Heinz Janisch im Interview
Sehnsucht nach dem Du

Der österreichische Kinderbuchautor Heinz Janisch | Foto: Brigitte Friedrich
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Manchmal ist Dichten wie Beten. Und manchmal sind Gebete Gedichte – die Übergänge sind fließend: Ein Gespräch mit Heinz Janisch, der in „Immer mal wieder zum Himmel schauen“ erstmals Gebete für Kinder veröffentlicht hat.

Warum schreiben Sie Gedichte?
Heinz Janisch: „Etwas auf den Punkt bringen“ heißt im Englischen „just put it into a nut-shell“ – „Leg es in eine Nussschale.“ Für mich sind Gedichte kleine Nussschalen, in denen etwas Kleines, Feines, Hochkonzentriertes zu finden ist. Die Essenz von etwas. Ein Mädchen hat einmal zu mir gesagt: „Ich weiß, warum da so wenig steht! Damit ich viel Platz zum Nachdenken hab.“ Darum geht es. Gedichte sind ein Angebot. Sie tippen etwas an, einen Gedanken, ein Gefühl, eine Stimmung. Und dazu kann man sich verhalten – jeder auf seine Weise….

Lesen Sie auch selbst gern Gedichte?
Janisch: Ich schreibe gern Gedichte – und ich lese sie gern. Weil sie immer einen Raum aufmachen und ihn nicht vollschreiben… Ein Gedicht lesen, das Buch zumachen und mit dem Gedicht im Kopf spazieren gehen, das ist das Schönste.

Jetzt haben Sie Gebete für Kinder geschrieben. Wie kam es dazu?
Janisch: Ich wurde von der Herausgeberin eingeladen, und ich habe gesagt, ich schicke gerne Gedichte. Ob man sie Gebete nennen kann, das weiß ich nicht. Es sind Sehnsuchtstexte. Sie haben Sehnsucht nach einem großen Du.

Andreas Gryphius hat gesagt, dass „Poesie nichts anderes als eine verborgene Theologie“ sei. Wo hört dichten auf, wo fängt beten an – und umgekehrt?
Janisch: „Poesie ist eine verborgene Theologie“ – das ist ein schöner Satz. Beten ist wie ein Urschrei, ein stilles Gefühl der Dankbarkeit – ein Gebet hat viele Formen, so wie ein Gedicht. Ich weiß die Unterschiede gar nicht.

Ist es einfacher, danach zu fragen, was Gedichte und Gebete verbindet?
Janisch: Vielleicht ist es immer die Hinwendung an ein Du, das Gedichte und Gebete verbindet.

Beten Sie?
Janisch: Ich sitze gern in leeren Kirchen und formuliere Wünsche, Ängste, Dankesworte – lautlos, in mir. Das ist meine Art des Betens. So wie man eine Kerze anzündet. 

In Ihren Gedichten beten Käfer, Katzen stellen sich vor, die Kirche zu füllen… Beten und Fantasie, wie geht das zusammen?
Janisch:
Alle Lebewesen haben die tiefe Sehnsucht nach einem guten Leben. Und dass ein Schnurren mich oft mehr beruhigt als laute Worte, das versteht jeder, der Katzen mag. Für Fantasie sollte immer Platz sein. Ein Kirchenraum, erfüllt von Schnurren, oder auch erfüllt von Stille – das ist eine schöne Vorstellung. Da kommen Worte nicht hin. Am ehesten noch die Musik.

In einem Ihrer Gedicht-Gebete spricht Gott sein Abendgebet in der Form des Abendrots. Wie kommen Sie auf die Idee?
Janisch: Ich stelle mir Gott manchmal müde und erschöpft vor. Dann betet er. Vielleicht zu einem Teil in ihm, der noch voller Zuversicht ist.

Wie stellen Sie sich Gott noch vor?
Janisch: Ich sehe Gott als ein Du, das in einem Baum, einer Katze oder in einem Menschen spürbar werden kann.

Wie halten Sie „das Kind in sich“ so lebendig, dass Sie aus der kindlichen Perspektive schreiben und dichten können?
Janisch: „Man muss die Tür zu seiner Kindheit immer einen Spalt offen lassen“, hat Christine Nöstlinger einmal gesagt. Das versuche ich – ich habe starke Erinnerungen an meine eigene Kindheit, ich bin gern Vater und genieße es, eine Tochter und einen Sohn zu haben, es gibt viele Gespräche mit Kindern bei Lesungen.
Ich mag die Neugier der Kinder und versuche, sie mir zu bewahren. Das Schreiben hilft dabei.
Wer schreibt, ist neugierig aufs Leben.

Zur Person: 
Heinz Janisch ist seit 1982 Redakteur beim Österreichischen Rundfunk (Ö1), u.a. für die Porträt-Reihe „Menschenbilder“. Er ist Autor zahlreicher (Kinder-)Bücher, die in mehr als zwölf Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet wurden, u.a. mit dem Österreichischen Staatspreis für Kinderlyrik, dem Österreichischen Kunstpreis (Kinder- und Jugendliteratur), dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis und dem Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur.

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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