Familie
Zwischen Leid und Zuversicht

Unsere Psyche hat ein fragiles Gleichgewicht.  Die Coronapandemie fordert uns heraus Hoffnung und Zuversicht in jeder Situation zu entdecken.           	   | Foto: RB/ReeldealHD/shutterstock.com
  • Unsere Psyche hat ein fragiles Gleichgewicht. Die Coronapandemie fordert uns heraus Hoffnung und Zuversicht in jeder Situation zu entdecken.
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Die Krise belastet die Psyche. Beratende und Seelsorger und Seelsorgerinnen mühen sich, das Ausmaß der seelischen Folgen zu erfassen und Betroffenen zu helfen. Doris Lindner von der Partner- und Familienberatung spricht über ihre Erfahrungen der letzten zwei Jahre.

von David C. Pernkopf

RB: Zwei Jahre Pandemie. Wie lässt sich diese Zeit für die Familienberaterin zusammenfassen?
Doris Lindner: Der Terminkalender wird immer voller, aber der Leidensdruck der Menschen nicht weniger. Die Coronadebatte auch rund um die Impfung belastet die Familienmitglieder. Corona und die Impfpflicht spalten leider auch Familien.

Wir haben sehr viel zu tun. Die ständig wechselnden Maßnahmen sind schon anstrengend – für die Beraterinnen und für unser Klientel. Wir müssen uns alle auf die schnellen Veränderungen einstellen und darauf reagieren. Mit Mundschutz beraten ist eine Herausforderung, weil das Gesicht und die Mimik nicht sichtbar sind. Die Verwendung neuer Medien ist eine positive Entwicklung, weil wir so mehr Jugendliche ansprechen können, die Niederschwelligkeit ist damit noch größer. Die Videoberatung läuft speziell datengeschützt über www.antworten.at, da können wir sehr offen miteinander reden. Den Jugendlichen ist das online lieber; oft im Gegensatz zur älteren Generation.

RB: Was hat Sie in diesen zwei Jahren am meisten berührt?
Lindner: Am meisten berührt hat mich der Umgang der Menschen mit ihrer Einsamkeit. Manche haben mit ihren Kuscheltieren zu sprechen begonnen; andere Alleinstehende blieben den ganzen Tag im Bett liegen.

RB: Die Covidkrise wirkt komplexer als Tschernobyl, sagte eine deutsche Psychiaterin. Können Sie den Satz nachvollziehen?
Lindner: Ja, das kann ich. Die wirklichen Auffälligkeiten sehen wir erst jetzt nach zwei Jahren. Nicht nur die individuellen, sondern auch die gesellschaftlichen Folgen sind sehr komplex, wie wir am Beispiel der Impfdebatte sehen konnten. Bei anderen singulären krisenhaften Ereignissen kommen Menschen schneller wieder auf die Beine. Eine lang andauernde Krise ist ein steter Tropfen, der den Stein aushöhlt. Sicherheit und Grundvertrauen sind schwer aufzubauen, weil immer wieder neue Belastungen hinzukommen.

RB: Welche Gruppe meldet sich am häufigsten? Gibt es die Generation Corona?

Lindner: Das ist schwer zu sagen, aber es gibt eine Tendenz in Richtung Jugendlicher und Kinder. Dann alleinstehende Menschen.

So viel Jugendliche wie jetzt hatten wir noch nie in der Beratung. Ja, vielleicht gibt es eine Generation Corona.
Sie sind in der Pubertät und da müssten sie sich von ihrer Familie loslösen und mehr mit Gleichaltrigen zusammen sein. Dieser Schritt bleibt aus oder ist schwieriger. Das wirkt sich auf die Identitätsentwicklung aus. Die Pandemie erschwert das gesunde Loslösen vom Elternhaus.

RB: Wie unterscheiden sich die Bedürfnisse von jungen und alten Menschen?
Lindner: Das Bedürfnis nach sozialem Kontakt ist bei allen wichtig. Ob es Alleinstehende sind oder Paare, Jugendliche oder Familien. Jugendliche leiden, weil der immense Druck durch Schulschließungen und Homeschooling bewältigt werden muss. Isolation und zu hohe Selbstverantwortung bringen Jugendliche in die Krise. Ich hatte noch nie so viele Burnout gefährdete Jugendliche in der Beratung. Alle sagen, dass sie überfordert sind. Auch suizidale Gedanken mischen sich da hinein.

RB: Was raten Sie Familien für eine seelische Gesundheit und Ausgeglichenheit?
Lindner: Vorerst empfehle ich ein Medienfasten. Neue Medien sind Energieräuber. Dann sind es einfache Dinge, wie am Abend baden gehen oder einen Spaziergang machen. Menschen sind oft so überfordert, dass sie die kleinen Dinge nicht mehr sehen. Ich rate dazu, kleine Entspannungsinseln bewusst zu suchen, von der Kaffeepause bis zum Sonnenbad. Familien können bewusster miteinander leben, um krisenfester zu werden: das können ein Spieleabend oder Miteinander-Kochen sein. Eltern können Gesprächsangebote setzen und Verständnis für die konkreten Probleme zeigen. Und dabei: Pause vom Handy und Fernsehen machen. Und wenn das nicht ausreicht, kann jede und jeder sich konkrete Unterstützung in der Beratung holen.

Partner- und Familienberatung: in Salzburg, St. Johann/Pg., St. Michael, Tamsweg, Zell am See, Wörgl. Telefonische Terminvereinbarung: 0662/8047-6700
Onlineberatung:www.familienberatung-sbg.at

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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