Momente zum Aufatmen

Foto: Foto: Rosel Eckstein/Pixelio.de
2Bilder

Sie überlegen noch, welche kurzweilige und dennoch sinnvolle Lektüre Ihre verbleibenden Sommertage bereichern könnte? Dieses Buch könnte die wesentlichen Anforderungen erfüllen.
von Georg Haab

In 60 knappen „Momentaufnahmen“ erzählt der Benediktiner Bernhard A. Eckerstorfer vom Stift Kremsmünster aus der Betriebsamkeit seines Lebens. So berichtet er von der berührenden Begegnung mit einem Sterbenden, vom zufälligen Zusammentreffen mit den Stammkunden des Bahnhofsbis-tros, die ihm sympathischer waren als zunächst gedacht, genauso wie vom Melonenessen mit dem Straßenverkäufer am Strand in der Nähe Roms.

Zugleich gibt der Ordensmann, zurzeit Rektor der internationalen Hochschule des Benediktinerordens in Rom, Einblicke in sein tägliches Leben: seinen Umgang mit Stress und Erschöpfung, den Tagesablauf als Benediktiner und Fragen des Glaubens, die ihn beschäftigen. Seine Ausführungen sind lebensnah, authentisch und humorvoll.

Hier eine kurze Kostprobe mit dem Titel:

Audienz für die Gedanken
Ich kann mich gut erinnern, als Frater Walter von einer Fahrt mit einem älteren Mitbruder zum Arzt nach Hause kam, bei mir an die Zimmertür klopfte und rief: „Weißt du, dass wir einen Wüstenvater bei uns haben?“ Mir war klar, was er mir sagen wollte: Ein Mitbruder hat einen Ausspruch gemacht, der den Sätzen der früheren Mönche ähnlich ist, mit denen ich mich so gerne beschäftige. Was war geschehen? Frater Walter war gerade mit Pater Markus vom Augenarzt in Kirchdorf gekommen. Dort mussten sie wieder länger auf eine Untersuchung warten – wie schon einige Tage zuvor im Allgemeinen Krankenhaus in Linz. Frater Walter nahm sich immer ein Buch mit, um die Wartezeiten sinnvoll zu verbringen. So auch wieder in der Arztpraxis. Auf der Heimfahrt fragte er Pater Markus: „Ist dir beim Warten nicht langweilig? Nimm doch das nächste Mal etwas zu lesen mit wie ich!“ Pater Markus schmunzelte und meinte: „Nein, das passt schon. Ich habe wieder meinen Gedanken eine Audienz gewährt.“

Das beeindruckte Frater Walter. Er hatte schon in Linz beobachtet, wie Pater Markus ganz ruhig und zufrieden dasaß, die Menschen liebevoll anblickte, dann über etwas nachdachte, nach oben und unten schaute, dann wieder kurz die Augen schloss.

In der Tat: Vielleicht sollten auch wir Jüngeren nicht jede Minute mit Lesematerial, elektronischen Nachrichten und Gespräch füllen, sondern so wie Pater Markus manchmal den in uns aufsteigenden Gedanken Raum geben und eine Audienz gewähren!

Die beschriebenen Erkenntnisse sind sehr alltagsnah, sie lassen uns Ungewohntes wahrnehmen und neu erkennen, wie zum Beispiel: Wir sehen die Menschen und Dinge nicht, wie sie sind, sondern wie wir sind. Wem das mehr Fragen als Antworten gibt: Gedanken dazu finden sich auf Seite 18.

Überflüssig
Zum Besuch eines Jugendfestivals hält der Benediktiner fest: Kirche entsteht dort, wo Christen und Christinnen einfach loslegen, selbst Freude an Jesus Christus haben und andere für den Glauben begeistern können. Das Beispiel des Tages: Wir begannen mit dem Morgengebet. Gute Musik, klare Struktur – da war kein Priester notwendig, ich war ein Teil der Gruppe. Warum treffen sich Katholiken so selten, um einfach zusammenzukommen und Gott ins Zentrum zu stellen? Es gäbe doch so viele Anlässe, Formen und Möglichkeiten, das auch ohne Priester zu tun!

Wie geht „beten“?
In einer Schulklasse fasste Pater Bernhard den spontanen Entschluss, die „anderen“ zu fragen, sprich: die drei nicht-katholischen Schüler:innen in der Klasse zu fragen, wie sie beten.

„Beriwan, betest du?“ – „Natürlich. Immer in der Früh und am Abend.“ – „Sag uns doch, wie du betest!“ Und sie sprach auf Arabisch ein Gebet. Den anderen Schülern und Schülerinnen blieb der Mund offen vor Staunen: Das hatten sie noch nie „live“ gehört! Beriwan fügte hinzu, dass sie nach diesem Gebet in der Stille drei Dinge tut: „Erstens nachdenken, was ich mir für diesen Tag wünsche, zweitens an bestimmte Menschen in Liebe denken, drittens überlege ich mir, was ich mir für diesen Tag besonders vornehme.

Und wie beten Benediktiner? Immer voll konzentriert? Es gibt so viele Ablenkungen ... Auch da öffnet Pater Bernhard für seine Leser:innen
inspirierende Einblicke, wie er diese Ablenkungen kreativ ins Gebet inte-griert: Noch heute erlebe ich, dass meine Gedanken nur um mich kreisen, fünf oder zehn Minuten lang. Da blicke auf Christus still vor mir. Still ist er da, geduldig mit meinen Ablenkungen. Ich versinke wieder in meinen eigenen Gedanken. Wie schwer fällt es mir, mich auf Gott auszurichten, ihm die volle Aufmerksamkeit zu schenken! Er bleibt da und wartet auf mich. Eigentlich sollte ja ich auf ihn warten. Doch die Geduld braucht zuerst einmal er mit mir. Nach 25 Minuten hole ich mich wieder aus meiner gedankenversunkenen Welt. Die letzten Minuten kann ich mich etwas konzentrieren. Ich bringe Gott meine Schwachheit dar und bitte ihn, mit mir durch den Tag zu gehen.

Bernhard A. Eckerstorfer, geb. 1971 in Linz, studierte Geographie und Theologie in Salzburg, Wien und den USA. Im Jahr 2000 trat er in das Benediktinerstift Kremsmünster ein. Er war Novizenmeister und lehrte am Stiftsgymnasium Kremsmünster sowie an Universitäten in Linz und Salzburg. Seit 2019 ist er Rektor des Päpstlichen Athenäums Sant’Anselmo in Rom.

Bernhard A. Eckerstorfer OSB, Momentaufnahmen. Gedanken und Begegnungen eines Benediktiners. 120 Seiten, Hardcover, erschienen bei Tyrolia (2023), € 18,00. Erhältlich im Behelfsdienst des Bischöflichen Seelsorgeamts und in Ihrer Buchhandlung.

Foto: Foto: Rosel Eckstein/Pixelio.de
Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ