Dietrich Bonhoeffer
Ein „moderner Heiliger“ für uns?

Dietrich Bonhoeffer zeigt, was es heißt, aus der Gnade Gottes zu leben. | Foto: RB/Bonhoeffer-Archiv
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Passionsandacht. Texte des evangelischen Theologen und Opfer des NS-Regimes Dietrich Bonhoeffer stehen im Zentrum einer ökumenischen Feier am Donnerstag, 25. März, 19 Uhr, in der Salzburger Auferstehungskirche. Sie können an der Andacht auch online teilnehmen: www.trotzdemnah.at oder www.auferstehungskirche-sbg.at

Über Bonhoeffers Lebenszeugnis spricht Olivier Dantine, Superintendent der evangelischen Kirche Salzburg und Tirol, in einem Rupertusblatt-Gespräch. Interview: David Pernkopf

RB: Wie würden Sie Dietrich Bonhoeffer den Menschen und Christen des 21. Jahrhunderts beschreiben? Warum ist der Blick auf ihn vielleicht gerade auch in Zeit der Krise sinnvoll?

Olivier Dantine: Dietrich Bonhoeffers Weg zeigt bis in letzter Konsequenz, was es heißt, aus der Gnade Gottes zu leben. Gerade wenn wir erkennen, dass wir unser Leben nicht selbst in der Hand haben, ist das tröstlich und entlastend zugleich: Wir sind nicht ausgeliefert. Gleichzeitig heißt aus der Gnade zu leben für Bonhoeffer, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen, selbst wenn es heißt, schuldig werden zu müssen. Krisen zeichnen sich auch durch Dilemma-Situationen aus, in denen wir nicht zwischen richtig und falsch, sondern zwischen falsch und falsch zu entscheiden haben. Bonhoeffer lehrt uns, dass es nicht darum geht, ohne Schuld durch das Leben zu gehen, sondern dem Leben der nächsten Generationen zu dienen.

RB: Anlässlich der ökumenischen Passionsandacht rückt das theologische Vermächtnis und Lebenszeugnis Dietrich Bonhoeffers wieder in den Mittelpunkt. Ist der streitbare Christ ein Leidensmensch bzw. wie können sich Leidende mit seinem Leben und Glauben identifizieren?

Dantine: Bonhoeffer hat nicht das Leid gesucht, war sich aber immer bewusst, welche Konsequenzen sein Handeln haben kann. Der streitbare Christ zieht sich aber nicht aus der Affäre, wenn es ungemütlich oder gefährlich wird. Die Gewissheit, getragen zu sein, gibt ihm die Kraft dazu, das Leiden anzunehmen. Diese Gewissheit ist es, die Menschen im Leid Halt geben kann.

RB: In den Monaten seiner Inhaftierung dachte Bonhoeffer auch über die künftige Gestalt des Christentums in der Welt nach. Deren rasante Veränderungen nach 1945 konnte er nicht voraussehen. Passen seine Überlegungen von damals für heute?

Dantine: Sehr wohl hat Bonhoeffer gesehen, dass die Kirche auf eine Bewährung in einer zunehmend säkularisierten Welt zusteuert. Er hatte einen kritischen Blick auf eine Religiosität, die auf Selbstvergewisserung aus ist, und die sich in einer religiösen Sprache ausdrückt, mit der heute immer weniger Menschen etwas anfangen können. Bonhoeffer setzte sich für einen der Welt zugewandten Glauben ein. Weil Christus sich der Welt aussetzt und an ihr leidet, steht er den Menschen bei und fordert sie wiederum zur Anteilnahme. Sein berühmter Satz gilt heute mehr denn je: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“.

RB: Dietrich Bonhoeffer wurde noch kurz vor dem Ende des Kriegs auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers hingerichtet. Wieso war er Hitler dermaßen verhasst?

Dantine: Stand Bonhoeffer zunächst unter der Anklage der Wehrkraftzersetzung, brachte ein Aktenfund Bonhoeffer in Verbindung mit dem Attentat vom 20. Juli 1944. Für die Widerstandsgruppe nutzte er seine Ökumenischen Kontakte, um die Alliierten von den Umsturzplänen zu informieren. Bonhoeffer war mit vielen anderen Oper eines erbarmungslosen Rachefeldzugs Hitlers.

RB: Bonhoeffers Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ ist auch in Zeiten der Krise immer ein Orientierungspunkt. Können Sie seine Theologie der Hoffnung kurz beschrieben?

Dantine: Dafür reicht ein Zitat: „Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“

RB: „Widerstand und Ergebung“, so der Titel einer seiner Schriften. Darin liegt ja schon die ganze Spannung des Menschen angesichts von Leid, Bedrohung des Lebens und wie damit umgehen. Können Sie uns Ihre Lesart dazu vermitteln?

Dantine: „Ergebung“ verstehe ich als die Erkenntnis, dass ich nicht aus mir selbst heraus lebe, sondern ich mein Leben als Gabe Gottes empfange. Daher muss ich nicht krampfhaft am Leben festhalten und bin so befreit, die Welt zu gestalten. Das bedeutet auch, lebensfeindlichen Kräften und Strukturen zu widerstehen.

RB: Die evangelische Theologin Christiane Tietz stellt in dem Buch „Dietrich Bonhoeffer. Theologe im Widerstand“ die Frage, ob Bonhoeffer ein „moderner Heiliger“ ist. Ist Wie sehen Sie diese Annäherung?

Dantine: Bonhoeffer ist uns nicht nur mit seinen Werken, sondern auch mit seinem Leben ein Lehrer eines christlichen Lebens: der Gnade Gottes gewiss und unserer Verantwortung für die Welt gewahr. Wenn dies mit der Zuschreibung als „moderner Heiliger“ gemeint ist, kann ich damit gut leben.

Dietrich Bonhoeffer zeigt, was es heißt, aus der Gnade Gottes zu leben. | Foto: RB/Bonhoeffer-Archiv
Olivier Dantine ist Superintendent der evangelischen Kirche Salzburg und Tirol.
 | Foto: RB/Klaus Defner
Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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