Behinderung in Zeiten von Corona
Durch Covid-Maßnahmen mehrfach behindert

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„Mit Maske höre ich so schlecht!“ – Klingt wie ein Scherz, ist aber keiner: Gesichtsmasken beeinträchtigen die Kommunikation. Das und anderes trifft manche Menschen in besonderer Weise.
von Georg Haab

Der Mund-Nasen-Schutz verschluckt nicht nur ein paar Schallwellen, sondern verdeckt auch Gesichtsausdruck und Mimik beim Sprechen: Das Gesprochene wird auch für Menschen, die mehr oder weniger gut hören, schwerer verständlich. Gehörlosen Menschen – in Kärnten über 1.000 – wird die Verständigung aber unmöglich: Lippenlesen geht nicht mehr, jede Kommunikation ist abgeschnitten. Das Verbot der medizinisch unzureichenden Gesichtsschilde hat für sie gravierende Folgen beim täglichen Einkauf und noch mehr in sensiblen Bereichen wie Krankenhaus- oder Arztbesuchen. Schwerhörigen Menschen geht es ähnlich.
Blinde Menschen haben zwar kein Problem mit den Masken, wohl aber mit den Abstandsregeln. Wie den Abstand einschätzen, ohne ihn zu sehen? Blinde stellen fest, dass man sich im Alltag jetzt viel mehr aus dem Weg geht, dass sie also viel weniger Möglichkeiten zum Fragen haben, z. B. wo der nächste Fußgängerüberweg ist. Auch öffnen Bus-Chauffeure aus Sicherheitsgründen gerne nur die hintere Tür: Wie nun fragen, wo ein Platz frei ist und wann die Ausstiegshaltestelle kommt?

Unsicherheit
Gleichzeitig leben Gehörlose wie auch Blinde mit einem größeren Maß an Unsicherheit, weil sie viel weniger Informationen zur Lage und zu den geltenden Maßnahmen bekommen: Blinde können nicht einfach jede Zeitung und jeden Beitrag im Internet lesen, und Gehörlose haben nicht unsere Schriftsprache als Muttersprache, sondern die Gebärdensprache. Beide sind mehr oder weniger auf eine Aufbereitung der Informationen angewiesen. Das macht die Einschätzung der aktuellen Lage zur Pandemie schwieriger und verstärkt die Unsicherheit, die wir alle spüren, nochmals.

Einsamkeit
Beide Gruppen klagen, dass sich durch die Kontaktbeschränkungen viele ihrer Kontaktpersonen zurückziehen. Zusammen mit den eingangs genannten Verständigungsproblemen führt das sehr schnell zum Gefühl, das Leben nicht mehr meistern zu können: Hinter der Einsamkeit lauern dann Verzweiflung und Depression.
Dagegen kann jeder und jede von uns etwas tun: Für viele ist es jetzt schwerer, an einem Gottesdienst teilzunehmen. Blinde Gemeindemitglieder sind sicher dankbar, wenn ihre Pfarre ihnen eine Begleitung für den Weg zur hl. Messe anbietet. Übrigens: Um einen Blinden zu führen, gilt der Ein-Meter-Abstand nicht, es genügt ein Mund-Nasen-Schutz. Blinden und sehbehinderten Menschen steht übrigens der „Sonntag zum Hören“ zur Verfügung (s. Link am Ende der Seite), also diese Kirchenzeitung im Hör-Format, von Ehrenamtlichen jede Woche auf Tonträger gelesen und im Internet abrufbar.

Einander helfen und unterstützen
Für gehörlose Menschen: Es finden sich kaum brauchbare transparente Masken auf dem Markt. Was es gibt, ist entweder unpraktisch, medizinisch unsicher oder sehr teuer. Primar Rudolf Likar, Intensivmediziner und Mitglied im Covid-Krisenstab des Landes Kärnten, rät: Es spricht nichts dagegen, gegenüber gehörlosen Menschen den Mund-Nasen-Schutz abzunehmen, wenn der Abstand von zwei Metern eingehalten werden kann (Lüften nicht vergessen) oder das Gespräch im Freien stattfindet.
Alte Menschen, besonders solche mit Demenz, brauchen Nähe, Berührung, Kommunikation über Mimik und Gestik, unterstreicht Judith Höhndorf, Leiterin des diözesanen Referats für Seniorenpastoral. Unter Berücksichtigung der Hygieneregeln ist auch hier vieles möglich. Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber in der Verordnung vom 1. November die Bedeutung von Seelsorge anerkannt und Seelsorgerinnen und Seelsorger den Mitarbeitern der Einrichtungen weitgehend gleichgestellt hat. Es gilt, nicht nur die Gesundheit zu schützen, sondern den ganzen Menschen „vor einem sozialen, psychischen und seelischen Tod zu bewahren“, so die Seelsorgerin.
Die angemessenste Hilfe für den Menschen ist also der Mensch selbst: Dem anderen in die Augen schauen, um wahrzunehmen, welche Hilfe er braucht. Ihm zeigen, dass er mir nicht gleichgültig ist. Und mir die Zeit nehmen, ihn wirklich zu verstehen. Diese Grundhaltung käme nicht nur alten, kranken und behinderten Menschen zugute, sondern eigentlich allen ...

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Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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