"Jahr der Familie" 2021-2022: Serie von Benno Karnel, Seelsorger für Beziehung, Ehe und Familie
Der Beziehungs-Stopfpilz

Foto: wikicommons/wilkimay

Nicht immer gelingt es, glücklich zu sein in der Paarbeziehung. Manche Beziehungen gehen auch schief, einige enden tragisch, die Berichte über Femizide zeigen das deutlich. Die Frage dahinter ist: Wie gehen wir um mit verschiedenen Meinungen, mit Konflikten und Krisen?
Ein guter Bekannter hat in einer Zeitschrift gelesen, dass Frauen am Tag 15.000 Worte zur Verfügung hätten, Männer nur 5.000. Deshalb schaut er, dass in seiner Beziehung Meinungsverschiedenheiten am Morgen gelöst werden, wo er noch genug Worte zur Verfügung hat; am Abend wäre er sozusagen chancenlos. Ein gutes Prinzip, das bei ihnen auch funktioniert.
Die Familientherapeutin Rotraut Perner hat scheiternde Beziehungen mit der Wegwerfgesellschaft in Verbindung gebracht: Ein Loch im Socken wird nicht mehr gestopft, ein kaputtes Haushaltsgerät nicht repariert; ein neues hat viele neue Vorteile und ist noch dazu billiger. Beziehungen mit „Loch drin“ werden weggeworfen und nicht gestopft.
Wenn meine Schwiegermutter Socken gestopft hat, verwendete sie dazu einen „Stopfpilz“. Dieser half zu einem schönes Ergebnis und auch dazu, sich nicht mit der Nadel zu verletzen. Vielleicht brauchen wir auch bei „Loch-drin-Beziehungen“ einen Stopfpilz: gute FreundInnen (bei kleineren Löchern) und MediatorInnen und PsychologInnen bei größeren Löchern, damit Beziehung wieder heil werden kann, damit sie wieder gelingt.
Vielfach ist es heute so, dass wir die Beziehung idealisieren: den Partner, die Partnerin auf ein Podest stellen, das wir nie erreichen können; den anderen sozusagen vergöttlichen. Und wenn er/sie dann nicht so ist, ziehen wir die Reißleine und steigen aus.

Wenn Erwartungen zur Last werden

Der Jesuit Roman Pleistein hat vor 50 Jahren gesagt, er würde in die Eheschließungsformel der Satz „Ich verzeihe dir, dass du mein Gott nicht sein kannst“ einfügen. Will meinen: Wir Menschen haben alle unsere Fehler und Kanten. Am Beginn der Beziehung können wir das gut akzeptieren; später irritieren und ärgern sie uns dann massiv. Wir sprechen es häufig aber nicht an, weil wir nicht aus der Liebe des Partners, der Partnerin fallen wollen.

Entlasten und sich entlasten lassen

Foto: wikicommons/wilkimay

Manchmal hilft dann, sich der guten Zeiten zu erinnern. Von der Kirche wird gesagt, sie sei Erinnerungsgemeinschaft. Jesus sagte seinen Freunden beim letzten Abendmahl „Tut das zu meinem Gedächtnis!“ Und die Apostel machten das und dachten an die schöne Zeit, die sie mit ihrem Rabbi verbrachten, an die Wanderungen durchs ganze Land, an Gespräche, Zeichen und Wunder; an ihre Romanze mit Ihm. Und weil das seit 2.000 Jahren geschieht, gibt es heute noch diese Freunde und Freundinnen Jesu, die Kirche. Auch Ehe-Beziehung ist so eine Erinnerungsgemeinschaft. Wenn wir an unsere Romanze denken, stärkt uns das in den Niederungen des Alltags, lässt uns durchstarten und neue gute Zeiten miteinander haben, neue Gipfel der Liebe erklimmen. Immer nur Hochzeit wäre wie eine Treckingtour durch den Himalaya – dünne Luft und knapper Sauerstoff . Wir brauchen die Niederungen und Täler des Alltags, um wieder durchatmen zu können.
Gut ist es auch, mit anderen gemeinsam unterwegs zu sein, zu merken, dass auch sie die gleichen Schwierigkeiten in der Beziehung haben, dass gleiche kontroverse Themen auf der Tagesordnung stehen. Das relativiert die eigenen Schwierigkeiten und entlastet. Wenn Paare, die wir sehr schätzen, auch von ihren Problemen miteinander erzählen, wie sie damit umgehen und sie meistern, dann ist das hilfreich für uns. Auch das ist Kirche, weil Erzählgemeinschaft.
Gut ist es auch gerade in Krisen, diesem dritten im Bunde, vor dessen Angesicht wir uns die Ehe versprochen haben, Raum zu geben; mit Ihm, mit Gott ins gemeinsame Gespräch zu kommen und zu beten. Bei mir ist es dann auch schon mal das Stoßgebet: „Wenn du, Gott, schon willst, dass unsere Beziehung deine Liebe zu den Menschen sichtbar macht, dann hilf uns bitte auch dabei!“ Und seit 34 Jahren darf ich immer wieder die Erfahrung machen, dass Er das dann auch tut.

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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