Emmaus-Geschäftsführerin Gabriele Fischer
„Widerstand motiviert maximal“

So vielfältig wie die Stühle im Gruppenraum, 
die Gabriele Fischer zeigt, sind auch die Lebensgeschichten der 
Mitarbeiter:innen der Innsbrucker Emmaus-Gemeinschaft.  | Foto: Kaltenhauser
4Bilder
  • So vielfältig wie die Stühle im Gruppenraum,
    die Gabriele Fischer zeigt, sind auch die Lebensgeschichten der
    Mitarbeiter:innen der Innsbrucker Emmaus-Gemeinschaft.
  • Foto: Kaltenhauser
  • hochgeladen von Lydia Kaltenhauser

Gabriele Fischer ist neue Geschäftsführerin von Emmaus. Ein Gespräch mit der ehemaligen Sozial-Landesrätin über die Herausforderungen und den Alltag in einem besonderen Sozialprojekt mit österlichem Namen.

Was hat Sie dazu bewegt, nach Jahren in der Politik zurück „an die Basis“ zu wechseln?
Gabriele Fischer:
Ich bin aus tiefster Überzeugung bei Emmaus. Ich glaube, es braucht ein anderes Miteinander, und das ist auch möglich. Jeder noch so kleine Schritt bewirkt etwas Positives. Alles Gute hinterlässt Spuren. Darauf möchte ich immer wieder hinweisen, denn negative Beispiele überlagern schnell alles andere.

Wie kam es zu Ihrem Wechsel zu Emmaus?
Fischer:
Ich wohne in Mühlau, wo das Gründungshaus von Emmaus steht. Meinen Vorgänger Benedikt Zecha kenne ich schon lange, u.a. vom gemeinsamen Engagement in der Pfarre. Ich habe es immer bewundert, wie er dieses Projekt gegründet und wie nachhaltig es sich entwickelt hat. Als mich Benedikt nach meinem Ausstieg aus der Politik angesprochen hat, ob ich seine Nachfolge antreten möchte, habe ich mich sehr gefreut und von Herzen gern ja gesagt. Hier kann ich mich einbringen, wirklich etwas bewegen.

Wie war das emotional für Sie?
Fischer:
Mir ringt es tiefen Respekt ab, so ein Lebenswerk zu übernehmen. Natürlich habe ich mich gefragt: Kann ich den Spirit von Emmaus weiterführen? Kann ich so mit den Menschen in Beziehung treten, dass sie es schaffen, abstinent zu leben? Aber wir sind ein lässiger Haufen, wenn‘s Spitz auf Knopf geht, halten wir zusammen. So ein großartiges Miteinander!

Es ist sicher auch eine große Umstellung?
Fischer:
Es ist total anders. Ich mag die Action um mich herum, kenne die Atmosphäre noch von früher als Landschaftsplanerin am Bau. Ich fühl‘ mich sehr wohl in meinem kleinen feinen Büro. In der Politik habe ich es oft schräg gefunden – diese Überhöhung einer Person, eines Amtes, das schadet auch der Politik.

Als Geschäftsführerin sind Sie mittendrin im Geschehen, das Sie früher aus anderer Perspektive gesehen haben. Wie ist das für Sie?
Fischer:
Ich habe schon in der Politik um jeden Cent im Sozialen gekämpft, das setzt sich jetzt fort. Aber Widerstand bin ich gewohnt, das motiviert mich maximal! Alle Studien belegen, dass wir dem System viel Geld sparen, wenn wir Menschen in ein Beschäftigungsverhältnis bringen. Trotzdem muss man immer kämpfen. Umso mehr muss man dagegenhalten. Für mich ist es eine riesige Motivation, zu sagen: Machen wir es trotzdem!

Haben Sie auch neue Pläne für Emmaus?
Fischer:
Ich möchte noch stärker kommunizieren, dass wir bei Emmaus mehr tun als Dienstleitungen anbieten. wer Emmaus unterstützt, ist Teil eines tollen Projekts, leistet einen Beitrag für die Gesellschaft, investiert in die Unterstützung von Menschen, die daran arbeiten, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Vor welchen Herausforderungen steht Emmaus aktuell?
Fischer:
Wie alle trifft auch uns die Teuerung sehr. Schwierig sind Krankenstände, dann müssen wir Aufträge verschieben und dies den Kund:innen erklären. Zuletzt haben uns die milden Winter zu schaffen gemacht – mit dem Schneeräumen fehlt eine wichtige Einnahmequelle.

Was gibt Ihnen Kraft für Ihre Aufgabe?
Fischer:
Ich sehe jeden Tag ganz viele positive Schritte. Jeder einzelne Schritt, der in eine gute Richtung lenkt, ist etwas sehr Positives. Ich bin auch grundsätzlich sehr positiv und lebensfroh. Eine meiner Grundüberzeugungen: Herausforderungen sind dazu da, dass man sie meistert. Auch meine Kinder geben mir Kraft, meine Familie. Auch Orte wie eine Pfarre – da sehe ich, es ist möglich, dass Menschen anders miteinander umgehen. Es gibt einen Gegenentwurf zum Mainstream, zu Teilnahmslosigkeit und Polarisierung.

Was bedeutet der Name Emmaus für Sie?
Fischer:
Der Emmausgang bedeutet mir viel. Er enthält die Zusage, die wir auch leben: Ich geh‘ ein Stück des Weges mit dir gemeinsam. Die Länge der Wegstrecke variiert. Die Jünger sind zunächst völlig verzweifelt, ohne Perspektive. Dann geht einer mit ihnen. Er nimmt ihnen nichts ab, er geht einfach mit. Gehen müssen sie selbst. Dieser Gedanke passt perfekt zu Emmaus.

EMMAUS
gemeinsam arbeiten – leben – helfen
1997 gründete Benedikt Zecha in der Holzgasse in Mühlau eine Emmaus-Gemeinschaft. Die Bewegung wurde 1949 in Paris gegründet, weltweit gibt es über 300 Gemeinschaften. In Innsbruck leben und arbeiten momentan ca. 30 Männer und Frauen, die früher stark von Suchtmitteln abhängig waren und von Emmaus unterstützt werden, abstinent zu bleiben. Emmaus bietet Dienstleistungen rund um Haus und Garten an, auch Übersiedlungen, Sanierungen, Holzarbeiten und Bügelservice.
Weitere Infos: www.emmaus-innsbruck.at
Spenden an: IBAN: AT12 3600 0003 0056 9772

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ