Abenteuer Fasten 3: Schweigen in einer lauten Welt
Beim Schweigen auf Gott getroffen

Schweigeexerzitien bedeuten im Schweigen Gott zu begegnen. | Foto: Design Pics
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  • Schweigeexerzitien bedeuten im Schweigen Gott zu begegnen.
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2017 hat Lydia Kasparova Schweigeexerzitien gemacht. 30 Tage sprach sie nur einmal am Tag mit ihrem Exerzitienbegleiter, verzichtete auf Handy, Radio, Fernsehen, Internet, Zeitung und Bücher. „Es war anstrengend und kostete mich viel Kraft und Energie“, sagt sie heute: „Bereut habe ich es trotzdem keine Sekunde.“

Ich stand vor einer großen Lebensentscheidung“, erzählt Lydia Kasparova im Gespräch mit dem SONNTAG: „Schon lange hatte ich darüber nachgedacht, mein Leben ganz Jesus zu weihen, meinen momentanen Beruf als Hebamme aufzugeben. Ob ich das auch wirklich so tun soll – mit dieser Frage bin ich dann sozusagen in die Exerzitien hineingegangen.“

„Schweigeexerzitien sind mehrtägige geistliche Übungen, für die man sich an einen ruhigen Ort zurückzieht“, sagt dazu P. Josef Maureder SJ, der seit vielen Jahren als Exerzitienbegleiter tätig ist. „Sie sollen helfen, sich selbst – und Gott tiefer kennenzulernen und das eigene Leben neu auszurichten. Sie sind ein intensiver spiritueller Weg, manchmal auf eine Entscheidung zu, immer jedenfalls ein Gebetsweg und eine große Gebetsschule.“

Keine Ablenkungen

Geschwiegen wird bei den Schweigeexerzitien tatsächlich den überwiegenden Teil des Tages. Absolute Stille nach außen also, „im Inneren aber tut sich eine Menge“, sagt Lydia Kasparova: „Ich wohnte in einem einfachen Zimmer, nahm einfaches Essen zu mir. Generell herrschte eine Atmosphäre, die es mir von Anfang an leicht machte, mich auf das zu konzentrieren, weshalb ich da war. Ich weiß noch, wie wohltuend es war, in der Stille in mich hineinzuhören. Aber auch wie anstrengend es war, so intensiv ,in mir‘ zu sein“, sagt Lydia Kasparova: „Ich war nach außen hin ganz still und hielt einen inneren Dialog mit Gott. Er sprach zu mir und er wählte die Sprache. Meine Aufgabe war es hinzuhören, offen zu sein, mich darauf einzulassen.“
„Das Schweigen und die Einfachheit des Lebens bei Exerzitien soll helfen, in der Sammlung zu bleiben“, erklärt P. Maureder: „Es ist also mehr, als nicht mit den anderen zu reden. Deshalb gehören auch der Verzicht auf Zeitung, Lektüre, Fernsehen, Radio, Computer und Handy selbstverständlich dazu.“ Ablenkung werde so vermieden und die Kräfte können auf den inneren Weg hin ausgerichtet werden.

Ein Impuls für den Tag

Einmal am Tag wird das Schweigen für ein kurzes Gespräch mit dem Begleiter oder der Begleiterin ausgesetzt. Dabei werden die inneren Bewegungen, die Gefühle und Gedanken mitgeteilt. Die Begleiterin oder der Begleiter versucht dann, mit dem Exerzitanten die Richtung zu erspüren, in die es weitergeht. „Dementsprechend wird demjenigen, der die Exerzitien macht, ein inhaltlicher Hinweis, ein biblischer Text, ein Bild oder eine zu betrachtende Lebenssituation für den nächsten Tag mitgegeben“, erklärt P. Maureder: „Die Exerzitanten meditieren mit diesem inhaltlichen Hinweis drei oder vier Stunden über den Tag verteilt. So entsteht meist auch thematisch ein Weg, der ganz auf die Person in ihrer Situation und mit ihrer Sehnsucht abgestimmt ist.“

Dazwischen gibt es neben den Mahlzeiten viel Raum zum Durchatmen, Spaziergengehen in der Natur und für Sport. „Ich wurde dazu angehalten, jeden Tag hinaus zu gehen“, erzählt Lydia Kasparova: „mich zu bewegen, intensiv, schnell, so dass ich auch einmal ins Schwitzen komme.“ Normalerweise wird einmal am Tag auch gemeinsam die Eucharistie gefeiert. Oft gibt es am Morgen gemeinsam ein Gebet oder Körperübungen zum Einstieg in den Tag.

Großer persönlicher Nutzen

Von Exerzitien spricht man gewöhnlich ab einer Dauer von wenigstens fünf oder sechs Tagen, so P. Maureder. „Normalerweise erstrecken sich solche Schweigeexerzitien über etwa acht oder zehn Tagen. Die ursprüngliche Form der ,Großen Exerzitien‘ des hl. Ignatius hat eine Länge von vier Wochen. Meine Erfahrung ist, dass Personen mit dem ehrlichen Wunsch, sich in die Stille zu begeben, aus solchen Exerzitien großen Nutzen ziehen.“ Wichtig dabei: eine gute geistliche Begleitung. So soll auf diesem Weg des Schweigens und Betens und der intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst und Gott verhindert werden, dass jemand psychisch oder gedanklich in Seitengräben fällt. Besonders zu empfehlen sind solche Exerzitien jenen Personen, die bereits Erfahrung mit dem Beten in einfachem Dasein oder mit Bibelstellen haben. „Gewöhnlich machen diese Exerzitien Personen, die vor einer Lebensentscheidung stehen, einen größeren Lebensabschnitt auswerten oder sich mit Gott auf eine Lebenswende vorbereiten möchten“, erklärt P. Maureder: „Auf der Suche nach Gott zu sein oder vor einer wichtigen Lebensentscheidung zu stehen, die man vor Gott treffen möchte, sind gute Voraussetzungen. “

Für Anfänger kann es sehr sinnvoll sein, zum Einstieg einmal ein Wochenende Kurzexerzitien zu machen. Nicht zu empfehlen sind die Schweigeexerzitien laut P. Josef Maureder SJ für Menschen mit einer labilen psychischen Konstitution oder einer kürzlich erlebten schweren Krise. Auch Menschen, die noch keine Erfahrung mit längerem Schweigen haben, denen Gott oder Glaube nichts sagen, oder die sich aus reiner Abenteuerlust für solche Tage interessieren, muss demnach davon abgeraten werden. „Denn Schweigeexerzitien sind ein Weg im Gebet mit Gott oder Gottes mit uns.“
Exerzitien können zu jeder Zeit des Jahres gemacht werden – die Fastenzeit oder auch der Advent sind aber besonders beliebt „da Tage des Schweigens und der Einkehr in einer intensiven Vorbereitung auf ein großes christliches Fest oft als besonders sinnvoll und hilfreich erlebt werden“.

Lebenslang getragen

Für Lydia Kasparova stand am Ende ihrer Schweigeexerzitien eine Erkenntnis mit der sie tatsächlich so nicht gerechnet hatte: „Wie bei der Geburt eines Kindes wurde nach vielen Wehen etwas geboren. Ich habe mich auf diese Geburtswehen gerne eingelassen. Es gab Momente des Glücks, des Friedens, der Gelassenheit und des Beschenktseins“, sagt die Hebamme: „Im Laufe der zweiten Woche der Exerzitien hat Jesus mich wissen lassen, dass er mich da braucht, wo ich bin. Das war im ersten Moment tatsächlich eine große Enttäuschung für mich. Ich glaube, ich hatte mir das so nicht erwartet.“ Trotzdem oder gerade deswegen ist sie überzeugt davon, dass die Schweigeexerzitien für sie der richtige Weg waren. „Ich habe viel investiert, aber mir wurde auch sehr, sehr viel geschenkt“, sagt sie, „und ich weiß, diese Erfahrung wird mich mein Leben lang tragen.“

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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