Zwischenzeiten - Gedanken von Sr. Silke Mallmann CPS
Jonglieren lernen

Foto: pixabay.com/moise_theodor

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Alleinstehend, schon in Pension, in einer kleinen Wohnung, unfähig, sich mit Freunden zu treffen und ihrer geliebten Weiterbildung zu folgen, habe sie während des Lockdowns Jonglieren gelernt, erzählt mir die Dame. Sie habe nach etwas gesucht habe, das kostengünstig sei, sie in Bewegung halte und das sie ohne viel Aufwand in ihrer kleinen Wohnung machen könne. Stundenlang habe sie jeden Tag geübt, sich tausendmal nach heruntergefallenen Bällen gebückt. Es sei mühsam und langwierig gewesen, doch nach einiger Zeit habe sie neue Bewegungsabläufe gelernt. Ihre Koordination habe sich verbessert, ihre Geschicklichkeit erhöht, und mittlerweile jongliere sie mit vier Bällen und Tüchern. – Jonglieren in Corona-Zeiten? Viele Menschen haben den Lockdown genutzt, neue Fähigkeiten und neue Tätigkeiten zu entdecken. Jonglieren scheint mir dabei eine der originellsten. Und ich meine nicht nur das Jonglieren mit den Bällen. Mussten wir nicht alle irgendwie Jonglieren lernen? Jonglieren mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen, den Ängsten, der Hilflosigkeit, den neuen Anforderungen von Home-Schooling und Kurzarbeit, von Existenzbedrohung und Einsamkeit? Manchmal schien uns die Situation zu entgleiten und alles auf den Boden zu prasseln wie die Jonglierbälle. Es war und ist mühsam und frustrierend. Trotzdem, wenn wir uns auf den Jonglierprozess einlassen, werden wir merken, wie wir innerlich beweglicher werden, wie es uns leichter fällt, die Kontrolle loszulassen, wie wir bereit sind, den neuen Ball zu ergreifen. Ist das nicht wirkliche Lebenskunst? Das Spiel des Lebens zu spielen, mit den Bällen, die das Leben uns zuspielt.

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Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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