Ehe und Familie
Wir brauchen eine Familientheologie

Die Taufe ist das Verhältnis zu Gott, das die gesellschaftlichen Rollen übersteigt. Deshalb solle sie auch ein zentrales Sakrament in der Familientheologie sein.		 | Foto: RB/t.max/shutterstock.com
  • Die Taufe ist das Verhältnis zu Gott, das die gesellschaftlichen Rollen übersteigt. Deshalb solle sie auch ein zentrales Sakrament in der Familientheologie sein.
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Die Theologin Stephanie Klein spricht über die unterschätzte und vernachlässigte theologische Reflexion über die Familie. Für Klein ist sie der Schlüssel zu einem neuen kirchlichen Nachdenken über Kinder und Familie.

von David C. Pernkopf

RB: Fast schon vergessen scheint das Jahr der Familie. Wie steht es um die Familie in Kirche und Gesellschaft?
Stepahnie Klein:
In unserer Gesellschaft haben sich die Familien stark ausdifferenziert. Es gibt viele verschiedene Familienkonstellationen, die es aber größtenteils verdeckt auch früher schon gab. Diese sind oftmals nicht selbst gewählt. Nehmen wir die Sicht der Kinder: Viele leben bei einem oder zwei blutsverwandten Elternteilen, bei Stief-, Pflege- oder Adoptiveltern, manche bei Großeltern, Verwandten oder in Heimen. Den Kindern und jenen, die sich um sie sorgen, ist es wichtig, dass die Familienverhältnisse, in denen sie leben, akzeptiert und unterstützt werden. Inzwischen gibt es rechtliche Anerkennungen, was Erleichterung bringt. Die beruflichen und schulischen Anforderungen setzen die Familienmitglieder unter zeitlichen und psychischen Druck, und vor allem Alleinerziehende stehen oftmals unter ökonomischem Druck. Die Kirchen setzen sich sehr für die Familienmitglieder in ihren unterschiedlichen Situationen ein.

RB: Was ist der entscheidende Unterschied zwischen einer Ehe- und einer Familientheologie?
Klein: Indem die katholische Kirche die Ehe zu einem von sieben Sakramenten erhob, drückte sie ihre hohe Wertschätzung der Ehe aus. Die kirchliche Ehetheologie geht auf Aussagen Jesu zurück, der die willkürliche Entlassung der Frau aus der Ehe ablehnte. Jesus ging es abei nicht darum, eine neue rechtliche Eheinstitution zu schaffen, sondern darum, das Heil Gottes für die Menschen zu verkünden. Die Familie als Verwandtschafts- und Beziehungssystem war in der Kirchengeschichte kein Thema der dogmatischen Theologie, eine „Familientheologie“ gibt es nicht. Dies ist kein Versäumnis, sondern hat eine eigene theologische Bedeutung. Verwandtschaftsverhältnisse sind kein Kriterium der Beziehung zu Gott, vielmehr ist jeder Mensch, in welchen Familienverhältnissen auch immer, berufen, Christus nachzufolgen. Diese Offenheit war und ist gerade heute eine Chance, die kulturelle Vielfalt von Familienverhältnissen in der Geschichte, in den Kulturen der Welt und in unserer Gesellschaft auch religiös zu respektieren.

RB: Wie kann eine Theologie der Familie heute aussehen? Wer ist damit gemeint?
Klein: Geht man vom Sakrament der Ehe aus, dann ist – wie Papst Franziskus dies in seinem Schreiben Amoris laetitia tut – die gegenseitige Liebe als ein Bild der Liebe Gottes zu den Menschen und als ein Vorbild der Liebe der Menschen untereinander und zu Gott zu akzentuieren. Doch mit diesem Anspruch ist der Ehe und Familie eine enorm hohe Bürde auferlegt, sie werden zu einem Ideal, hinter dem die Menschen faktisch immer zurückbleiben werden. Ein guter Weg, die komplexen Familien heute theologisch zu verstehen und zu begleiten, ist es, an das Sakrament der Taufe anzuknüpfen. Theologisch können wir vielmehr an die Überzeugung der Kirche anschließen, dass die Taufe das sichtbare Zeichen der Gnade Gottes im Leben eines Menschen ist, ein Zeichen, dass Gott seinen Weg mit diesem Menschen geht. Dieses Zeichen macht den Weg Gottes mit diesem Menschen sichtbar und bewirkt das Vertrauen, die Zuversicht und die Hoffnung in Gottes Beistand und die Erfahrung seines Daseins.

RB: Was sollen wir über und zur Familie sagen im Hinblick auf die Offenbarung Gottes?
Klein: Die metaphorische Rede davon, dass Gott „Vater“ der Menschen ist und die Menschen „Kinder“ Gottes sind, relativiert in theologischer Hinsicht jedes Familienmodell. Es besagt, dass die Menschen vor Gott gleich und von Gott geliebt sind. Das Sakrament der Taufe macht diese Kindschaft des Menschen zeichenhaft sichtbar. Für die Familien bedeutet dieses Zeichen, dass sie mit der Gnade Gottes bei allen Familienmitgliedern und bei ihrem familiären Zusammenleben rechnen dürfen, in welchen Familien- und Verwandtschaftsverhältnissen auch immer sie leben. Für die Kinder bedeutet es, dass sie sich dieser Gnade des Daseins Gottes in ihrem Leben bewusst werden dürfen. Für die theologische Rede bedeutet es, dass die Vaterschaft Gottes und Gotteskindschaft der Menschen die faktischen Familienverhältnisse relativiert.

Zur Person

Stephanie Klein, geboren 1957 in Fulda, studierte Theologie, Pädagogik, Soziologie und Psychologie an den Universitäten in Würzburg, Münster und Frankfurt am Main. Sie erwarb das Diplom in katholischer Theologie in Würzburg und das Diplom in Pädagogik in Frankfurt. 1993 promovierte sie an der Universität Würzburg mit einer Arbeit zum Thema Theologie und empirische Biografieforschung. 2002 wurde sie mit einer Schrift zum Thema Erkenntnis und Methode in der Praktischen Theologie habilitiert. Seit 2008 ist sie ordentliche Professorin für Pastoraltheologie an der Universität Luzern.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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