Gemüsebauer Erich Stekovics
„Eine gute Paradeis hat nichts mit einer Tomate zu tun“

Erich Stekovics hat sich mit dem Anbau von Paradeisern einen Namen gemacht. | Foto: Stekovics privat
2Bilder
  • Erich Stekovics hat sich mit dem Anbau von Paradeisern einen Namen gemacht.
  • Foto: Stekovics privat
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Erich Stekovics führt im burgenländischen Frauenkirchen das „Paradies der Paradeiser“. Der Biolandwirt und „Schöpfungsbewahrer“ ist vom Glauben geprägt, auch wenn er sein Theologiestudium nie abgeschlossen hat.

Ich reise mit der Bahn nach Frauenkirchen. Fünf Minuten vom Bahnhof entfernt betreiben Erich und Priska Stekovics eine Biolandwirtschaft. Es ist am Morgen und es gibt viel zu tun. Die Ernten der Vortage gilt es zu verarbeiten, daher riecht es verführerisch aus der Küche am „Schäferhof 13“. „Heute machen wir wieder Ketchup und Chutney“, erläutert Erich Stekovics, Proponent der „Slow-Food-Bewegung“, die ein Augenmerk darauf legt, wie und womit wir uns ernähren. Er macht was er bereits von seinen Eltern mitbekommen hat. Diese flüchteten am Ende des Zweiten Weltkriegs aus Serbien. Mit dem Anbau von Paprika, Chilli und Tomaten versorgten sie hier die Verwandtschaft. Erich wächst mit sechs Geschwistern auf. Nach der Volks- und Hauptschule kommt er nach Eisenstadt in das Gymnasium der Diözese. Nach der Matura geht es nach Wien zum Theologiestudium. In diese Zeit fallen kirchliche Konflikte durch die Bischofsernennungen Krenn und Groër. „Das hat mich nachdenklich gemacht und vieles hinterfragen lassen“, nennt Stekovics den Beweggrund, sein Studium nicht abzuschließen. Seinem Glauben tut dies keinen Abbruch: „Ich mache in einem Altenpflegeheim der Diakonie alle drei Wochen Wortgottesdienste.“

Stekovics ist Fan von Papst Franziskus. In der Umweltenzyklika „Laudato si“ findet sich der Paradeiser-Experte gut eingebettet, ist ihm doch die Schöpfungsverantwortung ein wesentliches Anliegen, wie er dem SONNTAG erläutert: „Mir ist Vielfalt wichtig. Wenn man bedenkt, dass es weltweit 300.000 verschiedene Sorten an Paradeisern gibt und sich die Welt mit wenigen Hybridsorten die Tische deckt. Da geht es auch befreiungstheologisch um ganz viel. Den Kampf gegen große Saatgutfirmen, die 80 Prozent des Weltmarktes in ihren Händen haben.“

Wie sind Sie selber zum Biolandwirt geworden?

Nach meinem Theologiestudium machte ich Zivildienst. Ich hatte das Glück, ein Jahr lang Chemopatienten zu Strahlentherapien begleiten zu dürfen. Da gab es viele Gespräche. Oft fiel der Satz: „Wenn ich gewusst hätte, dass ich Krebs bekomme, hätte ich vieles in meinem Leben anders gemacht.“ Auf die Frage, was: „Ich hätte viel mehr Zeit in der Natur verbringen sollen.“

Hat Sie das nachdenklich gemacht?
Ja, ich habe mir dann hypothetisch die Frage gestellt: Was würde ich tun angesichts einer ähnlichen Diagnose? Ich bin auf dieselbe Antwort gekommen. Das war für mich dann der Punkt, Landwirt zu werden. Mein Vater hatte schon mehr als 20 Jahre den Betrieb stillgelegt, da war nichts mehr da. Mit einem Cousin haben wir dann ein Viertel Hektar Grund gekauft und Flächen gepachtet in der Größe von acht Hektar. Als Theologe habe ich mir den Satz aus dem Alten Testament mitgenommen: „Fürchte dich nicht, bei all dem was du vorhast.“

Wie gelingt es, angstfrei zu agieren?
Es tut gut, zu wissen, dass da jemand ist, der mit dir geht. Das heißt aber nicht immer, dass man erfolgreich diese Schritte tun darf und tun muss, sondern man lernt ja auch von Dingen, an denen man scheitert.

Sie haben mit den Anbau von Paprika und Chillis begonnen?
Das war mir vertraut. Ich habe auch sehr schnell die Zusammenarbeit mit dem Verein „Arche Noah“ gefunden. Es geht um das Schützen und Bewahren alten Saatguts. Einen Beitrag für die Vielfalt zu leisten.

Sie haben sich mit dem Anbau von Paradeisern einen Namen gemacht. Was fasziniert Sie an diesem Gemüse?
In alten Gesangsbüchern heißt es nicht Paradies, sondern Paradeis. Nachdem Christoph Kolumbus diese Frucht nach Europa gebracht hat und man nicht gewusst hat, von wo sie herkommt, hat man vermutet, sie sei vom Himmel gefallen, vom Paradies. Deshalb hat man zu diesen Früchten auch Paradeiser gesagt. Die ursprünglichere Bezeichnung ist aber Tomatl und bedeutet Beutelfrucht. Die kommt von den Azteken und Mayas.

Sind Sie verstimmt, wenn jemand Tomate sagt?
Nein, ich verwende abwechselnd das Wort Paradeiser und Tomate. Wobei es schon einen Unterschied gibt. Eine Paradeis schmeckt niemals nach Tomate und eine Tomate niemals nach Paradeis. Um den Unterschied muss man wissen, den muss man auch kennen. Das heißt, eine gute Paradeis hat nichts mit einer Tomate zu tun.

Bei den ersten Pflanzungen haben Sie Anleitung bei der Bibel genommen?

Ich habe ein Feld angepflanzt mit 400 Maulbeerbäumen. Für mich der biblischste Baum aus dem Evangelium, wo Zachäus auf einem Maul-beerbaum sitzt und Jesus sagt: „Komm herunter, noch heute möchte ich bei dir zu Gast sein“. Diese Erzählung hat für mich deutlich gemacht: Wo wir von Jesus berührt werden und er uns begegnet, hinterlässt das tiefe und unauslöschliche Spuren.

Sie haben eine spezielle Systematik im Umgang mit Ihren Paradeisern?
Kabarettist Roland Düringer hat gesagt: „Es ist nicht wichtig, was wir aus unserem Garten machen. Wichtig ist, was der Garten mit uns und aus uns macht.“ Als Gärtner hat man einfach die Aufgabe, Pflanzen so sein zu lassen, wie sie sind.

Sie lassen sie am Feld heranwachsen und gießen sie nicht. Wieso funktioniert das?
Die Pflanze hat unglaubliches Potenzial. Sie schafft es, innerhalb kürzester Zeit eine Länge von 800 Metern Wurzeln zu entwickeln und auf eine Tiefe von zweieinhalb Meter zu gehen. Wenn man sie nicht gießt, entwickelt sie dieses Wurzelgeflecht

Ihnen ist die Herkunft der Lebensmittel sehr wichtig. Können Sie das auf allen Ebenen durchziehen?
Ja, wir sind daher Selbstversorger. Wir haben Schweine, Enten, Hühner und Gänse. Und wir haben Freunde, die Biolämmer und Rinder züchten.

Worauf kommt es bei guten Lebensmitteln an?

Das Wichtigste sind gutes Brot, Milch, Butter, Erdäpfel und Eier. Genau diese fünf Lebensmittel sollte man wirklich sehr kritisch kaufen.

Was macht der Konsument, was soll er tun?
Der Konsument geht um 19.45 Uhr ins Geschäft und möchte dort noch eine volle Budel Gebäck haben. Das bietet ihm der Supermarkt auch. Mit dem Ergebnis, dass das alles aufgebacken ist und nach 20 Uhr entsorgt wird. Es ist unglaublich, wie wir mit Lebensmitteln umgehen und welche Lebensmittel wir letztlich kaufen.

Vielleicht kann es sich nicht jeder leisten, darauf zu achten?

Man bekommt tolles Gemüse zu einem guten und fairen Preis. Wenn man das kauft, braucht man nicht Unmengen. Am Land hat jeder die Möglichkeit, selber Obst und Gemüse im Garten anzubauen. Ich habe die Hoffnung, dass der Swimming-Pool der heutigen Zeit abgelöst wird durch ein Hochbeet, in dem Obst und Gemüse wachsen.

Erich Stekovics hat sich mit dem Anbau von Paradeisern einen Namen gemacht. | Foto: Stekovics privat
Erich Stekovics: „Es ist unglaublich, wie wir mit Lebensmitteln umgehen und welche wir letztlich kaufen.“ | Foto: Stekovics privat
Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ