Sr. Hannis Einsatz für Straßenkinder
Gott will, dass wir glücklich sind

Einen schützenden Schirm aus Liebe und Zutrauen aufspannen: Das ist das Rezept von Sr. Hanni Denifl, um traumatisierten Straßenkindern neues Lebensglück zu schenken.  | Foto: Don Bosco
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  • Einen schützenden Schirm aus Liebe und Zutrauen aufspannen: Das ist das Rezept von Sr. Hanni Denifl, um traumatisierten Straßenkindern neues Lebensglück zu schenken.
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Sr. Hanni Denifl aus dem Stubaital lebt seit 15 Jahren in Afrika. Ihr Herz schlägt für Kinder und Jugendliche, die auf sich gestellt sind: auf der Straße, ohne Familie oder im Gefängnis. Ihr Sabbatjahr in Tirol nutzt sie, um von ihnen zu erzählen.

Als Sr. Hanni Denifl, damals einfach noch die Hanni aus dem Stubaital, 22 Jahre alt war, setzte sie sich in ein Flugzeug in den Kongo. Einige Monate zuvor hatte sie den Salesianer P. Johann Kiesling kennengelernt, der seit vielen Jahren Missionar im Kongo war. Er hatte sie zu sich eingeladen. Und Hanni, deren Herz für Afrika schlug, seit sie in der Schule bei den Barmherzigen Schwestern Bilder von Tansania gesehen hatte, wusste: Da will ich hin.

Vertrauen auf Jesus. Der Brief, in dem sie P. Kiesling ihren Besuch ankündigte, kam nie an, auch das Telegramm ging nicht durch. Hanni war unerschrocken, beseelt von ihrem Traum, und flog einfach los. „Ich war eigentlich sehr g‘schamig. In der Schule habe ich nicht geredet“, erinnert sie sich, die auch heute noch eher eine Frau der Tat als der vielen Worte ist. Aus der Beziehung zu Jesus nahm die schüchterne junge Frau den Mut für ihr Abenteuer. „Ich habe zu ihm gesagt: ‚Ich mache das für dich, einfach für ein Jahr, und du bist für mich verantwortlich.‘“

Hannis Vertrauen war wohl begründet – und notwendig. Denn die Reise verlief abenteuerlich: Das Flugzeug landete statt im Kongo in Sambia, die Airline bezahlte ein Taxi bis zur Grenze. „Gefahren sind sie wie die Wahnsinnigen auf den kaputten Straßen“, erzählt sie. Am Grenzposten zum Kongo stiegen Hanni und ein Mitreisender aus. Sie hatte kein Visum, ihr Pass wurde konfisziert und sie kurzzeitig verhaftet. Nach einigen Verhandlungen kam sie frei und schlug sich zu den Salesianern in der Hauptstadt durch. „Die Patres dort sind aus allen Wolken gefallen. Es wusste ja keiner, dass ich komme!“ Bis P. Kiesling von seiner weit entfernten Missionsstation anreiste, vergingen einige Wochen. In dieser Zeit arbeitete Hanni, gelernte Altenpflegerin, mit einer Don-Bosco-Schwester mitten „im Busch“, später war sie mit P. Kiesling unterwegs in den entlegensten Dörfern.

Prägende Einfachheit.
Es gab keinen Strom, kein fließendes Wasser, kein Radio. „Die Leute dort hatten noch nie eine weiße Frau gesehen. Einmal bekam ich während der Messe eine Henne geschenkt, sie saß die ganze Zeit über auf meinem Schoß und ich hatte Angst, dass sie mich piekst!“, erinnert sie sich schmunzelnd.
Die Zeit in Afrika war prägend für Hannis weiteres Leben. In ihrer freien Zeit wanderte sie durch die Maisfelder und betete viel. Zurück im Stubai, sagte sie zu Jesus: „Du musst mir ein klares Zeichen geben, wenn du willst, dass ich Schwester werde.“ Auf einer Reise nach Assisi im Herbst 1992 sagte Hanni ihr „Ja“. Zurück daheim, meldete sie sich bei den Don-Bosco-Schwestern an, im Jänner 1993 trat sie ein. Nach dem Noviziat in Rom folgten das Krankenpflegediplom und die Abendmatura, in Stams arbeitete sie mit Jugendlichen aus schwierigen Familienverhältnissen. Nach einem Jahr Vorbereitung in Rom war es 2006 endlich so weit: Als „Sr. Hanni“ flog sie wieder nach Afrika, an die Elfenbeinküste – und dieses Mal wusste man über ihre Ankunft Bescheid.

Ein Zuhause für Straßenkinder. Inzwischen lebt Sr. Hanni seit 15 Jahren in Afrika. Nach zwei Jahren an der Elfenbeinküste folgten Stationen in Mali, Benin und Ghana, seit fünf Jahren ist sie zurück an der Elfenbeinküste. In Abidjan, der größten Stadt des Landes, leitet sie das Kinderschutzzentrum „Foyer Marie Dominique“. 20 bis 25 Kinder, die aus verschiedenen Gründen nicht in ihre Familien zurück können, finden dort ein liebevolles Zuhause, unabhängig von Herkunft oder Religionsbekenntnis. Es sind Mädchen dabei, die von Inzest und Vergewaltigung betroffen sind, zwangsverheiratet oder als „Hexenkinder“ auf der Straße ausgesetzt wurden. Andere sind von zuhause weggelaufen, weil sie misshandelt wurden. Viele sind traumatisiert. Sr. Hanni hat viel Leid gesehen. „Aber Gott will, dass wir glücklich sind, dass es uns gut geht“, ist sie überzeugt. „Dieses Gottesbild kann ich hier leben. Und so fassen die meisten Kinder sehr schnell wieder Vertrauen“, erzählt sie. „Sie sind glücklich, blühen auf, wenn sie Liebe und Zuneigung geschenkt bekommen.“ Ein Team aus Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen und einer Psychologin arbeiten mit ihr, denn Sr. Hanni, die selbst noch eine Ausbildung als Sozialpädagogin absolviert hat, war schnell klar, dass die Kinder umfassende Hilfe brauchen.

Hexenkinder. Eines der Mädchen ist die kleine Danielle. Sie war als Hexenkind verstoßen und von den Schwestern auf der Straße aufgesammelt worden. Sie besuchte die Volksschule und lebte dann fünf Jahre in einer Pflegefamilie. Als Danielle 18 war, kurz vor der Matura, wurde die Pflegemutter eifersüchtig auf sie und schickte sie zurück ins Heim. Inzwischen macht sie die Pflegeausbildung und lebt bei einer Frau, die sie bei sich aufgenommen hat. In ihrer Freizeit hilft sie im Kinderschutzzentrum mit (s. Bild, Danielle bei der Essensausgabe). Im Sommer ist Sr. Hanni mit ihr zu ihrer Ursprungsfamilie gefahren. Doch diese sieht sie noch heute als Hexenkind an und ließ sie keine einzige Nacht bei ihnen bleiben.

Auf der Straße stehen gelassen. Ein anderes Schicksal hat die 10jährige Sephora. Um daheim ein wenig Aufmerksamkeit zu erhalten, hatte sich das quicklebendige Kind angewöhnt, ungelenk zu gehen. Dem Stiefvater ging das Verhalten auf die Nerven, er setzte die Mutter unter Druck, das „behinderte“ Kind auszusetzen. Eine Lehrerin fand das damals vierjährige Kind auf der Straße und brachte es zu den Schwestern. Sephora spürte Liebe und Zuneigung, besuchte die Schule und ging ganz normal, von einer Behinderung keine Spur. Die Schwestern fanden die Mutter, luden sie ein, einmal im Monat zu Besuch zu kommen, doch gekommen ist sie nie. Die Frau dagegen, die Sephora zu den Schwestern gebracht hatte, blieb immer in Kontakt mit ihr. Sie ist Lehrerin und alleinstehend, geht bald in Pension. Inzwischen ist Sephora ihr Pflegekind, beide sind glücklich.

Für eine gute Zukunft. Neben dem Heim für Straßenkinder und der Volksschule unterhalten die Don-Bosco-Schwestern in Abidjan ein Berufsausbildungszentrum. 200 junge Menschen erhalten Ausbildungen im Koch-, Konditor-, Schneiderei-, oder Friseurhandwerk, um einmal auf eigenen Beinen stehen zu können. Zwei Mal die Woche gibt es einen Spielenachmittag für bis zu 400 Kinder aus der Umgebung. Zum Zentrum gehört auch das Noviziat der Schwestern, die in Afrika viel Nachwuchs haben. Finanziert wird all das über Spenden, denn nur die Volksschule bringt etwas Geld ein.

Offene Türen im Gefängnis. Sr. Hannis großes Herz schlägt noch für ein anderes Projekt: die Betreuung von jugendlichen Inhaftierten in Benin. Als sie vor zehn Jahren zwei Jugendliche, die gestohlen hatten, im Gefängnis besuchte, fand sie dort 44 Buben und 12 Mädchen vor. Sr. Hanni war klar, dass sie etwas tun müsse. „Der Gefängnisdirektor hat uns sehr unterstützt, die Türen standen uns offen“, erzählt sie. Gemeinsam mit einem Sozialarbeiter und einer Psychologin kam Sr. Hanni zurück. Sie spielten mit den Jugendlichen Fußball, übten Lesen und Schreiben, boten psychologischen und juristischen Beistand und Familienmediation an. Damit die Kinder, wenn sie aus der Haft entlassen werden, in den Familien wieder aufgenommen werden und wirklich neu anfangen können, hat Sr. Hanni Segensfeiern für Familien im Gefängnis initiiert.
Bald kam die Prävention in Schulen als Tätigkeitsfeld hinzu. „Wenn wir über die Fallen aufklären, in die man tappen und für die man inhaftiert werden kann, hören uns die Jugendlichen mit offenem Mund zu“, so Sr. Hanni, die mehrmals im Jahr nach Benin reist, um das Projekt zu betreuen. Seit es einen Gefängnisdirektor für ganz Benin gibt, ist Sr. Hannis Projektteam für die Begleitung der Jugendlichen in allen Gefängnissen des Landes verantwortlich. Jede Woche telefonieren sie mit allen 231 inhaftierten Jugendlichen. „Wir sprechen mit jedem Kind und schauen, was es braucht.“ Sr. Hanni strahlt trotz allem Zuversicht aus: „Bei den Kindern an der Front, das ist die schönste Arbeit!“

Gemeinsam unterwegs. Selten bekommt sie mehr als fünf Stunden Schlaf. Bis spät abends beantwortet sie Mails, schreibt Projektberichte, stellt Ansuchen. Morgens um 5 ist Gebetszeit. „Es sind volle Tage, ein volles Leben. Aber es ist sehr erfüllend. Und ich weiß: Ich bin nicht allein unterwegs, sondern mit Jesus gemeinsam. Jedes glückliche Kind, das mich mit leuchtenden Augen anschaut, schenkt mir enorm viel zurück. Das gibt mir sehr viel Kraft. Dann sind da noch meine Mitschwestern und die Unterstützung aus der Heimat. All das stärkt mich sehr.“ Sr. Hanni sagt es ganz schlicht und voll Vertrauen. Sie lebt ihren Auftrag, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt – und schenkt damit vielen Kindern ein neues Leben.

Noch bis Juli ist Sr. Hanni auf Sabbatjahr in Tirol. Sie hält u.a. Vorträge in Schulen und vermittelt Patenschaften für Kinder, diese betragen 25 Euro pro Monat.

Spendenkonto:
Kontoinhaberin: Sr. Johanna Denifl, IBAN: AT98 3632 9000 0113 0392
Kontakt: j.denifl@donboscoschwestern.net

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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