Schlusspunkt von Józef Niewiadomski
Inbegriff der Hingabe

Fronleichnam 2021: Vor meinen Augen taucht das Bild auf, das ich aus der Zeit meiner Kindheit kenne. Es war auf der Kanzel unserer Dorfkirche zu sehen. Thomas von Aquin hat es in seinem eucharistischen Hymnus als Bild für Christi Hingabe verwendet und so die Imagination der Weltkirche geprägt. Es erzählt die Geschichte einer Vogelfamilie. Drei Kinder sind da. Ewig hungrig. Die permanent offenen Schnäbel signalisieren dem glücklichen Pelikan, dass er unverzichtbar ist. Unverzichtbar bei der Beschaffung der Nahrung. So taucht er immer und immer wieder ins Wasser ein. Bringt den Jungen köstliche Fische und Muscheln. Doch als der Winter kam und der orkanartige Wind ihm dermaßen zusetzte, dass er sich nicht einmal in die Luft hochschwingen konnte, blieb er im Nest sitzen. Er hörte das Heulen der Kleinen an und irgendwann konnte er nicht mehr. Sein Herz blutete. So ritzte er sich mit seinem Schnabel die eigene Brust auf. Er tauchte den Schnabel in seinen Leib ein und fütterte die Jungen mit seinem eigenen Blut. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, die Kinder vor dem Hungertod zu bewahren. Doch forderte der lange Winter seinen Tribut. Als der Frühling einbrach und die jungen Vögel selbstständig wurden, starb der ausgeblutete Pelikan: der Inbegriff der Hingabe an die Seinen!

Autor:

Gilbert Rosenkranz aus Tirol | TIROLER Sonntag

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