Anderssprachige Gemeinden der Erzdiözese Wien - Teil 6
Heiße Rhythmen, fester Glaube

Afrikanische Liturgie erfasst die ganze Kirche. | Foto: Christopher Erben
3Bilder
  • Afrikanische Liturgie erfasst die ganze Kirche.
  • Foto: Christopher Erben
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Der SONNTAG zeigt in den kommenden Wochen die Buntheit und Vielfalt  der sogenannten anderssprachigen Gemeinden in unserer Erzdiözese.  In der englischsprachigen afrikanischen Gemeinde ist die Messe jedes Mal ein Fest für Augen und Ohren. Nicht zu kurz kommt dabei auch der Glaube.

Mehrere Gemeindebauten aus den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts prägen das Viertel innerhalb des Gürtels. Zwischen zwei Wohnblocks erhebt sich unauffällig die Pfarrkirche „Zur Auferstehung Christi“ in der Siebenbrunnenfeldgasse im fünften Wiener Gemeindebezirk. Sie ist heute auch das Zentrum der englischsprachigen afrikanischen Gemeinde in Wien, die hier jeden Sonntag um 11.15 Uhr die heilige Messe feiert. Über 500 Mitglieder gehören ihr heute an. Seelsorger der Gemeinde ist Father John Njenga Nganga.

„Eine Familie in der Fremde“

Schlagzeug, Trommeln, ein Keyboard sowie Verstärker werden im Inneren der Kirche aufgebaut. Ein Musiker hängt sich eine E-Gitarre. Der vielstimmige Chor stellt sich auf. Die Feier beginnt. Father John Njenga Nganga begrüßt alle, die gekommen sind. Auch überbringt er ihnen Grüße und Wünsche von Weihbischof Franz Scharl. Bis zu 250 Seelen feiern hier jeden Sonntag zur heiligen Messe, freut sich Father John Njenga Nganga. Ein Großteil von ihnen stammen aus Nigeria; nicht wenige haben ihre Wurzeln auch in Kamerun, Ghana oder Gambia.

Singen und Tanzen für Gott

Afrikanische Musik erfasst die gesamte Kirche sowie alle Menschen. Begeistert stehen sie auf; singen und tanzen begeistert mit. Einige klatschen im Takt. Dutzende Hände sind über ihren Köpfen. Je lauter die Musikgruppe auf ihren Instrumenten spielt und die Messe begleitet, umso stimmungsvoller wird es. „Wenn man tanzt, betet man doppelt so viel“, sagt ein Gemeindemitglied später. Gesungen wird nicht nur auf Englisch sondern auch auf Igbo, einer Sprache, die im Südosten Nigerias von bis zu 25 Millionen Menschen gesprochen und verstanden wird. Bei einer heiligen Messe der Gemeinde werde immer viel gesungen, getanzt und geklatscht, erzählt Father John. All das geschehe zur Ehre Gottes. „Auch er würde mit uns tanzen“, lacht er. Lange Feiern sind in der afrikanischen Gemeinde keine Seltenheit. Father John: „Da wir uns nur einmal pro Woche hier sehen, wird jede Zusammenkunft zu einem Fest.“ Auch Wiener schauen öfters vorbei. Von den hinteren Reihen beobachten sie das Geschehen – auch sie beten und singen mit.

Zwischen den Reihen

Father John nimmt das Mikrofon in die Hand. Direkt geht er auf seine Gemeinde zu; wirft Fragen auf, während er zwischen den Reihen auf und ab läuft. „Das tue ich öfters bei meiner Predigt“, gibt er zu. Einige von ihnen reagieren auf seine Worte und antworten unmittelbar auch. Seine Stimme wird ruhiger, als er von Jesus Christus erzählt. Die Gemeinde folgt ihm gespannt. Nach über 20 Minuten steht Father John der Schweiß auf der Stirn. Sichtlich erschöpft kehrt er in den Altarraum zurück. „Heute bin ich verkühlt. Daher musste ich die Predigt etwas kürzer halten.“ Dafür bereite er sich jedes Mal lange vor, erklärt er. Die ersten Ideen sammelt er bereits am Montag, am Samstagabend stellt er die Präsentation fertig.

Kinder sind die Hoffnung

John Njenga Nganga ist Jahrgang 1970 und kommt aus Kenia. Vor über 20 Jahren wurde er in seiner Heimat zum Priester geweiht. Im Jahr 2007 zog er nach Wien. Seither betreut er die Gemeinde in der Siebenbrunnenfeldgasse, von der er nur Gutes berichten kann. „Über 200 Kinder habe ich als Seelsorger getauft“, erzählt er begeistert. Über 60 Kinder zählt er jeden Sonntag in der heilige Messe. Sie seien die Zukunft, so der Priester. „Die Gemeinde wird dann eine für Afrikaner sein, die in Österreich geboren sind.“ Nicht nur Father John ist von der Gemeinde begeistert – auch Weihbischof Scharl. Er schätze sie sehr, weiß Father John. „Auch die Gemeinde freut sich immer, wenn er da ist.“

Großer Zusammenhalt

Alle halten hier zusammen. Jeder sei für jeden da. Father John: „Wir sind eine große Familie in der Fremde.“ Viele Gemeindemitglieder seien bereits seit Jahrzehnten gut in der Gesellschaft integriert. Ihre Kinder wachsen hier auf; besuchen Schulen und Universitäten. Taufen, Hochzeiten und Trauerfeiern – sie sorgen für Abwechslung im Gemeindeleben. Allein im Jahr 2020 werden in der Kirche fünf Paare heiraten, freut sich Father John. Das neue Jahr bringt aber auch Veränderungen für ihn. „Ich übergebe die Gemeinde zu Ostern“, erklärt er, „da ich in der Pfarre Canisius Kaplan werde.“ Der afrikanischen Gemeinde im Fünften kehre er aber nicht den Rücken.

Farbenfrohes Spektakel

Dora fällt heute durch ihren bunten Hut auf. Dessen Farben haben aber keine Bedeutung, erzählt sie. Auch andere Frauen aus der Gemeinde tragen heute eine bunte Kleidung. Dora kommt aus Nigeria und lebt schon seit über 16 Jahren in Wien. „Ich kann aber nicht jeden Sonntag dabei sein“, bedauert Dora, die als Pflegeassistentin arbeitet. „Ich habe oft Dienst.“Christopher Ibegbu, stellvertretender Pfarrgemeinderatsvorsitzender der afrikanischen Gemeinde in der Pfarre „Zur Auferstehung Christi“, kommt jeden Sonntag. Er erzählt, dass jede Messe eine großes Fest ist. Die Gemeinde werde aber laufend größer. Wie heute auch sei die Kirche immer bis auf den letzten Platz voll. Für die Weihnachtsfeier müsse sie etwa auf einen größeren Saal woanders ausweichen, da jener im Gemeindezentrum nebenan zu klein sei. Christopher Ibegbu hofft daher bald auf eine eigene Kirche, um die Raumnot zu lindern.

Ausgelassene Stimmung

Nach mehr als zwei Stunden geht die Messe langsam zu Ende. Die Gläubigen verlassen die Kirche. Im Gemeindezentrum, das sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses befindet, kommen sie erneut zusammen und feiern hier weiter. Für viele ist der Austausch nach der heiligen Messe besonders wichtig. Getränke und afrikanische Spezialitäten warten auf sie. Bis zum Abend bleiben die meisten, da sie aus anderen Stadtbezirken oder aus dem Umland von Wien sind. Aus dem Sprachwirrwarr heraus sind immer wieder wienerische Wörter zu hören, mit denen sich Jugendliche und Kinder wie selbstverständlich austauschen. In der Kirche geht es dagegen viel ruhiger zu. „Der Kinderchor St. Cäcilia probt hier“, flüstert Pfarrgemeinderat Christopher Ibegbu. „Musiker und Chor bereiten sich heute schon auf Weihnachten vor“, erzählt der Pfarrgemeinderat. „Ja, ohne festliche Musik feiern wir nie.“

Autor:

Christopher Erben aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ