Interview mit Schauspielerin Katharina Stemberger
Wir sind, was wir tun

„Veränderung kommt nur mit der Tat“: Das Lebensmotto von Schauspielerin Katharina Stemberger. | Foto: Kaltenhauser
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  • „Veränderung kommt nur mit der Tat“: Das Lebensmotto von Schauspielerin Katharina Stemberger.
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Courage – beherzt handeln für eine friedliche Zukunft: Nach dieser Überzeugung lebt die Schauspielerin Katharina Stemberger und hat ihr ein Buch gewidmet.

Sie sind Schauspielerin, jetzt haben Sie ein Buch darüber geschrieben, „warum es sich lohnt anzuecken“. Wie ist es dazu gekommen?
Katharina Stemberger:
Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht, ein Buch zu schreiben – bis der Verlag bei mir anfragte. Ich kam ins Nachdenken, begann, Material zu sammeln, vom Schreiben war ich aber noch weit entfernt. Dann lag mein Vater im Sterben, ich bangte nächtelang um sein Leben. In dieser Zeit der größten Not und Hilflosigkeit kam plötzlich die Sprache und ich habe begonnen, zu schreiben.

„Wir sind das, was wir tun“, ist eine der starken Aussagen, die sich durch Ihr Buch ziehen. Wie ist diese Überzeugung entstanden?
Stemberger:
Eine Grundvoraussetzung ist, dass ich mich nicht so stark abgrenzen kann. Ich kann mich nicht so gut davor schützen, mir vorzustellen, was ein Leid für andere bedeuten muss. Dann muss ich mit dieser Wut, dieser Trauer etwas tun, sonst halte ich es nicht aus. Das ist einfach mein Wesen – ich habe vielleicht nicht die stärkste Impulskontrolle, ich tue vieles einfach und denke hinterher darüber nach. Das hat Vor- und Nachteile (lacht).


Gab es auch äußere Umstände, die zu dieser Haltung beigetragen haben?
Stemberger:
Ich hatte ein Aha-Erlebnis: Als ich 13 war, haben wir in der Schule zum ersten Mal über den 2. Weltkrieg gesprochen. Ich habe dann meine Großmutter gefragt: „Was hast du gewusst, was hast du getan?“, und relativ wenige Antworten bekommen. Irgendwann habe ich begriffen: Hoppla, jetzt bin ich Zeitzeugin. Ich muss irgendwann meinen Enkelkindern erklären, was ich angesichts unserer Herausforderungen in Bezug auf Klima, Flucht und Verteilung getan habe. Es geht nicht um rechts oder links, sondern um oben oder unten. Ich hoffe, dass wir gemeinsam friedliche, humane Lösungen finden.

Wie geht es Ihnen damit in Österreich? Wie nehmen Sie die Stimmung wahr?
Stemberger:
Damit sich die Österreicher:innen in Bewegung setzten, braucht‘s nach meiner Beobachtung ziemlich viel. Es muss ihnen ganz schön was „stinken“... Dann gibt es die Intellektuellen, die tolle Analysen machen, aber darin feststecken. Und es gibt das „neue Biedermeier“: Da geht es um selbstgezogenes Gemüse, die CO2-Bilanz, korrekten Konsum. Das ist alles verständlich und gut. Aber es geht auch viel um Selbstoptimierung, und der solidarische Gedanke verschwindet. Ich beobachte eine große Vereinzelung. Aber wir werden es nur gemeinsam schaffen.

Keine Angst zu haben, ist eine andere Grundüberzeugung in Ihrem Buch. Ist das nicht ein Privileg, so denken zu können?
Stemberger:
Prägend war für mich, zu lernen, dass Leben ein einziges Risiko ist – die Sicherheit, nach der wir uns alle so sehr sehnen, ist eine Illusion. Ein Privileg war, in einem humanistisch geprägten Umfeld aufzuwachsen, das mir vermittelt hat: „Steh‘ für das gerade, woran du glaubst!“ Dafür erlebe ich viel Zuspruch und immer wieder auch heftigen Gegenwind.

Was gibt Ihnen Kraft für Ihr Engagement?
Stemberger:
Ich will mir bei meinem letzten Atemzug denken: Ich habe es wenigstens probiert. Da geht’s mir um meine persönliche Lebensbilanz. Ich bin mit einem grundpositiven Ton auf die Welt gekommen. Meine tiefe Überzeugung ist: Der Mensch ist gut – auch wenn ich weiß, dass die Menschen zu wahnsinnig Scheußlichem in der Lage sind. Wird eine Situation besser, wenn ich sie negativ oder zynisch betrachte? Nein! Also wähle ich so, dass eine Situation besser werden kann – und das gibt mir Kraft. Veränderung kommt nur mit der Tat.

„Courage hat immer ein Gegenüber“, schreiben Sie in Ihrem Buch. Wie meinen Sie das?
Stemberger:
In dem Moment, in dem wir uns einander zuwenden, leuchtet jeder auf! Mutig kann jeder für sich selbst sein. Das ist der Unterscheid zwischen Mut und Courage: Courage hat das „Coeur“, das Herz, im Namen, sie wendet sich einem Gegenüber zu, wird in einer konkreten Situation wirksam. Courage hat viele Geschwister: Solidarität, Hoffnung, Loyalität, Freundschaft, Zugehörigkeit. Dinge, nach denen wir uns alle sehnen und die nichts sonst füllen kann.

Zur Person: 
Katharina Stemberger ist Schauspielerin, Professorin, Produzentin und zivilgesellschaftliche Aktivistin. Ihr Repertoire reicht von der leichten Fernsehunterhaltung bis zu den tragischen Heldinnen auf der Bühne. Viele Jahre war sie Vorstandsvorsitzende des Integrationshauses Wien. 2020 gründete sie mitFreunden die Initiative
„Courage – Mut zur Menschlichkeit“, die sich u.a. für legale Fluchtwege einsetzt.

Zum Weiterlesen: Katharina Stemberger: Courage. Warum es sich lohnt anzuecken. Molden 2023.

„Veränderung kommt nur mit der Tat“: Das Lebensmotto von Schauspielerin Katharina Stemberger. | Foto: Kaltenhauser
Über die Kunst, couragiert zu leben, hat Katharina Stemberger ein Buch geschrieben.  | Foto: Molden Verlag
Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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