Zeit für den Hirtenhund
Eine Karikatur des Humanismus

Foto: David Kassl

Erinnern Sie sich noch an Niko Alm? Vor elf Jahren tauchte der Religionskritiker-Zampano, der es später bis zum Religionssprecher (!) der NEOS in den Nationalrat geschafft hat, mit einem Nudelsieb auf dem Kopf in einer hilflosen Passstelle auf. Dort erklärte er, dies sei eine religiöse Kopfbedeckung der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters. Alm betrieb in Folge nicht nur das „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“, sondern auch die offizielle staatliche Anerkennung der Spaghettimonster-Kirche. 2018 wurde der Antrag in einem von außen betrachtet höchst amüsanten Verfahren am Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Man kann das als kindische Narretei abtun, doch tatsächlich stellen die Konfessionslosen bzw. Agnostiker und Atheisten in Österreich inzwischen die zweitgrößte Gruppe nach den Katholikinnen und Katholiken dar. Sie sind ein Faktor und pochen darauf, gehört zu werden. Mit ihrer Kritik an organisierter Religion, mit ihrer Bastelweltanschauung namens „evolutionärer Humanismus“, mit ihrem Nudelsieb.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil es über 20 Vereine in Österreich gibt, die sich den Atheismus oder anderen religionskritischen -mus auf die Fahnen geheftet haben. Wenn man genauer hinschaut, was ihnen an Religion aufstößt, ist es meist eine Melange aus Katholizismus in seiner barocken österreichischen Art und finanziellen Vorzügen wie der Einhebung eines Kirchenbeitrags. Das ganze schön verpackt in eine Alternativ-Erzählung, in der etwa die 10 Gebote zu 10 Angeboten werden. Darin wird zwar das Ziel der Minimierung des Leidens in der Welt proklamiert, aber im 9. Angebot heißt es: „Genieße dein Leben, denn dir ist höchstwahrscheinlich nur dieses eine gegeben!“ Wie verlockend. Und wie entwaffnend ehrlich. Denn ein Rundruf der ORF-Religionsabteilung unter diesen Vereinen zeigte frappierend auf, wie wenig interessiert sie etwa an Flüchtlingshilfe sind. Zumindest an einer organisierten Form, wie sie Caritas oder die Diakonie aus ihrem christlichen Ethos heraus hochprofessionell betreiben.

Wenn schon die Theorie schwachbrüstig ist, dann ist der erklärte Humanismus eine Frechheit und das ganze Projekt eine Lachnummer wie der Vogel mit dem Nudelsieb. Allein: Ich befürchte, mein Kläffer wird medial verhallen, denn der Anteil an Agnostikern und Atheisten unter den „SONNTAG“-Leserinnen und -Lesern dürfte überschaubar sein …

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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