd von Hunden gezwickt und angebellt werden muss, um nicht „verloren zu gehen“. Kurzum: Das Bild, das in der Bibel an mehreren Stellen (Ps 23,1-2; Jes 53,6; Ez 34,11-16; Mt 9,36) auftaucht, widerspricht dem Selbstbild eines freien, eigenständigen Individuums, das Autoritäten zunächst einmal in Frage stellt – zumal kirchliche "Hirten" ja in letzter Zeit nicht gerade im besten Ruf stehen.

Doch schauen wir etwas genauer hin! Im heutigen Evangelium beschreibt Jesus sich selbst als guter Hirte – übrigens genau so, wie für die alttestamentlichen Propheten und den Verfasser der Psalmen Gott der Hirte ist, der sein Volk weidet. Und warum ist Jesus der gute Hirte und kein bezahlter Knecht? Weil er sich für die Menschen aufopfert, sogar sein Leben hingibt, ohne auf seinen eigenen Vorteil bedacht zu sein – und zwar damit die Seinen nicht zerstreut werden!

Mystiker wie Meister Eckhart haben in diesem Bild auch den Kampf in uns selbst, in unserem Inneren gesehen: Jesus ist derjenige, der uns, die wir von den "Wölfen" der Zerstreuung bedroht werden, zur inneren Sammlung und somit zu Gott führt. Jesus gibt also sein Leben hin, um uns zu sammeln – äußerlich wie innerlich.

In unserer gespaltenen Gesellschaft, unserem Leben in den "Filterblasen" der sozialen Medien, geht es dann eigentlich darum, uns hinausführen zu lassen aus unserem Egoismus, unserer Wurschtigkeit und Lebenssattheit, die die Not der anderen nicht sieht und Zerstreuung in ständigem Genuss und in Unterhaltung sucht.
Das ist nun nicht nur die Aufgabe der amtlich bestellten Hirten – die übrigens auch Schafe sind, die der Sammlung aus ihrer eigenen Zerstreutheit bedürfen – sondern von uns allen.

Als Nachfolgerinnen und Nachfolger Christi sind wir dazu aufgerufen, uns von ihm weiden zu lassen und selbst andere zu weiden, also zugleich Schafe und Hirten zu sein. „Liebe Schafe!“ ist also nur ein Teil der Wahrheit.

Impulse

Inspiriert vom Evangelium

  • Ist Jesus Christus mein Hirte? Habe ich ihn als solchen angenommen?

  • Wo in meinem Leben sollte ich mich einsammeln lassen?
  • Wer sind die Wölfe, die mich zerstreuen?
  • Wem in meinem Leben könnte ich Hirte sein – und wie?
Evangelium und Kommentar als PDF
Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. | Foto: istockphoto/Inge van de Meeberg
Autor:

Markus Muth aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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