Dommusik
„Nicht nur der Chor soll singen“

Domkapellmeisterin Andrea Fournier hat für die Gottesdienst-Gestaltung in der Salzburger Kathedrale große Pläne. Das Kirchenvolk soll in Zukunft deutlich mehr eingebunden werden.  | Foto: RB/Hiwa Naqhsi
  • Domkapellmeisterin Andrea Fournier hat für die Gottesdienst-Gestaltung in der Salzburger Kathedrale große Pläne. Das Kirchenvolk soll in Zukunft deutlich mehr eingebunden werden.
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Die Dommusik in Salzburg wird seit 1. September erstmals von einer Frau geleitet. Andrea Fournier will als neue Domkapellmeisterin nicht nur jüngere und modernere Kompositionen einstudieren, sondern auch das musikalische Wechselspiel zwischen Chor und Kirchengemeinde forcieren – ein gemeinsames „Feiererlebnis“.

von Thomas Manhart

Rupertusblatt: Sie waren eine gefühlte Ewigkeit in Graz tätig. War der Aufbruch nach Salzburg ein sehr schmerzvoller Abschied?
Andrea Fournier: Es gab zwei Abschlusskonzerte, eine große Schlussmesse und mit dem Jugendchor noch eine Reise nach Florenz – das war schon alles sehr emotional. Man arbeitet jahrelang mit den Menschen, baut Beziehungen auf und musiziert gemeinsam. Viele Chorsänger waren traurig und haben mir zum ersten Mal gesagt, was ihnen das gemeinsame Musizieren bedeutet hat. Es wird einem erst beim Abschied so richtig bewusst, was man bewirkt hat.

RB: Umso herzlicher willkommen als Salzburger Domkapellmeisterin! Wollen Sie hier mit den bestehenden Strukturen weiter­arbeiten oder vieles radikal umkrempeln?
Fournier: Ich habe natürlich Pläne, möchte diese aber langsam einfließen lassen, nicht nach dem Motto: „Jetzt komme ich und alles ist anders.“ Die Dommusik ist ein komplexer, riesiger Betrieb. Da braucht es ein bisschen Zeit, um alle Leute und Abläufe kennen zu lernen. Ich werde nicht etwas ändern, was ich noch gar nicht kenne. Und es gibt ja auch viele gute Sachen, die man fortführen kann. 

RB: Gibt es trotzdem schon konkrete Ideen?
Fournier: Ein Gedanke ist ein kleineres Vokal­ensemble zusätzlich zum Domchor – mit einem Schwerpunkt auf A-cappella-Musik – und mehr neue Werke neben der bestehenden Literatur. Mit dem Domchor möchte ich einmal statt zweimal in der Woche proben – dafür länger, intensiver und mit späterem Beginn. Meine Erfahrungen aus Graz zeigen, dass jüngere, berufstätige Leute nicht schon um halb sieben zur Probe kommen. Und dass vielen Chormitgliedern drei Termine pro Woche – zwei Proben und das Wochenende – einfach zu viel sind. Die Menschen haben Familie und Hobbys und bevor jemand sagt, er singt gar nicht mehr mit, belegen wir unter der Woche lieber nur einen Abend. Ich werde mir das in der Praxis anschauen, was gescheit ist und was gut funktioniert.

RB: Woran werden die Menschen im Dom irgendwann merken „Hoppala, da hat sich etwas getan – da werkt eine neue Dom­kapellmeisterin“?
Fournier: Neben der moderneren Musik möchte ich die Gemeinde mehr involvieren. Es soll nicht nur der Chor singen und alle hören zu. Derjenige, der in die Messe geht, soll auch selber ein Feiererlebnis haben. Der Chor soll dabei die Kirchengemeinde unterstützen, damit man zu einer „feiernden Gemeinde“ wird. Wie und ob das funktioniert, wird aufgrund der Größe des Doms natürlich eine spannende Frage.

RB: Werden diesem „gemeinsamen Erlebnis“ dann die alten Meister geopfert?
Fournier: Keine Angst, Mozart und Haydn und große Orchestermessen sind wichtig und die werden wir auch weiterhin im Dom aufführen. Aber es gibt daneben moderne Kirchenmusik, bei der Chor und Gemeinde gemeinsam singen und dadurch mit einem spirituelleren Erlebnis nach Hause gehen. Oder neben traditionellen Antwortgesängen etwas pfiffigere Varianten, wie zum Beispiel den Grazer Psalter – und daneben hat trotzdem auch die Gregorianik ihren Platz. Ich finde, es muss in der Kirchenmusik die ganze Bandbreite vertreten sein.

RB: Sie haben die Spiritualität angesprochen. Wie wichtig ist die Musik für die Liturgie?
Fournier: Für mich als Kirchenmusikerin ist eine Messe ohne Musik kaum vorstellbar und Musik ein Hauptweg zum Glauben. Als ich mit 19 oder 20 Jahren im Chor die Johannes-Passion von Bach mitgesungen habe, war das für mich ein Schlüsselerlebnis. Wenn man Bibeltexte singt oder gesungen hört, nimmt man sie ganz anders auf, als wenn man sie vorgelesen bekommt. Auch darum ist Musik in der Kirche so wichtig.

Zur Person

Andrea Fournier, geb. 1974 in Leutkirch im Allgäu, studierte katholische Kirchenmusik, Instrumentalpädagogik Orgel und Schulmusik an der Kunstuni Graz. Seit 1998 war sie Organistin und Chorleiterin an der Stadtpfarrkirche Graz. Eine große Leidenschaft gilt der Kinder- und Jugendchorarbeit. Seit 2010 leitet Andrea Fournier die Singschul´ der Oper Graz, einen der bedeutendsten Kinder- und Jugendchöre Österreichs. Im Jahr 2019 wurde ihr der Erwin-Ortner-Preis für ihre Chorarbeit verliehen. Heuer im März erhielt sie das Nikolaus-Harnoncourt-Stipendium für ihre Kinder- und Jugendchorarbeit.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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