Im Gespräch mit Hans-Peter Premur
Was Menschen bewegt, bewegt die Kirche

Foto: premur

Seit Kurzem ist der Hochschulseelsorger und Pfarrer von Krumpendorf, Hans-Peter Premur, Bischofsvikar für Schöpfungsverantwortung, Migration und interreligiösen Dialog. Ein Gespräch über die Zukunftsthemen der Menschheit von Gerald Heschl:

Sie sind seit Kurzem Bischofsvikar für Nachhaltigkeit, Migration und interreligiösen Dialog. Drei Themen mit einer enormen Bandbreite, die wesentlich für die Zukunft der Menschheit und der Erde sind. Freuen Sie sich über diese Bestellung?
Premur: Ja, ich freue mich. Denn die Kirche hat in Kärnten den Mut, diese Themen nach vorne zu stellen. Ich würde mich auch freuen, wenn das jemand anderer geworden wäre. Es sind Themen, die mein Leben schon lange bewegen. Schon als 17-Jähriger habe ich mich gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf engagiert.

Sie setzen sich als Priester für Flüchtlinge ein, für die Bewahrung der Schöpfung, und das gemeinsam mit Vertretern anderer Religionen. Gibt es dafür Vorbilder oder Wegbegleiter?
Premur: Es gibt viele spirituelle Menschen, die sich für eine Änderung der Gesellschaft und ein lebenswertes Leben für die Menschen einsetzen. Sehr prägend war für mich Ivan Illich. Er war ein US-amerikanisch-österreichischer Priester, der sich in der Obdachlosenhilfe engagierte und schon Ende der 70er-Jahre auf die Grenzen des Wachstums aufmerksam machte. Sein öffentliches Auftreten gegen Ungerechtigkeiten, gegen Ausbeutung und für die Armen hat mich tief beeindruckt und geprägt.

Ihre Themen sind enorm politisch. Da stellt sich die Frage: Was hat die Kirche mit Politik zu tun?
Premur: Ich bin froh, dass sich Kirche und Staat so weit voneinander getrennt haben, wie dies derzeit der Fall ist. Die Kirche sollte sich nicht in Parteipolitik einmischen und auch nicht an der Macht im Staat teilhaben. Insofern ist die Kirche eine NGO (Nicht-Regierungs-Organisation). Sie hat aber einen vehement gesellschaftspolitischen Auftrag. Dieser führt natürlich auch in aktuelle politische Bereiche hinein.

Macht Ihnen die Kirche genug auf gesellschaftspolitischer Ebene oder braucht es einen Bischofsvikar, damit mehr passiert?
Premur: Die Kirche hat sich auf dem Gebiet der Schöpfungsverantwortung schon sehr früh engagiert. Das sind ureigene Themen der Kirche. Da geht es nicht nur um Umweltschutz, sondern auch um die Frage des Friedens und des Zusammenlebens von uns Menschen. Alle diese Themen sind deshalb schon Themen der Kirche, weil es Überlebensfragen der Menschen sind. Und was wäre eine Kirche, die sich nicht um die Themen der Menschen sorgt?

Wird die Kirche in der Gesellschaft genug wahrgenommen?
Premur: Die Kirche wird durch Papst Franziskus ganz massiv wahrgenommen. Ich frage mich ja, ob die Wirkung von Papst Franziskus nicht außerhalb der Kirche noch größer ist. Seine Enzykliken waren für viele Menschen eine enorme Unterstützung. Er hat auch innerkirchlich vielen Mut gemacht, die früher als Visionäre oder gar Spinner abgetan wurden.

Innerkirchlich gibt es auch Kritik, die Kirche bewege sich mit diesen Themen in eine Sackgasse. Was sagen Sie dazu?
Premur: Es gibt ehrliche, fromme, tiefgläubige Menschen, die mit dieser ökologischen Wende Schwierigkeiten haben und darüber spötteln. Der Papst sieht das auch und meint, es fehle ihnen die tiefere Einsicht in die Zusammenhänge. Man muss auch sagen, dass viele vor einer Umkehr Angst haben, weil das nie einfach ist.

Einen wesentlichen Impuls setzte die Bewegung „Fridays for future“. Wie stehen Sie dazu?
Premur: Was die jungen Leute da geleistet haben war mehr, als viele andere in Kongressen und Sitzungen geschafft haben. Das Thema ist tief eingedrungen bei den Menschen. Die jungen Menschen haben es in ihre Familien getragen und ein enormes Umdenken geschaffen. Aber ich bin überzeugt, dass es trotz Corona noch weitergehen wird. Das sind die Themen der jungen Menschen und damit der Zukunft.

Sie sind auch zuständig für den interreligiösen Dialog. Wie wichtig ist der Dialog, die Kooperation für Sie persönlich?
Premur: Mir ist es wichtig, dass die Kirche Allianzen bildet und Beziehungen herstellt. Erst, wenn ein schönes Geflecht entsteht, können Dinge weiterentwickelt werden. Dabei ist mir die Verbindung mit anderen Konfessionen und Religionen ganz wichtig. Wenn wir als Kirche tiefer in die Gesellschaft wirken wollen, brauchen wir eine enge Kooperation mit allen Menschen guten Willens. Eine, die auf dem Gebiet so viel geleistet hat, ist Sr. Andreas aus dem Kloster Wernberg. Ohne sie wäre vieles in diesem Land nicht passiert.

Mit ihr gemeinsam arbeiten Sie auch viel im Bereich Migration. Ein schwieriges, neues Thema?
Premur: Hier in Krumpendorf ist das gar kein neues Thema, denn wir arbeiten seit dem Jahr 2000 mit Menschen aus dem Flüchtlingsheim. Wir haben damals die Gruppe „Lust auf Gerechtigkeit“ gegründet, die sich für Menschen einsetzt, die sozial benachteiligt sind. Wir haben sogar den Menschenrechtspreis des Landes erhalten und sind inzwischen über Krumpendorf hinausgewachsen. In der Diözese gibt es den Arbeitskreis „Kirchen und Migration“, wo ebenfalls sehr viel für dieses Thema gearbeitet wird.

Wie nehmen Sie die Diskussion rund um die Aufnahme von Menschen aus Lesbos wahr?
Premur: Der Besuch von Bischof Glettler im Flüchtlingslager auf Lesbos war extrem wichtig, und ich unterstütze seine Forderung nach Aufnahme von Flüchtlingen sehr. Die Kirche kann nicht mehr schweigen. Dort herrschen Zustände, die mit unserem christlichen Gewissen unvereinbar sind. Wir haben gerade Weihnachten gefeiert. Wir lesen das Evangelium mit der Stelle der Herbergssuche, und auf einmal wird dieses Evangelium durch Lesbos aktuell. Es ist, als ob Gott durch die Zeiten hindurch ganz direkt zu uns spricht.

Ein Schlüsseljahr war 2015: Wieso kam nach der enormen Hilfsbereitschaft dieser Wandel?
Premur: Wir haben schon Jahre zuvor gesehen, was sich im Nahen Osten tut. Aber die Politik hat sehenden Auges gewartet, bis der Crash kommt. Dann wurden noch die Hilfsgelder gekürzt – mit dem Ergebnis, dass die Folgen ungleich teurer waren und sind. Dies haben manche genutzt, um politisches Kleingeld zu machen. Leider ist ihnen gelungen, die Gesellschaft zu spalten. Dieser Spalt ging teilweise durch Familien.

Was ist Ihr Wunsch für 2021?
Premur: Wir erleben derzeit eine Politik der Versäumnisse. Das sieht man bei Corona, bei der Flüchtlingsdebatte und in der Klimapolitik. Wir wissen, was auf uns zukommt und tun viel zu wenig. Ich hege trotz allem die Hoffnung, dass wir vielleicht jetzt endlich etwas lernen.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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