Predigt von Bischof Glettler
60 Tische – Fest, Dialog und Gemeinschaft

„Gott ist der eigentliche Gastgeber, wir die Gäste sind die Beschenkten am Tisch des Lebens", meint Bischof Hermann Glettler beim Festgottesdienst 60 Jahre Diözese Innsbruck im Dom zu St. Jakob. | Foto: Diözese Innsbruck/Reinhold Sigl
  • „Gott ist der eigentliche Gastgeber, wir die Gäste sind die Beschenkten am Tisch des Lebens", meint Bischof Hermann Glettler beim Festgottesdienst 60 Jahre Diözese Innsbruck im Dom zu St. Jakob.
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Mit 60 Runden Tischen feiern wir 60 Jahre Diözese Innsbruck – dankbar und zuversichtlich. Tische sind uns vertraut: Esstische, Bürotische, Stehtische, Spieltische, Operationstische, Wickeltische, Gabentische, … Der Tisch ist nicht nur ein wichtiges Möbelstück, sondern ebenso ein starkes Symbol – für Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Lebensfreude, Teilhabe und Integration.
In diesem Sinn wurden seit dem Konzil unzählige Tische gedeckt – Tische des Miteinanders, nicht zuletzt auch in der Ökumene, Tische der Gastfreundschaft über Kirchengrenzen hinaus, Tische für Bildung; Tische engagierter Caritas, um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen;
Zum 60er danken wir für diese vielen Tische eines gesellschaftlich relevanten Glaubens – ohne die Vergangenheit zu vergolden. Es gab auch genügend Verunsicherung, unterschiedliche Bilder von Kirche und den notwendigen Reformen – und bis heute einen Rückgang der Volkskirche.
Dennoch, trotzdem und zuversichtlich decken wir neue Tische - für Menschen, die uns anvertraut sind. Immer dankbar, dass wir doch zuallererst die Eingeladenen sind – Gott ist doch der eigentliche Gastgeber, wir die Gäste, die Beschenkten am Tisch des Lebens.

Alles beginnt mit dem TISCH in der FAMILIE
Ich denke oft an den Küchentisch in der „Kuchl“ im elterlichen Bauernhaus. An diesem Tisch spielte sich das ganze Leben ab. Dort wurde der Strudelteig gezogen und gemeinsam gegessen. Wir Kinder belagerten den Kuchltisch mit den Hausaufgaben. Gäste wurden bewirtet, oft mit interessante Gesprächen. An diesem Tisch wurde gelacht und debattiert, gefeiert und geweint. Auch das regelmäßige Tisch-Gebet gehörte dazu. Der Tisch war und ist die Mitte. Auch heute noch. Bei diversen Familienfesten wird die Platte angestückelt, um allen Platz zu machen.
Unsere Gesellschaft braucht die vielen kleinen und großen Familien-Tische. Wo sonst lernen junge Menschen die Freude am Leben, ein gesundes Selbstbewusstsein und soziale Verantwortung? An den Familientischen wird das Ich und das Wir gestärkt. Die Mitte gestärkt.
Der Familientisch einer Pfarre ist der Altar. Immer wieder kehren wir zu dieser Mitte zurück. Im Gleichnis vom Weinstock hörten wird die eindringliche Bitte Jesu: „Bleibt bei mir!“ Ohne Jesus, Bruder und Herr aller Menschen, wäre unser Glaube leer, unser Tun fruchtlos. Bei ihm können wir „alles auf den Tisch legen“, Freude und Leid. Am Familientisch Gottes wird alles zum Guten verwandelt. Und Jesus schenkt sich selbst – deckt uns den „Tisch des Wortes“, tröstend und anspruchsvoll, und schenkt seinen Leib, sein Herzblut. Er speist niemanden billig ab.

Ebenso wichtig wie der Familientisch ist der VERHANDLUNGSTISCH

Die 60 „Jubiläums Tische“ haben ein Vorbild – die großen Runden Tische in der Synoden-Aula in Rom. Synodaler Prozess. Ein berührendes Bild: Kardinäle und ExpertInnen, Bischöfe und Laien, Frauen und Männer an Runden Tischen. Alle Beteiligten berichteten von einem neuen Geist, der zu spüren war. Das sogenannte „synodale Gespräch“ war eine Hilfe, um einander besser zu verstehen: An erster Stelle das Zuhören: Was will mir der Andere sagen, was will uns Gott sagen? Diese achtsame Art der Kommunikation sollten wir übernehmen: Zuhören mit Momenten von Stille, Reflektieren, ehrliches Verhandeln und dann entscheiden: Worum gehts? Ein gutes Verhandeln ist in jeder vernünftigen Beziehung, in jeder Partnerschaft notwendig – in jedem Zusammenleben, auch in jeder halbwegs demokratischen Gesellschaft.
Ja, gute Verhandlungstische braucht unsere nervöse Zeit. Stammtische, wo nicht gehetzt, sondern ehrlich debattiert wird. Polarisierungen, Schuldzuweisungen, Gesprächs-verweigerungen und ein verbales „Vernichten des Gegners“ gibt es zur Genüge. Die Alternative: Sich zusammensetzen und zusammenreden, wenn notwendig auch „zusammenraufen“ wie wir sagen. Ist nicht einfach. Die 60 „Runden Tische“ laden zum Dialog ein. An den verschiedensten Orten mit echten Initiativen für Vermittlung, Verständigung und gewaltfreie Konfliktlösungen. Gemeinschaftskraft und ein wenig Versöhnungs-Knowhow können wir einbringen. Ja, wir müssen als Kirche ebenso lernen, mit unterschiedlichen Überzeugungen achtsam umzugehen.

An dritter Stelle nenne ich die TISCHE der VERBUNDENHEIT

Es war ein wunderbarer Weihnachtsabend – im neuen Integrationshaus unserer Diözese. Das Evangelium von den Hirten hat uns ermutigt, alle an einen Tisch einzuladen: die syrische Familie, die uns einen arabischen Tanz beibrachte, Leute aus den Krisenwohnungen, einen Besuch aus Bayern und eine türkische Frau mit aufgeweckten Kindern. Wir haben Gottes Dasein im bunten menschlichen Mix gefühlt. Ich erzähle das nur als ein ermutigendes Beispiel.
Die 60 Runden Tische sind eine klare Aufforderung, Tischgemeinschaften zu bilden – ganz im Sinne der heutigen Lesung: Liebe drückt sich im Tun aus, nicht nur in schönen Worten. Jesus ist uns dabei Vorbild. Ja, er ist unsere Verbundenheit, lässt uns teilnehmen an der Gemeinschaft mit Gott, seinem Vater. Überall hat er Gemeinschaft ermöglicht – und dafür nicht nur Verständnis geerntet. Viele empörten sich, dass er sogar mit Außenseitern und Sündern Mahl hielt. Bilden wir zum 60. Geburtstag doch viele Tischgemeinschaften im jesuanischen Geist!
Neue Tischgemeinschaften mit jungen Leuten: Wir alle wissen, dass es ihnen nicht nur gut geht. Kommunikation, Zutrauen und Zuspruch – und sie werden ihr Leben meistern!
Tischgemeinschaften mit vereinsamten Menschen: Niemand darf vergessen werden. Wir müssen uns auf den Weg zueinander machen – unaufdringlich, aber verlässlich!
Nachhaltige Tischgemeinschaften mit der bedrohten Schöpfung: Die Diözese vergibt erstmals einen Umweltpreis. Wir haben als vermutlich letzte Generation noch Gestaltungsfreiräume.
Eine solidarische Tischgemeinschaft über Tirol hinaus: Mit der Caritas-Auslandshilfe, kfb-Fastenaktion, Bruder und Schwester in Not, Missio – für ein weltweites Plus an Gerechtigkeit!
Eine tatkräftige Tischgemeinschaft mit sozial Benachteiligten und Geflüchteten: Integration ist unser Auftrag. Beziehungen aufbauen! Teilhabe am Tisch eines guten Lebens ermöglichen!

Liebe Schwestern und Brüder!
„Die Kirche wuchs durch die Hilfe des Heiligen Geistes.“ Dieser letzte Satz der heutigen Lesung ermutigt. Wir sind nicht allein – ein neues, überraschendes Wachstum für die Kirche ist möglich.
Der Geist Gottes wird uns auch helfen, dass wir freimütig Jesus, den Herrn, als Lebensquelle benennen – und die Zuversicht, die daraus erwächst, mit vielen Menschen teilen.
Gottes Geist wird uns auch helfen, dass die Geburtstags-Initiative gelingt: 60 Tische, die Lust auf Zukunft machen – Tischgemeinschaften, von denen Gottes Segen ausgeht.

Predigt von Bischof Hermann Glettler zum 60. Geburtstag der Diözese Innsbruck, 28. April 2024, im Dom zu St. Jakob.

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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