Ist es möglich, zu Weihnachten einen anderen Ton anzuschlagen?
Weihnachts Stimmung

Weihnachten als Einladung, einen anderen Ton anzuschlagen: 
„Mehr als eine äußerliche Stimmung zählt der Ton des Herzens“, meint Bischof Hermann Glettler – hier im Bild bei der sog. „Geburt“ einer Glocke. | Foto: privat
  • Weihnachten als Einladung, einen anderen Ton anzuschlagen:
    „Mehr als eine äußerliche Stimmung zählt der Ton des Herzens“, meint Bischof Hermann Glettler – hier im Bild bei der sog. „Geburt“ einer Glocke.
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"Jingle Bells“ und das etwas schönere „Süßer die Glocken nie klingen“ schallen heuer nicht ganz so aufdringlich aus jeder Ecke. Aber der Chorgesang geht uns ab. Umso kostbarer sind die echten Klänge von Glocken, die viele in der Corona-bedingt verordneten Besinnlichkeit wieder neu entdecken. Sie geben den Tagesrhythmus vor und begleiten alle Momente des Lebens – die erfreulichen und die traurigen. Zur Weihnachtszeit haben sie einen besonderen Klang. Feierlicher, tröstlicher?

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, bei der Geburt einer Glocke dabei zu sein. Das frisch gegossene Instrument wird aus dem eisernen Gussbehälter gehoben und von einem verkohlten Mantel befreit. Danach wird die Glocke erstmals angeschlagen und macht ihren ersten Schrei – beeindruckendes Lebenszeichen neugeborener Kinder. Ihr Klang ist stark. Das ganze Leben in seiner Schönheit und Vielstimmigkeit ist präsent, in seiner Verletzlichkeit und Hilfsbedürftigkeit.

Der erste Lebenslaut hat für die Eltern und Hebammen immer etwas Befreiendes, oftmals eine Erlösung nach einem schweren Geburtsvorgang. Bestimmt hat sich auch der neugeborene Jesus mit dem kindlichen Urschrei bemerkbar gemacht. Welch eine Freude! Das Leben überrascht – oft nach Phasen der Erschöpfung und durch Tränen hindurch. Jede Geburt ist weihnachtlich, aber in Betlehem hat sich Gott selbst geschenkt – berührbar und hörbar. Das ist weit mehr als nur ein Stimmungs-Aufheller.

Nicht alles, was wir von uns geben, ist harmonisch und stimmungsvoll. Speziell nach diesem Corona-Jahr liegen Dissonanzen in der Luft, genährt von innerer Anspannung und Überforderung. Empörung entlädt sich oft an Kleinigkeiten. Ist es möglich, zu Weihnachten einen anderen Ton anzuschlagen? In Zukunft nicht alles an die große Glocke zu hängen, was es an Versagen und Schuld gibt? Anstelle der Tonalität des Verurteilens eine klare, wenn auch zaghafte Bitte um Versöhnung? Mehr als eine äußerliche Stimmung zählt der Ton des Herzens.

Die Hirten auf dem Feld wurden von einem himmlischen Klang überwältigt – vermittelt durch die Engel fühlten sie den Einklang zwischen Himmel und Erde. Sie hörten das Lied vom tief ersehnten Frieden, der allen Menschen zuteilwerden soll, besonders den Gedemütigten. Wie ein zarter Glockenschlag erreicht uns seit jener Nacht Gottes Wort: Fürchte Dich nicht! Hab Vertrauen! Nehmen wir diese Schwingung auf! Der weihnachtliche Trost braucht viele Resonanzräume, viele Menschen, die Gottes Melodie weitertragen.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin
und lieber Leser des Tiroler Sonntag,
ein gesegnetes und stimmungsvolles
Weihnachten

Bischof + Hermann

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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