P. Markus Inamas neues Buch
Ein Leben lang unterwegs

P. Markus Inama SJ mit Straßenkindern in Bulgarien.  | Foto: Concordia Sozialprojekte
  • P. Markus Inama SJ mit Straßenkindern in Bulgarien.
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Er war als „Sunnyboy“ bekannt, sein Lebensweg führte ihn über eine Model-Laufbahn und eine abenteuerliche USA-Reise schließlich in den Jesuitenorden – und in die Arbeit mit Obdachlosen und Straßenkindern: P. Markus Inama.

Ihr Weg in den Orden liest sich ein wenig wie aus einem Film… vom Model zum USA-Reisenden, der nach der Rückkehr radikal sein Leben ändert, Sozialarbeiter wird und schließlich den Weg in den Jesuitenorden findet...
P. Markus Inama: Dieser Schnitt war wichtig für mich, auch wenn ich mich in der Rückschau manchmal frage, ob er wirklich so krass hätte sein müssen – meine Lieblingsmusik nicht mehr zu hören, meine schönste Kleidung zu verschenken... Aber diese äußeren Zeichen waren wichtig für mich.

Eine USA-Reise ist nicht der Klassiker für ein Berufungserlebnis. Was war der Auslöser, dass Sie Ihr Leben so radikal geändert haben?
Inama: Die USA waren für mich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, ich wollte einfach von Zuhause weg. Schnell wurde mir klar, dass ich allein für den Verlauf der Reise verantwortlich war. Diese Erfahrung war prägend – einfach unterwegs zu sein, auch die Schattenseiten einer Großstadt wie San Francisco kennenzulernen. Ich habe angefangen, in der Bibel zu lesen, die mir ein Mesner geschenkt hatte. Es waren für mich vertraute Geschichten in einer fremden Welt. In der Bibel ist viel von Menschen die Rede, die die Heimat verlassen, unterwegs sind. Ich fand Ermutigung und Zuversicht darin. Das habe ich nach meiner Rückkehr auch weiter durchgezogen, ich wollte dranbleiben. Die Sehnsucht nach dem einfachen Leben blieb.

Wie ging es dann weiter, zurück in Vorarlberg?
Inama: Daheim habe ich einen Steyler Missionar getroffen, einen super Typ. Er war sehr wichtig für mich. Da war die Vorstellung von einem Ordensleben schon da – sehr zart, aber sie war da. Ich hing dann ein Jahr in der Luft, habe verschiedene Jobs angefangen, begann, Theologie zu studieren und habe es wieder gelassen… Für meine Eltern war es sicher nicht einfach, einen 21jährigen daheim zu haben, der nicht weiß, was er will. Aber dann habe ich gespürt, die Obdachlosenarbeit spricht eine Sehnsucht in mir an, das liegt mir.

Was raten Sie jungen Menschen, die heute in einer ähnlichen Situation sind?
Inama: Das Wichtigste – aber auch Schwierigste – ist, der Sehnsucht Raum zu geben und ihr auf den Grund zu gehen, z.B.: Was bedeutet die Sehnsucht nach Freiheit wirklich? Dafür braucht es Geduld, man darf sich ausprobieren und wissen, dass auch mal etwas scheitern darf. Wichtig ist, gute Begleiter/innen zu haben, die bei der Gratwanderung helfen, wenn man sich fragt: Wo brauchen mich andere, was brauche ich?
Sich von der Not anderer ansprechen zu lassen und die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, hat etwas Befreiendes. Man kann es in einem Volontariat ausprobieren. Allein der Wechsel des Standorts kann die eigene Meinung bedeutend verändern.

„Mehr Nähe zu dir, mehr Distanz zum Betrieb“ –das hat Ihnen Ihr Begleiter bei der Entscheidungsfindung geraten. Begleitet Sie das immer noch?
Inama: Ja sicher. Diesen Rat gab er mir, als ich in der Obdachlosenarbeit rund um die Uhr voll gefordert war und an meine Grenzen kam. Zu spüren, dass meine Kräfte nicht unendlich sind, war eine wichtige Erfahrung. Ich hätte sonst wohl nicht gelernt, auf mich zu achten. Durch geistliche Begleitung und Coaching aus dem Kreisen um mich selbst herauszukommen, ist mir sehr wichtig. Die Kommunität, in der ich lebe und das geistliche Leben geben mir Halt. Es ist eine Struktur, die mich leben lässt. Ich mag es auch, Dinge beim Wandern zu verarbeiten. Freunde sind auch wichtig – im Orden, aber nicht nur dort!

Geht Ihnen die Sozialarbeit nicht ab?
Inama: Doch, sie geht mir sehr ab. Aber ich bin auch Realist – sie hat mich sehr gefordert und ich sehne mich nicht nach Überforderung. Aber wenn es die Möglichkeit gäbe, würde ich es schon noch einmal wagen. In Bulgarien bin ich immer wieder für ein paar Wochen, da ist auch viel Begegnung möglich.

Zur Person: Der gebürtige Vorarlberger Markus Inama leitete als junger Erwachsener ein Obdachlosenheim in Wien, trat bei den Jesuiten ein, war in der Jugendarbeit tätig und arbeitete für die Hilfsorganisation Concordia Sozialprojekte in Bulgarien mit Straßenkindern, deren Vorstandsmitglied er seit 2009 ist. Seit 2018 ist er Superior der Wiener Jesuiten.

Sein Buch „Einen Atemzug über mich hinaus“ ist im Tyrolia Verlag erschienen. 

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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