Gedanken zum Evangelium: 25. Sonntag im Jahreskreis
Das Kind in seinen Armen

In vielen Ländern ist Kinderarbeit - wie hier auf einem Baumwollfeld - noch gang und gäbe. | Foto: iStock-yavuzsariyildiz
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Meine Großmutter war eine Geschäftsfrau, sie hat es zu etwas gebracht. Das Vermächtnis, das sie mir hinterlassen hat, ist aber nichts Materielles. Wenn sie über meinen früh verstorbenen Großvater sprach, sagte sie, im Nachhinein sei sie froh, für alles, was sie ihm Gutes tun konnte. Ich denke oft an diese Worte. Was wirklich zählt, ist das, was wir für andere tun.

Das heutige Evangelium endet mit einer berührenden Szene. Das ist mir gerade aufgefallen, dank eines Hinweises in einem guten Buch zum Markusevangelium von Martin Ebner. Jesus hält ein Kind in seinen Armen. Nein, es ist nicht die Szene, in der Jesus sagt: Werdet wie die Kinder! Und es ist nicht das Kind, das die Mutter zu Jesus bringt, um es segnen zu lassen. Wo die Mutter ist, wissen wir nicht.

Wir befinden uns im Haus des Petrus in Kafarnaum, wahrscheinlich setzt man sich gerade zu Tisch und wird bedient. Gekocht haben vermutlich die Frauen. Wenn aber Kinder anwesend waren, dann müssen es Tischsklavenkinder gewesen sein, die von ihren Eltern in fremde Häuser vermietet wurden. Sie haben kleine Dienste verrichtet, den Gästen die Schuhe ausgezogen, oder das Wasser zum Händewaschen gebracht. Sie standen in der gesellschaftlichen Rangordnung ganz unten. Sie waren das Letzte.

Während Jesus das Sklavenkind im Arm hält, belehrt er seine Jünger – alle zwölf sind anwesend. Er sagt, wer ein solches Kind gastlich aufnimmt, nimmt mich auf – und mehr noch: Wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat, also Gott selbst.

Assoziationen in Richtung Kinderarbeit, ohne die es viele Waren nicht so billig gäbe, lassen sich für mich nicht vermeiden. Auch Assoziationen zum Thema „Aufnahme von Kindern“, die im Staub oder Schlamm eines Lagers in Griechenland ihre Jugend verbringen, drängen sich mir auf.

Die Männer sind im Evangelium übrigens schweigsam. Wir erfahren aber, worüber sie zuvor geredet haben. Der Erzähler verrät uns, dass es eine ziemlich kindische Unterhaltung war: Sie hatten darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte ist. Dazu sagt Jesus: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ Es ist wohl das, was meine Großmutter damals meinte. Wahre Größe zeigt sich im Gutes-Tun für andere.
Trotzdem will man ungern ein Diener oder eine Dienerin sein. Der altmodische Ausdruck vom „dienen“ hat eine Schattenseite, die ich unwillkürlich mithöre: die Ausbeutung der Dienenden, v.a. der Kinder und der Frauen. Die Szene mit dem Sklavenkind, das Jesus in den Armen hält, bleibt eine Provokation.

Autor:

Stefanie Jeller aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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