Orthodoxie zum Ukrainekrieg
Patriarch verliert Glaubwürdigkeit

Dietmar Winkler über klare und leise Stimmen der Orthodoxie.  | Foto: RB/Universität Salzburg
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Auf Putin hätte es keine Wirkung, wenn der russisch-orthodoxe Patriarch den Angriff auf die Ukraine doch verurteilen würde. „Auf die Menschen allerdings schon“, sagt Ostkirchen-Experte und Universitätsprofessor Dietmar Winkler. Als Redner auf der EXPO weilte er in Dubai, als das Rupertusblatt ihn für ein Interview erreichte.

von Michaela Hessenberger

RB: Rufe nach Frieden – oder zu-mindest nach einem Waffenstillstand – in der Ukraine verhallen unerwidert. Was kann Religion in diesem blutigen Konflikt beitragen?
Dietmar Winkler: Weltweit haben orthodoxe Kirchen zum Frieden aufgerufen und den Angriff Russ-lands verurteilt. Eine entschiedene Position hat der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel bezogen. Was ich für dramatisch halte ist, dass sich der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I.von Moskau nicht unzweifelhaft geäußert hat.

RB: „Die Orthodoxie“ schweigt also keinesfalls und bezieht klar Position gegen den Krieg.
Dietmar Winkler: Es gibt weltweit Reaktionen. In der Ukraine leben rund 60 Prozent Orthodoxe in zwei Kirchen. Dass die autokephale (selbstständige) ukrainisch-orthodoxe Kirche, die vom Moskauer Patriachat nie anerkannt wurde, den Krieg verurteilt, ist klar. Ebenso wie die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche. Sehr interessant ist, dass bereits Ende Februar auch die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die zum Moskauer Patriarchat gehört, an Präsident Putin appelliert hat, den Krieg zu beenden. Sie haben ebenso ihren Patriarchen Kyrill I. aufgerufen, sich an die Staatsführung zu wenden, die Feindseligkeiten zu beenden.

RB: Wie eng sind Kirche und Staat in Russland verwoben?
Dietmar Winkler: Die russische Orthodoxie nennt es eine „Symphonie von Staat und Kirche“. Seit 2008, seit Kyrill I. Patriarch ist, gibt es eine enge Beziehung zur politischen Führung. Der Staat instrumentalisiert die Kirche. Sie lässt das zu.

RB: Die Gründe?
Dietmar Winkler: Ein Vorteil für Kirchen und Klöster ist, dass sie durch finanzielle Zuwendungen einen Aufschwung erfuhren. Warum Patriarch Kyrill I. weitestgehend schweigt, ist schwer zu beurteilen. Vielleicht ist er angehalten, sich in der Öffentlichkeit nicht zu äußern. Grundsätzlich stimmt er wohl mit Putin überein, dass die Ukraine zu Russland gehört.

RB: Schadet ihm das?
Dietmar Winkler: Bald wird das Moskauer Patriarchat den letzten Funken Glaubwürdigkeit verloren haben. Auf Putin hätten klare Worte keine Wirkung mehr. Sehr wohl aber würden sie die Öffentlichkeit erreichen, denn die Kirchenführung sollte moralische Instanz sein. Zwischen den Menschen hätte ein Statement Auswirkungen.

RB: Wie können Christen reagieren?
Dietmar Winkler: Indem sie in ihren Ländern durch Hilfe und Eintreten für das Gute Widerstand gegen das Böse, die Aggression, leisten. Da kann man sich gut auf Jesus berufen. Nach dem Schlag auf die rechte Backe hat er nicht einfach die linke hingehalten. Er hat den Täter zur Rede gestellt und gefragt „Warum schlägst du mich?“ Putin muss man die Frage stellen „Warum greifst du an?“

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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