Interview zur Fastenzeit
Sucht bedeutet, etwas ist aus dem Gleichgewicht

Armin Staffler ist Politologe, Theaterpädagoge 
und Mitarbeiter von kontakt+co.  | Foto: Foto: kontakt+co
  • Armin Staffler ist Politologe, Theaterpädagoge
    und Mitarbeiter von kontakt+co.
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Armin Staffler arbeitet bei der Suchtpräventionsstelle kontakt+co des Jugendrotkreuzes. Im Interview erzählt er, wie die Fastenzeit dabei helfen kann, Suchtverhalten frühzeitig zu erkennen.

Sie arbeiten in der Suchtprävention. Welchen Beitrag kann denn die Fastenzeit leisten, um Suchtverhalten vorzubeugen?
Armin Staffler: Sucht steht am Ende eines Prozesses, der schon viel früher beginnt. Die Prävention setzt dort an, wo es darum geht, ein gutes Leben zu führen, Lebensqualität zu haben. Sucht ist immer ein Zeichen dafür, dass etwas nicht mehr in Balance ist und zu viel Raum einnimmt. Dann wird das, was man zu sich nimmt, oder ein bestimmtes Verhalten, zu einem Problem. Dann sind Fastenzeiten eine gute Möglichkeit, um zu überprüfen, welchen Stellenwert ein bestimmtes Verhalten oder ein Genussmitteln in meinem Alltag hat. Ist das noch in Balance oder hat das schon zu viel Gewicht.

Und wenn sich herausstellt, dass das Gleichgewicht nicht mehr gegeben ist?
Staffler: Dann ist es gut, eine Pause einzulegen. Man kann prüfen, ob man für eine gewisse Zeit noch darauf verzichten kann. Das Schöne ist, dass man das gemeinsam machen kann, in der Familie, in einer Schulklasse oder insgesamt in der Gesellschaft. kontakt+co beteiligt sich auch an der „AKTION plusminus“. Was steckt hinter dieser Bezeichnung?
Staffler: Plusminus weist darauf hin, dass man durch das Fasten auch etwas gewinnt, indem ich zum Beispiel merke, dass ich etwas zwar haben kann, aber das nicht unbedingt brauche. Dann kann ich es auch wieder mehr wertschätzen. Das kann ein Genussmittel sein, aber auch etwas Immaterielles. Man kann zum Beispiel Termine reduzieren und merken, ich habe mehr Zeit für die Familie.

Woran kann man bei sich oder auch bei seinen Kindern erkennen, dass die Gefahr eines Suchtverhaltens droht?
Staffler: Wichtig ist der Blick auf sich selbst: Mache ich mir Sorgen? Ist etwas verloren gegangen in der Beziehung zum Kind oder zum Jugendlichen? Das sind Signale, die ich bei mir merke. Ein plakatives Beispiel wäre zum Beispiel, dass gemeinsame Essenszeiten ausfallen, weil das Computerspiel wichtiger ist. Dann ist es die Aufgabe als Elternteil, die Situation anzusprechen, ohne Vorwurf, sonder mit Wohlwollen im Hinblick auf das, was es an Wichtigem zu erhalten gilt.

Ein allgegenwärtiges Thema in Familien und Schulen ist wohl das Handy?
Staffler: Da gibt es ein schönes Bild, wie man gemeinsam den Handykonsum zum Thema machen kann: Während des Essens liegen die Handys in der Ladestation und die Familienmitglieder nutzen das Essen, um die Batterien der Familie aufzuladen. So wird der Verzicht aufs Handy gemeinsam getragen, und das gelingt oft leichter als allein.

Wo liegen die gesellschaftlichen Herausforderungen im Kampf gegen die Sucht?
Staffler: Ein Einfallstor von Sucht ist, wenn Menschen mit ihren Schwierigkeiten allein gelassen werden die dann zu Substanzen oder zu einem Verhalten greifen, das ihnen vermeintlich hilft, aber in Wahrheit ein Suchtverhalten auslöst. Wenn der Alkohol das Einzige ist, das noch Beruhigung oder Entspannung schafft, oder wenn das Computerspiel nur mehr dazu dient, den Anforderungen der Schule oder der Ausbildung auszuweichen, dann wird es problematisch. Eine Herausforderung ist auch, dass das Angebot unendlich ist, jedes Suchtmittel ist praktisch rund um die Uhr verfügbar. Für wichtig halte ich gesamtgesellschaftlich, da und dort Druck herauszunehmen und Ansprüche zu reduzieren. Auch hier lautet die Herausforderung, eine gute Balance zu finden von Anspannung und Entspannung, von Aufregung und Beruhigung, von Rausch und Nüchternheit. Diese Balance ist ein wichtiger Beitrag zur Prävention von Sucht.

aktion plusminus

„Brauchen wir, was wir haben? Haben wir, was wir brauchen?“ Mit diesen zwei Fragen lädt die AKTION plusminus ein, das eigene Konsumverhalten während der Fastenzeit zu überprüfen. Wer mitmacht, erhält eine Fülle von Begleitmaterialien bis hin zur Smartphone-App mit vielen Anregungen und Impulsen.
Für Kindergärten, Schulen, Familien und Jugendgruppen stehen eigens ausgearbeitete Unterlagen zur Verfügung.

Träger:innen der AKTION plusminus sind der Katholische Familienverband Tirol, kontakt+co Suchprävention Jugendrotkreuz und Katholische Jugend.

Die Smartphone-App für Android und iOS ist in den jeweiligen App-Stores
mit dem Suchbegriff „Gutes Leben“
zu finden.
www.fastenzeit.jetzt

Autor:

Walter Hölbling aus Tirol | TIROLER Sonntag

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