Ausflugstipp zur Diözesangeschichte
Einst „Priesterquelle“ im Weinviertel

Die 86 Meter breite Westfassade des ehemaligen „Kleinen Seminars“ dominiert noch immer das Zentrum von Hollabrunn. | Foto: Wolfgang Linhart
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  • Die 86 Meter breite Westfassade des ehemaligen „Kleinen Seminars“ dominiert noch immer das Zentrum von Hollabrunn.
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Die Stadt Hollabrunn ist untrennbar mit dem ehemaligen „Knabenseminar der Erzdiözese Wien“ verbunden – immerhin waren einst mehr als ein Drittel der Diözesanpriester der Erzdiözese Zöglinge dieses Hauses.

Die Erzdiözese Wien fasste erst Mitte des 19. Jhs. unter Kardinal Rauscher den Beschluss, zur Förderung des
Klerusnachwuchses ein eigenes Knabenseminar zu gründen. Es wurde 1856 im ehemaligen Karmeliterkloster St. Theobald in Wien VI. eröffnet, wobei die Seminaristen das von den Piaristen geleitete staatliche Gymnasium in der Josefstadt besuchten. – 11 Jahre später ersuchten Vertreter der Gemeinde Oberhollabrunn (heute Hollabrunn) um Verlegung des Knabenseminars, weil das 1865 dort erbaute Gymnasium zu wenige Schüler hatte.

Das Kleine Seminar Hollabrunn
Doch erst im Juli 1880 erfolgte die Grundsteinlegung für den Neubau nach Plänen des Architekten Richard Jordan – die westliche Hauptfront misst 86 m, die Seitentrakte sind 75 m lang. Nach der Übersiedlung wurden Haus und Kapelle am 2. Oktober 1881 von Fürsterzbischof Cölestin Joseph Ganglbauer eingeweiht.
174 Knaben wohnten im Schuljahr 1881/82 im Seminar und besuchten das öffentliche Gymnasium Hollabrunn, wodurch die Schülerzahl dort auf 229 stieg. In der Folge wurden mehrere Priester auch als Professoren am Gymnasium angestellt. Das Haus war für 180 bis 200 Studenten gebaut worden. 1930 wurde die Höchstzahl mit 313 Zöglingen erreicht. Etwa ein Drittel der Seminaristen erreichte die Matura.

Auflösung im Jahr 1938
Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich wurde allen Protesten von Rektor Joseph Ettl und Kardinal Theodor Innitzer zum Trotz das Seminar geschlossen. Das gesamten Inventar musste an die Stadtgemeinde Hollabrunn abgetreten werden, die dort ein Schülerheim einrichtete. Die meisten Seminaristen setzten ihre Schulausbildung jedoch in Wien fort. Ab 1939 wurden Teile des Hauses auch als Kreishaus der NSDAP verwendet.

Neubeginn 1945
Nach dem 2. Weltkrieg war das Seminar von sowjetischen Truppen besetzt. Daher wurden die Zöglinge 1945 zuerst privat in Hollabrunn untergebracht. Im November wurde eine Rückgabe des Süd- und Osttraktes (Schülerheim) erreicht, am 5. Jänner 1946 die Seminarkapelle neu geweiht, woraufhin wieder der Studienbetrieb begann. Ende Juli wurde das gesamte Gebäude zurückgegeben und im September begann das erste Normaljahr mit 93 Zöglingen. In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Seminaristen wieder auf über 200 an.

Das neue Aufbaugymnasium
Nach 1965 begann die Zahl der Zöglinge deutlich zu sinken, weshalb Rektor Dr. Johann Kurz 1972 überlegte, im Seminar ein privates musisch-pädagogisches Realgymnasium zu etablieren. 1973 wurde allerdings die Errichtung eines privaten Aufbaugymnasiums beschlossen und der damalige Religionsprofessor Dr. Hans Groër (einst selbst hier Zögling) zum Leiter bestimmt.
1974 begann der Schulbetrieb mit 21 Schülern und 7 Schülerinnen. Jetzt konnten auch 14-Jährige und Spätberufene in das Seminar eintreten. Die Zahl der Seminaristen blieb nach der Gründung des Aufbaugymnasiums noch einige Jahre konstant, ging dann aber beständig zurück. Bis zur Auflösung des Knabenseminars haben ziemlich genau zwei Drittel der Seminaristen am Aufbaugymnasium und ein Drittel am Bundesgymnasium maturiert – unter ihnen Promis wie der Politiker Engelbert Dollfuß ebenso wie der selige Prämonstratenser-Chorherr Jakob Kern, der Eisenstädter Bischof Stephan László, der Grazer Bischof Joseph Schoiswohl, die Weihbischöfe Franz Jachym und Florian Kuntner, die Äbte Georg Wilfinger (Melk) und Columban Luser (Göttweig), Univ.Prof. Michael Pfliegler u.v.a.m. .

Auflösung des Knabenseminars
Da die Anzahl der Seminaristen auf unter 50 fiel und vor allem in die erste Klasse weniger als fünf Studenten eintraten, wurde das Knabenseminar Hollabrunn mit Ende des Schuljahres 1991/92 unter der Leitung von Rektor Franz Grabenwöger (1986 bis 1992) schweren Herzens aufgelöst. Das Aufbaugymnasium Hollabrunn blieb im Gebäude. Ab dem Schuljahr 1998/99 wurde es Erzbischöfliches Realgymnasium und Aufbaugymnasium Hollabrunn.
In der Folge wurden viele Zwischenlösungen für eine weitere Nutzung des Gebäudekomplexes überlegt: Hier war etwa das Afro-Asiatische-Institut ebenso eingemietet wie eine Krankenpflegeschule, das Katholische Bildungswerk oder die Regionaljugendstelle. Und unter der Leitung der Caritas wurden auch zahlreiche Kriegsflüchtlinge übergangsweise einquartiert, was aber oft zu großen Spannungen führte.

  1. Seit dem Schuljahr 2004/05 teilen sich nun die Handelsakademie Hollabrunn und das Real- und Aufbaugymnasium mit insgesamt fast 1000 Schülerinnen und Schülern das rund 11.000 m2 große Gebäude. Siehe www.ebgymhollabrunn.ac.at
Autor:

Wolfgang Linhart aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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